Etienne Schneider setzt alles auf eine Karte: den Abbau von Rohstoffen im All, auf Neu-Luxemburgisch Spacemining oder Spaceresources genannt. Mehr als alles andere ist diese Initiative des Wirtschaftsministers (LSAP) eine PR-Aktion. Vielleicht die bestgeplante und gelungenste, die von der Luxemburger Regierung in den vergangenen Jahrzehnten gestartet wurde. Denn von den Spaceresources-Fruchtgummis in Sternenform über Schreibwaren und der übersichtlich strukturierten und regelmäßig aktualisierten Webseite, alles in Weltraumoptik statt Nationbranding-Look, bis zu Millionenbeträgen, die bereitstehen und der Änderung des Uno-Weltraumvertrags ist alles vorgesehen. So wahnwitzig, wie Schneiders Idee erschien, als er vor zwei Jahren anfing, vom Bergbau im All zu reden, so erfolgreich ist seine Initiative heute. Internationale Medien schreiben und senden regelmäßig über Luxemburgs Weltraumpläne, die Verlockung vom „kleinen Land mit den ganz großen Ambitionen“ zu berichten oder „das hoch hinaus will“, ist einfach zu stark.
So ist es Schneider gelungen, was seine Vorgänger vergeblich versuchten, nämlich Luxemburg auf die „Landkarte zu setzen“. Den Erfolg erklärt Schneider auch damit, dass „keine andere Regierung sich dermaßen auf diesen Bereich fokussiert“. Die neue Branche hat man sozusagen „selbst erfunden“. „Es geht ja darum, einen neuen Wirtschaftssektor aufzubauen und dabei, ich will nicht sagen Fehler zu wiederholen, aber darum, nicht wieder in die Situation zu geraten, in der wir das gleiche versuchen wie alle anderen Länder auch.“ Wie beispielsweise in der Logistik, den Umwelt- oder den Biotechnologien. Die Weltrauminitiative gebe Luxemburg ein Alleinstellungsmerkmal, so Schneider. Auch durch den Luxemburger „Space Act“, das Gesetz, das privatrechtlichen Firmen erlaubt, Besitz von Weltraumressourcen zu ergreifen und Geschäfte damit zu machen, egal welcher Nationalität sie sind. Die beiden großen Firmen der Branche, Deep Space Industries und Planetary Resources, haben in Luxemburg Niederlassungen gegründet oder arbeiten mit der Regierung zusammen. Schneider hat Absichtsvereinbarungen unterzeichnet, MoUs, mit der Europäischen Weltraumagentur Esa, mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen. Rund 70 Anfragen von Firmen lägen derzeit vor, die im Weltraumbereich aktiv sind, die nach Luxemburg kommen wollen, um Forschungsgelder oder eine staatliche Beteiligung zu beantragen.
Damit das so weitergeht und das Interesse nicht abreißt, müssen Schneider und seine Mitarbeiter die Medien regelmäßig mit neuen Informationsbissen füttern. Als sie vergangenen April, von einem Medientross begleitet, in die USA fuhren, um die Nasa und Firmenchefs zu besuchen, hatte der Minister daher mehrere Botschaften im Gepäck. Luxemburg werde eine Weltraumagentur gründen, kündigte er an. Ob also neben der Nasa bald eine Lasa Schlagzeilen mit Missionen ans Ende des Universums, beziehungsweise bis zum Mars, machen wird? Nicht direkt, denn eine Weltraumagentur nach dem Vorbild einer Nasa ist nicht geplant. Und ein Jahr vor den nächsten Kammerwahlen stellt sich heraus, dass die Pläne zur Übernahme des Universums von irdischen Dingen wie Koalitionsvereinbarungen und eifersüchtig gehegten Ministerialressorts gebremst werden. Das wirft auch die Frage auf, wie es, je nachdem wie sie besetzt ist, in einer nächsten Regierung mit Luxemburgs Weltraumplänen weitergehen soll.
Gegenüber dem Land erläutert der Wirtschaftsminister, wie es um die angekündigte Luxemburger Weltraumagentur steht. Um die vielen Anfragen von Firmen und anderen Regierungen zu bearbeiten, so Schneider, stelle er ständig Mitarbeiter ein. Nicht alle von ihnen können Beamte werden, weil den Experten, die etwas vom Weltraumgeschäft kennen, die Luxemburger Staatsbürgerschaft fehlt. Um das Team aus Beamten, Angestellten und externen Beratern zusammenführen und die Sichtbarkeit nach außen zu verbessern, möchte Schneider deshalb eine Weltraumagentur gründen. Die solle von der Kommunikation, über die Bearbeitung der Anfragen von Firmen und die aktive Akquisition von anderen bis hin zum „politischen Teil der Arbeit“, der Zusammenarbeit mit anderen Staaten, alles aus einer Hand koordinieren.
