Deutschland

Von Hybris und Eitelkeiten

d'Lëtzebuerger Land vom 22.01.2021

Friedrich Merz war schon immer ein Mann, der nicht liefern konnte, wenn es darauf ankam. Beim Parteitag der Christlich Demokratischen Union Deutschlands im Dezember 2018 in Hamburg versemmelte er seine Rede und verlor die Wahl gegen Annegret Kramp-Karrenbauer. Und nun am vergangenen Wochenende während der digitalen Wahl eines neuen Parteivorsitzenden versemmelte er seine Rede und verlor gegen Armin Laschet.

Nun mag man einwenden, dass man Wahlen nicht mit einer einzigen vergeigten Rede aus der Hand geben kann, doch bei Merz steht in den entscheidenden Momenten stets seine eigene Überheblichkeit im Wege. Er begeistert nicht für seine Ziele, er doziert seine Erfolge. Friedrich Merz war schon immer ein Mann, der nicht verlieren kann. Kaum musste er sich am vergangenen Samstag geschlagen geben, stellte er Maximalforderungen auf. Der Sieger Armin Laschet habe ihn gefälligst jetzt und gleich zum Bundeswirtschaftsminister zu machen. Wie immer Laschet das auch bewerkstelligen würde. Da war sie wieder. Die Hybris des Friedrich Merz.

Doch dieses Mal hatte er wohl den Bogen überspannt. Selbst seinen Unterstützern in der CDU war dieses „Angebot“ an den neuen Parteivorsitzenden zu viel. In Presseanfragen gaben sie sich kleinlaut, baten um Verständnis und Nachsicht, dass man sich dazu nicht äußern wolle. Seine eingeschworenen Gegner waren gesprächiger, sahen sich naturgemäß bestätigt: Friedrich Merz sei eben doch nur ein egomanischer Ehrgeizling, von früh bis spät nur von Anbetern umgeben und sofort beleidigt, sobald alles nicht genau nach seinem Willen liefe. Und manch ein Parteimitglied der CDU hofft, dass dies nun endgültig der letzte Auftritt des früheren Fraktionsvorsitzenden im Bundestag war. Dass man die Akte Friedrich Merz nun endlich schließen könne.

Stattdessen also Armin Laschet. Der ewige Strahlemann aus Aachen. Oder Düsseldorf. Die Wahl des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen geschah vornehmlich aus zwei Motiven heraus. Die Delegierten haben erstens bei der Abstimmung auf die sichere Bank gesetzt, geleitet von der Frage: Wer gefährdet am wenigsten die derzeitig gute Ausgangslage für die Christdemokrat/innen und damit vielleicht auch die eigene politische Karriere? Merz wäre sicherlich ein streitbarer Parteivorsitzender gewesen, der der Union ein markantes, wenn auch sehr eigenes Profil gegeben hätte. Damit wurde er für viele aber auch unberechenbar und damit riskant.

Zweitens ringt die Partei immer noch mit der eigenen Positionierung und damit auch in einem Richtungskampf. In den beiden Jahren der Kramp-Karrenbauer-Zeit hat sich daran nichts geändert. Sie versuchte, den Streit auszusitzen: „Wir müssen konservativer werden“ versus „Wir bleiben in der Mitte“. Beide Flügel sind, das hat das Ergebnis der Wahl vom vergangenen Samstag gezeigt, gleich stark, wenn auch die „Mitte“ sich erneut knapp durchsetzen konnte. Armin Laschet vordringlichste Aufgabe ist es, in diesem Richtungsstreit für Klarheit zu sorgen. Seiner Vorgängerin ist dies nicht gelungen. Ein Vorteil für Laschet ist jedoch, dass in diesem Jahr fünf Landtags-, eine Abgeordnetenhaus- und schließlich die Bundestagswahl an. Diese können die CDU zur Einheit mahnen, um ihrem eigenen Machtanspruch gerecht zu werden.

Das führt direkt zum eigenen Machtanspruch des Armin Laschet: Kann er Kanzler? Nach seiner Wahl zum Parteivorsitzenden hat Laschet verlauten lassen, dass er erst im Frühjahr eine Antwort auf die Kanzlerfrage präsentieren wird. Das ist taktisch klug, denn gelingt es weder in Mainz noch in Stuttgart das Amt des Ministerpräsidenten zu erobern, würde dies direkt dem Kanzlerkandidaten angehaftet. So laufen sich die Herren warm: Laschet in Düsseldorf und Markus Söder in München. Einzig Jens Spahn hat sich am vergangenen Wochenende selbst aus dem Rennen genommen, als publik wurde, dass er bereits in der Partei seine Chancen zum Kanzlerkandidaten sondieren ließ.

Doch sowohl für Laschet als auch für Söder wird es ein Parforceritt in Zeiten der Pandemie. Beide müssen auf Sichtbarkeit außerhalb ihrer Bundesländer setzen, dürfen Angela Merkel nicht beschneiden, doch darf nicht das Bild entstehen, dass sie ihre Positionen als Ministerpräsidenten missbrauchen, um billigen Wahlkampf zu führen und dabei ihren eigentlichen Job zu vernachlässigen. Und beide haben ihr Manko: Laschet halten gerade einmal 30 Prozent der Deutschen für kanzlertauglich und Söder ist durch seine bisherige „Bayern-zuerst“-Politik Wählerinnen und Wählern in Nord- und Ostdeutschland kaum zu vermitteln.

Überhaupt Ostdeutschland. Hier schlugen sich nach der Wahl Armin Laschets die Vertreter der Landesverbände die Hände über dem Kopf zusammen. Aus Verzweiflung. Denn sie hatten auf Friedrich Merz gesetzt, der mit seiner konservativen Politik ein klares Signal an abtrünnige AfD-Wähler gesetzt hätte. Mit Merz hätten die Rechten ein ernsthaftes Problem gehabt. Laschet hingegen steht für Kontinuität mit der Ära Merkel. Und weil die Bundeskanzlerin bei den AfD-Wählern so verhasst ist, werden die Rechtsextremisten keine Gelegenheit auslassen, auf dieses Kontinuum hinzuweisen. Eine mögliche schwarz-grüne Koalition nach der Bundestagswahl wäre mit Parteichef Merz ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Anders mit Laschet. Er war schon zu Bonner Zeiten Mitglied der schwarz-grünen Pizza-Connection, regelmäßigen Treffen von CDU-Mitgliedern und Grünen in einer Bonner Pizzeria. Er wird nicht müde zu betonen, dass man nun „Ökonomie und Ökologie“ zusammenbringen müsse. Gleichzeitig betont er, wie gut er mit der FDP in Düsseldorf regiert, womit er auch die FDP von Duz-Freund Christian Lindner nicht vergrault.

Menschen in Nordrhein-Westfalen sehen Laschet hingegen als einen Politiker, der von einem Fettnapf zum nächsten taumelt, zu Vetternwirtschaft neigt – wie es jüngst die Covid-Masken-Beschaffung durch seinen Sohn zeigte – und der stets ein wenig unbeholfen wirkt, denn Führungsstärke zeigt.

Martin Theobald
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