Stil

Corona-Humor ist ...

d'Lëtzebuerger Land du 27.03.2020

„Shakespeare wrote King Lear while he was quarantined“ ist ein beliebter Spruch auf Twitter, der den Menschen in Quarantäne Mut zusprechen soll. Wie Shakespeare in Pest-Zeiten zu texten, ist ein hoher Anspruch. Aber es ist eine Tatsache, dass das Virus mit seinen unerfreulichen Nebenwirkungen, dem zwangsweisen Abschied vom gewohnten Leben, doch eine positive Kraft freigesetzt hat: Kreativität.

Selten war die sozialen Meendien so voll witziger, charmanter und, ja, fast liebevoll-neckender Einfälle, um den strapazierten Müttern und Vätern und um ihren Job bangenden Eingeschlossenen ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Ein kostbarer Moment des Innehaltens im Wahnwitz von Homeoffice, Homeschooling und Existenzangst – sofern man sich eine Minute davonstehlen kann.

Wie das geht, zeigt in der Kategorie „Nicht zur Nachahmung empfohlen“ ein Foto einer Mutter am Computer, drei am Boden gefesselte Kinder und die schelmische Überschrift: Homeoffice works! Ein Vater war subtiler und baute sich, auf der Flucht vorm quengelnden Nachwuchs, ein Versteck, das den Profis der Arméi alle Ehre gemacht hätte, so gut fügt es sich in die Umgebung ein.

Aus Luxemburg kommt diese Interpretation des Homeschooling: Ein Foto zeigt den Sohn, den Balkon fegend, mit Zusatztext: „Och mir an eiser Homeschooling Privatschoul Schrobilgen sin houfreg eis Aktivitéiten fächeriwwergreifend unzebidden.“ Der Balkon-Putz verbinde „op eng spieleresch Art a Weis d’Fächer Sport, Pausenhaff, Werte a Gesellschaft mat engem Naturatelier, an dem mir verschidden Spannen an aner Krabbeldeiren an hirem natirlechen Habitat beobachten.“ Homeschooling mit ganzheitlichem Ansatz, Bildungsminister Claude Meisch wäre sicher stolz darauf.

Toll sind die Corona-Memes, die dem zwangsweisen Bruch mit der Routine trotzen: Nein, ihr nehmt mir nicht meine Lieblingsaktivität. Für das tägliche Metro-Gefühl steigen Männer in Berufsmontur mit Headphones und Mp3-Player in die heimische Badewanne, halten sich an der Vorhangstange fest und tun so, als warteten sie mit anderen Pendlern auf die Ankunft ihres Zuges. Andere legen sich in Badehose aufs stillgelegte Skateboard ihrer Tochter und schwimmen kraulend Bahnlängen durchs Wohnzimmer, weil dienstags nun mal Schwimmen auf dem Plan steht. Joggern ist es wohl erlaubt, im Wald um die Ecke eine Tour zu drehen, allein oder mit Abstand. Aber nicht jeder hat einen Wald in der Nähe. Ein Spanier macht vor, wie man auch ohne Hometrainer gegen den Fettansatz anläuft: Schuhe und Strümpfe aus, Speiseöl auf den Kachelboden, etwas Wasser drauf, festhalten und dann langsam einen Fuß vor den anderen setzen. Mit dem glitschigen Öl-Wasser-Gemisch unter den Füßen stellt sich das Laufbahn-Feeling wie von selbst ein.

Andere wollen auf ihr Café-Ritual nicht verzichten, richten das Hemd vorm Spiegel, klemmen sich die Handtasche unter den Arm, um aus der Balkontür zu treten und Sekunden später durchs Küchenfenster zu brüllen: Un cappuccino, per favore! Aus den Südländern kommt überhaupt viel Künstlerisches: Das gemeinschaftliche Singen ganzer Häuserzeilen etwa oder private Konzerte kurzfristig auf den Balkon verlegt. Die deutsche Version fällt spröder aus: Beim ersten Soundcheck ruft der Nachbar erbost: „Ruhe, sonst rufe ich die Polizei.“ Die versucht derweil mit witzigen Lautsprecherdurchsagen, die Laune der eingesperrten Bevölkerung hochzuhalten.

Im Dauereinsatz sind derzeit auch Reporter und Reporterinnen, die von Pressekonferenzen berichten und dabei manch meme-würdigen Moment einfangen: Als der bayrische Ministerpräsident Markus Söder, wegen seines energischen Krisenmanagements zu plötzlichem Ruhm gelangt, im Rahmen der Corona-Maßnahmen für Dienstleistungen wie die Frisöre einen Sicherheitsabstand von anderthalb Metern verordnete, inszenierte eine Amateurfilmerin sogleich den bürokratischen Unsinn: Die Frisörin fragt den anderthalb Meter entfernt sitzenden Kunden, ob ihm das Wasser warm genug sei – und wirft ihm aus der Ferne eine Ladung Wasser übern Kopf. Shampoo schmeißt sie freundlicherweise hinterher.

Keine Frage, solche humorvollen Clips und Gags sind willkommene Abwechslung, um den öden Alltag in der Zwangs-Quarantäne aufzulockern, und sie werden gesammelt und ausgetauscht, wie Panini-Fußball-Sammelbilder. Die Zuhörer- und Zuschauerzahlen von Funk und Fernsehen schießen in die Höhe wie lange nicht mehr, plötzlich sind sogar die Öffentlich-Rechtlichen cool: In einem TikTok-Video tanzt eine Britin am improvisierten Turntables Set in der Küche aus Shampoo, Creme, Haar- und Desinfektionsspray zur Nachrichtenmusik der BBC wie eine Profi-DJane. Das Spray dient als Nebelmaschine mit Spezialeffekt. Corona, Du kannst uns mal!

Ines Kurschat
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