Der „politische Teil der Arbeit“, läuft auf eine Abänderung des Uno-Weltraumvertrages von 1967 hinaus, der wie Schneider sagt, die von Luxemburg visierten Aktivitäten „weder verbietet, noch wirklich erlaubt“. Anders als andere Weltraumagenturen, wie die Nasa oder die Japanische Jaxa, soll die Luxemburger Agentur nicht die wissenschaftliche Erforschung des Weltraums zum Ziel haben. „Alles brotlose Kunst“, so der Wirtschaftsminister. Der Aufholbedarf Luxemburgs sei zu groß und es müssten Milliarden investiert werden, um vielleicht irgendwann einen Erfolg zu verbuchen. Statt nach Leben im All zu suchen, „nach einem Wurm auf einem Asteroiden“, geht es bei der Luxemburger Weltraumagentur ausschließlich um kommerzielle Aktivitäten im Weltraum. Doch die kommerzielle Nutzung von Weltraumressourcen und die dafür notwendige Inbesitznahme des Materials ist im Uno-Weltraumvertrag von 1967 nicht vorgesehen. Dort steht vielmehr: „The exploration and use of outer space shall be carried out for the benefit and in the interests of all countries and shall be the province of all mankind; outer space, including the moon and other celestial bodies, is not subject to national appropriation (…).“
Der Luxemburger Space Act, der privaten Firmen den Abbau von Ressourcen im All und deren Weiterverarbeitung und Verkauf erlaubt, und im Sommer durchs Parlament ging, stieß daher im In- und Ausland durchaus auf Kritik. Deshalb suchen Schneider und seine Mitarbeiter Verbündete. Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten unterschrieb er während der Wirtschaftsmission diesen Monat eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit in der Weltraumpolitik und -forschung. Mit Portugal sei ebenfalls ein MoU unterzeichnet. Mit Japan werde eines im November unterschrieben. Nächstes Frühjahr soll Russland folgen und im Januar werde Schneider nach China fahren, um zu verhandeln. Diese bilateralen Abkommen sollen „gleichgesinnte Länder an einen Tisch bringen“, so der Wirtschaftsminister. An diesem Tisch sollen sie seiner Vorstellung nach ein multilaterales Abkommen beschließen. Machen dabei genügend mächtige Staaten mit, könnten sie zusammen eine Anpassung des Uno-Weltraumvertrages fordern und in „zehn bis 15 Jahren“ erreichen.
Mit solchen Forderungen, Weltraumressourcen vom öffentlichen Gut zum Privateigentum umzuwandeln, setzt sich Schneider nicht nur als sozialistischer Minister der Kritik aus. Er muss sich auch den Vorwurf gefallen lassen, wiederum als Vertreter eines Zwergstaates eine legale Grauzone auszunutzen. So wie dies mit dem Bankgeheimnis der Fall war. Oder bereits beim Aufbau der Satellitenbetreibergesellschaft SES gemacht wurde. Damals war Luxemburg, vorsichtig ausgedrückt, Vorreiter in der kommerziellen Nutzung der Satellitentechnik, die in anderen Ländern zu militärischen Zwecken im Einsatz war. Auf welchen Positionen und Frequenzen SES senden durfte, war anfangs nicht klar und die grenzüberschreitende Ausstrahlung von Fernsehprogrammen in keiner Gesetzgebung vorgesehen. Nach Jahren der Lobbyarbeit ist SES heute der zweitgrößte Satellitenbetreiber weltweit und die Satellitenschüsseln an den Hausfassaden ein dermaßen gewohntes Bild, dass sich die Situation umgekehrt hat: Dass der kommerzielle Betreiber zusammen mit der Regierung über den Govsat militärische Dienste erbringen soll, ist heftig umstritten, auch weil damit die Frage zusammenhängt, ob die vom Govsat ermittelten Daten nicht doch für den Einsatz von Dronen benutzt werden.
