Das Markenzeichen Made in Luxembourg wird immer beliebter

Produktpatriotismus

d'Lëtzebuerger Land du 15.12.2017

Am Mittwoch war es wieder soweit, eine ganze Reihe von Betrieben erhielten ihre Urkunde mit der Auszeichnung Made in Luxembourg. Nachdem die Warenmarkierung 1984 eingeführt wurde, blieb die Zahl der Firmen, die sie einsetzten, jahrzehntelang überschaubar. Noch 2004 führten weniger als 80 Betriebe das Zeichen auf ihren Produkten. Das mag an den Umständen der Einführung liegen. 2014 erzählte Paul Helminger (DP), 1984 Staatssekretär für den Außenhandel, dem Luxemburger Wort, damals sei es vor allem darum gegangen, den Luxemburger Teilnehmern bei gemeinsamen Wirtschaftsmissionen mit Belgien ein Alleinstellungsmerkmal zu geben. Das Siegel sollte Exportbetrieben helfen, sich im Ausland darzustellen.

Doch seit ein paar Jahren steigt die Zahl der Firmen, welche die Kennung beantragen, sprunghaft an. Das führen Verantwortliche der Handels- und Handwerkskammer, die die Ursprungsbezeichnung vergeben, unter anderem auf die medienwirksam inszenierten Zeremonien zur Überreichung wie der am Mittwoch zurück, die seit 2014 stattfinden. Es hat auch damit zu tun, dass die beiden Kammern die Marke vor drei Jahren mit einem Update ins 21. Jahrhundert holten. Über die Webseite made-in-luxembourg.lu kann sie seither online beantragt werden. Auf der Seite sind außerdem alle Unternehmen referenziert, die den Zusatz führen dürfen. Potenzielle Kunden und Verbraucher können dort nachsehen, wer ihn hat. Das sind den dortigen Angaben zufolge 880. Das Portal, versichert Edith Stein von der Handelskammer, verzeichne viele Besucher, was heißen soll, dass es als Werbeplattform für die dort angeführten Unternehmen dient. Wie viele Internetnutzer dort genau vorbeischauen, konnte sie bis Redaktionsschluss allerdings nicht sagen.

Im Juni 2014 meldete das Luxemburger Wort in einer Kurznachricht „Cegecom obtient le label ‚Made in Luxembourg’“. Zwar hieß es darin, der Telekombetrieb habe 2013 seine Strategie geändert. Doch warum eine Herkunftsbescheinigung für einen Telekomanbieter mit eigener Glasfaserinfrastruktur wichtig ist, der ausschließlich Geschäftskunden bedient und dessen Aktionariat deutsch ist, ging daraus nicht hervor. Dass es Cegecom überhaupt möglich war, das Made in Luxembourg mit Krone zu erhalten, liegt ebenfalls an der 2014 durchgeführten Reform. Davor konnten Dienstleistungsbetriebe nur die Auszeichnung Luxembourg mit Krone, aber ohne Made in beantragen, der offenbar weniger Aussagekraft beigemessen wurde. 2014 wurde diese, im Vergleich zu einem Made in Luxembourg oder Made in France oder Made in Germany amputiert wirkende Herkunftsbescheinigung abgeschafft und ein einheitliches Label für alle eingeführt.

Dass eine solche Bescheinigung für Dienstleistungsunternehmen immer wichtiger ist, erklärt Elke Hartmann von der Handwerkskammer damit, dass sich nicht nur exportorientierte Betriebe auf fremden Märkten gegen ausländische Konkurrenz durchsetzen müssen. Sondern sich gebietsansässige Firmen auf ihrem Luxemburger Heimatmarkt gegen immer stärkere Konkurrenz aus dem Ausland behaupten müssen. „Auf einen Dienstleistungsbetrieb kommen 1,4 ausländische Dienstleistungsbetriebe, die hier auf dem Markt aktiv sind.“ Das sei eine besondere Si­tuation, die so anderenorts nicht vorkomme, fügt sie hinzu. Deshalb beantragten auch Firmen, die nicht exportieren, verstärkt das Sonderstellungsmerkmal, das sie bei der heimischen Kundschaft als nationalen Betrieb auszeichnet.

Ob dieser Plan für Dienstleistungsunternehmen aufgeht, ist aber fraglich. Denn nach der Reform des Zulassungsreglement 2014, ließ die Handwerkskammer 2015 in einer von BTS-Studenten durchgeführten Umfrage analysieren, wie hoch Wiedererkennungswert und Aussagekraft der Herkunftsbezeichnung Made in Luxemburg und dem entsprechenden Logo unter Endverbrauchern, die in Luxemburg leben oder arbeiten, überhaupt sind.

