Narcos: Mexico läuft seit Februar auf Netflix. Sie ist als Ableger des Originals von 2015 zu sehen, die das Drogenimperium von Pablo Escobars-Medellin-Kartell thematisiert. Die erste Staffel der Serie erzählte noch vom Aufstieg des Drogenbarons Felix Gallardo (Diego Luna) Anfang der 1980-er-Jahren. In Staffel 2 nun ist Felix Gallardo ein angesehener Mann, er hat seine Macht und sein Geschäft gefestigt, doch die amerikanische Drogenfahndung DEA, allen voran Walt Breslin (Scoot McNairy), ist ihm auf der Spur und auch innerhalb der eigenen Reihen will man ihm den Platz an der Spitze streitig machen.
Der besondere Reiz dieser Serie liegt in erster Linie in ihrer hauptsächlich anti-amerikanischen Machart und deshalb ist sie viel weniger an die Hollywood-Produktionen angelehnt, die das Thema der Drogenkriminalität weitestgehend abdecken. Um dieses kontroverse Thema näher zu bedenken, soll eine Szene aus Denis Villeneuves viel gelobtem Sicario als Beispiel dienen: Da soll ein Informant exfiltriert werden und ein schwer bewaffneter US-Convoy soll ihn über die Grenze bringen. Diese Szene ist bezeichnend dafür, wie einseitig dieses von Taylor Sheridan verfasste Drehbuch das Problem beleuchtet: Da wird eindrücklich der Grenzzaun zur mexikanischen Stadt Suarez gezeigt und diese wird dann explizit als „das Biest“ bezeichnet. Der Stadt haftet eine grundlegende Anonymität an und wird nahezu direkt mit dem Drogenproblem der USA gleichgesetzt. So verortet Sicario den Konflikt äußerst plakativ auf die mexikanische Seite der Grenze. Die unglaublich aggressive, dumpf-dröhnende Musik des isländischen Komponisten Jóhann Johannssón verstärkt diese Lenkung des Publikums umso mehr. Zu keinem Moment wird auch nur ansatzweise beleuchtet, dass das Drogenproblem ebenso ein zutiefst amerikanisches ist, da die USA den größten Markt dafür stellen. Der zweite Teil Sicario: Days of the Soldado ist in diesem Sinne nur mehr ein in der Logik der Fortsetzung gesteigertes Gewalt-Spektakel, in dem, wie im Vorgänger, eine starke Akzentsetzung auf die brutalen Foltermethoden der US-amerikanischen Geheimdienste gesetzt wird, die aber durch die „Bedrohung Mexiko“ in einer Post-9/11-Logik legitimiert sind.
Blickt man nun eingedenk dessen auf die hauptsächlich kolumbiansch-mexikanische Handschrift von Narcos, so fällt auf, dass die Serie viel stärker Momente der Ambivalenz, der Introspektion setzt und dabei Raum für Zwischentöne lässt. In einer Folge der Originalausgabe verliert der Ermittler Steve Murphy (Boyd Holbrook) nach vielen Rückschlägen in der Ermittlungsarbeit gegen Pablo Escobar (Wagner Moura) die Fassung und greift einen Wall-Street-Börsenhai an, der sich am Flughafen eine Dosis Kokain verabreichen will. Dieser Ermittler ist desillusioniert und verzweifelt, weil er erkannt hat, auf welcher Seite der Grenze das Problem tatsächlich liegt.
Der Ableger mit dem Handlungsort Mexiko erreicht zwar nicht mehr die Qualität des Originals und verpflichtet sich doch den bewährten Genre-Mustern auf traditionelle Weise. Er vermischt ferner dokumentarisches Archivmaterial mit fiktionalen Bildern, die zu so etwas wie einer historischen Rückschau beitragen. Wenn uns der Drogenbaron an seinem Geburtstag präsentiert wird, gelingt der Rückgriff auf äußerst stilisierte Bilder, die den ganzen Prunk dieser Gangster-Welt in all seinem Glanz in Szene setzt und Vorbilder wie Brian De Palmas Scarface sehr direkt ins Bewusstsein ruft. Das schafft freilich genretypische Unterhaltung, die hochspannende Momente zu generieren weiß und doch lässt Narcos: Mexico viele dieser Zwischentöne wieder vermissen, die das Original so anziehend machte. Die Fortsetzung fokussiert, anstatt das Problem grundlegender aufzuarbeiten, erneut die Grausamkeit der Gewalt im Drogenmilieu, eine wahrlich kritische Distanz dazu bleibt indes aus. Die unmenschlichen Foltermethoden werden dabei noch aus dem Off kommentiert, sie sind nicht mehr nur legitimiert, sondern auch aus einem persönlichen Rachebedürfnis heraus motiviert. Die Serie nimmt sich Zeit, die verschlungenen Verstrickungen von Drogennetzwerken und Politik zu beleuchten, und man kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass das ganze System, ja, das Land, längst am Ende ist. Und bei aller Fatalität schafft Narcos: Mexico es gleichwohl nicht die Komplexität des Themas wirklich zu durchdringen.