Zur Weltraumagentur sollen laut Schneider aber auch die Dienste gehören, die sich im Staatsministerium mit der Satellitenkommunikation beschäftigen. Und da hakt es bei der schnellen Gründung der Weltraumagentur. „Das drängt sich auf“, sagt Schneider, zu einer solchen Zusammenführung der Weltraumdienste „muss man die nächsten Koalitionsverhandlungen abwarten“. Um nicht jetzt eine eigenständige Agentur zu gründen, der nicht alle relevanten Dienste angehören, soll sie in einer ersten Phase als Ministeriumsabteilung geformt werden, statt mit separater Rechtsperson. Von welchem Ministerium sie später abhängen soll, dem Staats- oder dem Wirtschaftsministerium? „Das hängt davon ab, wo ich nach den nächsten Wahlen bin“, sagt Etienne Schneider, „Das ist eine ernstgemeinte Antwort“, fügt er hinzu, um seinen Führungsanspruch zu untermauern. Im Dossier Google hatte es zwischen Staatsminister Xavier Bettel (DP) und seinem Vize und Wirtschaftsminister Etienne Schneider Reibereien gegeben, wer die Hoheit über das prestigeträchtige Dossier habe, das von manchen als größte Einzelinvestition in der Luxemburger Wirtschaftsgeschichte betrachtet wird. Das war vor den Gemeindewahlen, in denen Schneiders LSAP Stimmen verlor und die Koalitionspartner auf nationaler Ebene in den Gemeinden die Nähe zur neu erstarkten CSV suchten. Danach scheint die Sprachregelung unter Ministern noch weniger klar zu sein als vorher. Die Frage, was mit der Initiative spaceresources.lu passiert, wenn die treibende Kraft dahinter nicht mehr Regierungsmitglied wäre, umgeht Schneider. „Wenn ich nicht davon ausgehen würde, Wahlen gewinnen zu können, würde ich nicht in den Wahlkampf ziehen.“
Dabei sieht auch Schneiders Zeitplan vor, dass die Initiative richtig Früchte trägt, wenn er, der die Ministermandate auf zwei Amtszeiten beschränken wollte, nicht mehr in der Regierung ist. Das zeigt sich an der Finanzierung. Es sei ein Missverständnis, sagt Schneider heute, dass Luxemburg große Summen investieren müsse, um zur Weltraummacht zu werden. Für dieses Missverständnis ist er selbst verantwortlich, denn um das Interesse der Branche an der Initiative überhaupt zu wecken, hatte er die Bereitstellung von 200 Millionen Euro an öffentlichen Geldern angekündigt. Davon sind bisher rund 30 Millionen Euro investiert, hauptsächlich in die Zusammenarbeit mit Deep Space Industries zur Finanzierung einer ersten Weltraummission und über Planetary Resources, der US-Firma, an der der Staat zusammen mit der Förderbank SNCI eine Beteiligung von zwölf Millionen Euro genommen hat und weitere 13 Millionen Euro Forschungskredite versprochen hat. Die anderen Firmen, die Schneider regelmäßig medienwirksam in Luxemburg willkommen heißt, fordern über die regulären Förderinstrumente Forschungshilfen an. Beziehungsweise sie können darauf hoffen, von den Geldern zu profitieren, die Luxemburg an die Europäische Weltraumagentur Esa zahlt und die über Projekte zurück nach Luxemburg fließen.
Denn auch bei der Finanzierung des neuen Wirtschaftszweiges setzt Schneider auf die Privatwirtschaft. Schon vor Monaten hatte er berichtet, große Wagniskapitalfonds, auf Englisch Venture Capital Fonds genannt, wollten sich in Luxemburg niederlassen, und sie seien bereit phantastische Summen zu investieren. Derzeit diskutiere man darüber, ob sich die Regierung an solchen Fonds beteilige wie beispielsweise am Luxembourg Tech Fund, und wenn ja, an wie vielen und mit welchen Summen. „Ob das ein oder zwei oder drei Fonds sind“, sei im Moment noch nicht klar, so Schneider, auch nicht „ob mit fünf oder mit 50 Millionen Euro“.
Dass der Staat in solche Fonds investiert oder sich direkt an Firmen beteiligt, werde sich als Vorteil erweisen, ist Schneider überzeugt. Er verweist wiederum auf das Beispiel von SES. „Was die schon alles an Dividenden an den Staat gezahlt haben.“ Doch anders als bei den Weltraumbergbauunternehmen war die Technik, mit der SES an den Start ging, bereits erprobt. Ob das Unternehmen Erfolg haben werde oder nicht, stellte sich binnen wenigen Jahren heraus. Bei den neuartigen Bergbauunternehmen kann das niemand sagen, die Technik muss überhaupt erst noch erfunden werden. Wann also ist mit ersten Dividenden zu rechnen? „Das dauert noch lange“, ist sich Schneider bewusst. Dennoch sieht er in seiner Vorgehensweise einen verantwortlichen Umgang mit Steuergeldern. „Geben wir Forschungshilfen, ist das Geld weg. Teilen wir die gleichen Summen auf Beteiligungen und Forschungshilfen aus, ist das Risiko, dass die Unternehmen scheitern das gleiche. Aber irgendwann zahlen sie vielleicht Dividenden.“
Vorstellungen, wo die Weltraumagentur unterkommen soll, hat der Minister aber bereits. Während der Wirtschaftsmission in Dubai Anfang Oktober kündigte Schneider an, sie solle nach der Rückführung nach Luxemburg im Pavillon für die Weltausstellung in Dubai 2020 angesiedelt werden. Der Pavillon solle „im Zentrum“ aufgebaut werden, damit meint er das Gebiet der Hauptstadt. Zwei bis drei Hektar seien notwendig, um alles unterzubringen, was man in dieser Sonderzone unterbringen wolle, dazu gehört eine Struktur, in der die Weltraum-Start-Ups unterkommen sollen.