Rund 55 Prozent von ihnen war das Label ein Begriff, wobei es wesentlich mehr Luxemburger Staatsbürger (69 Prozent) kannten als Befragte mit anderer Nationalität. Diejenigen, denen das Made in Luxembourg bekannt war, nannten 597 Beispiele für Firmen, die es ihres Wissens nach einsetzen. Davon waren 330 zutreffend. Die Milchverarbeitungskooperative Luxlait wurde dabei 107 Mal genannt. Unter die ersten zehn der am häufigsten genannten Betriebe konnte sich als einziger Dienstleister außerhalb der Lebensmittelbranche die Fluggesellschaft Luxair schmuggeln. In die Hitparade schafften es hinter Luxlait, Bofferding, Cactus, Diekirch, Namur, Oberweis, Luxair, Moutarderie de Luxembourg, Vinmoselle und Rosport. Schon den Senfhersteller, einer der Betriebe, der das Logo am prominentesten auf seinen Verpackungen anbringt, nannten nur noch zehn Umfrageteilnehmer spontan als Unternehmen mit der Herkunftsbezeichnung.

Dass die Konsumenten eher Luxlait als Arcelor-Mittal nennen (vier Mal), ist nachvollziehbar, schließlich kaufen sie im Alltag öfter Milch als Stahlträger. Das wirft aber die Frage auf, was die Auszeichnung wirklich bringt. Zumal es ausgerechnet im Lebensmittelbereich eine ganze Flut an Labels mit jeweils unterschiedlichen Zugangskriterien gibt: Marque nationale, Produits du Terroir für Rindfleisch, Kartoffeln, Weizen, Mehl und Brot aber auch das Cactus Fleesch vum Lëtzebuerger Bauer, Naturschutzfleesch, ganz zu schweigen von den Bio-Marken Demeter, Biog, Biomauffel, Bio Lëtzebuerg und daneben noch Spelz, Véi, Téi und Bléi vum Séi. Sogar eine Auszeichnung für sauberes Trinkwasser gibt es, den Drëpsi.

Mit diesen Labels soll Made in Luxembourg nicht im Wettbewerb stehen, sagt Elke Hartmann von der Handwerkskammer. Denn sie legen Produk­tionskriterien fest, was bei Made in Luxembourg nicht der Fall ist. Handels- und Handwerkskammer prüfen ausschließlich, ob die Produktion oder ein wesentlicher Beitrag zur Wertschöpfung in Luxemburg stattfindet, es geht allein um den Herstellungsort. Zwar prüft die Handwerkskammer bei den Firmen, die ihren Antrag bei ihr einreichen, noch einmal nach, ob sie über die notwendigen gesetzlichen Berufsqualifikationen verfügen, um das Produkt herzustellen, das sie als Made in Luxembourg auszeichnen lassen wollen. Aber Qualitätskriterien über die allgemein gültigen Vorschriften und Normen hinaus, die in den jeweiligen Fachbereichen herrschen, gibt es nicht.

Dass das anfängt sich zu rächen, kann man sehen, wenn man auf made-in-luxembourg.lu nachschaut, was alles in der Rubrik „Design“ mit dem Label versehen ist. Weil der Beruf Designer in Luxemburg nicht geschützt ist, gibt es dort neben einigen wenigen, die Design tatsächlich studiert haben, Hobbykunsthandwerk und andere Kuriositäten in Hülle und Fülle. Beispielsweise eine Schaufensterpuppe mit beweglichen Armen, die ein tanzbegeisterter Automechaniker auf Bürostuhlrollen geschraubt hat, und die als Salsa-Partnerin einspringen kann, wenn keine aus Fleisch und Blut verfügbar ist. „Da dachten wir auch erst: komisch“, räumt Hartmann ein. „Aber wir haben das geprüft. Die Firma wurde mit Innovationspreisen ausgezeichnet und es gibt einen Markt dafür: Tanzschulen“, fügt sie hinzu.

Auf die Frage, ob durch eine eventuelle Überstrapazierung des Labels der Qualitätsbegriff bei den Verbrauchern riskiert, flöten zu gehen, antwortet sie eher ausweichend. „Niemand hat ein Interesse daran, dass es ein Label für schlechte Qualität ist“. Aber als einziges Kriterium zur Vergabe ist im Reglement der Produkt- oder Dienstleistungsursprung festgehalten.

So gesehen, ist ein Made in Luxembourg als Qualitätssiegel noch besser geschützt als beispielsweise das in vieler Augen so wertvolle Made in Germany. Denn anders als in Luxemburg, prüft dort vorab überhaupt niemand, ob die Waren tatsächlich in Germany hergestellt wurden oder nicht. Die Industrie und Handelskammer der Region Stuttgart erklärt das auf ihrer Webseite: „Die Warenmarkierung ‚Made in Germany’ erfolgt auf eigene Verantwortung des Herstellers. Es gibt keine Institution in Deutschland, die die Richtigkeit der Warenmarkierung bestätigt. Der Hersteller kann sich die Kennzeichnung selbst verleihen.“ So klären in Deutschland Wettbewerber meistens erst vor Gericht, was tatsächlich in der Bundesrepublik produziert wurde und was nicht. Weil es innerhalb der Europäischen Union keine einheitlichen Regeln gibt, versucht die EU-Kommission seit bald 15 Jahren ein Made in EU einzuführen. Dagegen haben sich die Mitgliedstaaten bisher gewehrt, darunter Deutschland am heftigsten.

Michèle Sinner
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