Lydie Polfer macht bei Presseterminen manchmal unerwartete Äußerungen. Wie vor zwei Wochen am Rande der Tram-Pressekonferenz mit Mobilitätsministerin Yuriko Backes. Dort streute die DP-Hauptstadtbürgermeisterin, für die Straßenbahnlinie zwischen der Stäreplaz und dem CHL gebe es „och Pläng, wou op verschiddene Plazen e Souterrain ugeduecht ass“.
Das war neu. In aller Öffentlichkeit war noch nicht die Rede davon, dass die Tram in einem Tunnel unterhalb der Arloner Straße fahren könnte. Helge Dorstewitz, Chef des Bereichs neue Linien bei Luxtram und ab 1. Juli Generaldirektor, reagierte am Dienstag vergangener Woche im 100,7 leicht unwirsch auf die Frage nach einer „unterirdischen Lösung“. Es sei „zu früh, jetzt schon über Alternativmöglichkeiten nachzudenken“. Lydie Polfer aber tut das offenbar. Und als erfahrene Politikerin sagt sie nichts ohne Grund.
Es sei ihr nicht darum gegangen, „eine neue Variante ins Spiel zu bringen“, erklärt sie dem Land. Sondern darum, Grundstücksbesitzern an der Arloner Straße zu verstehen zu geben, dass die Tunnel-Option existiert und in Erwägung gezogen werden könnte. Luxtram habe an ihr genauso sorgfältig gearbeitet wie an der oberirdischen Variante. „Das wurde alles geprüft und durchgerechnet. Das liegt alles vor“, betont Lydie Polfer. Es „geheim zu halten“, sei nicht angebracht. Selbstverständlich sei der oberirdische Streckenverlauf besser: viel weniger aufwändig, wesentlich preiswerter und für die Passagiere bequemer. Doch allein „im Straßenraum“, wie der Planer-Jargon das nennt, also auf der bestehenden Route d’Arlon und den beiden Bürgersteigen links und rechts, lasse die Tramlinie sich nicht realisieren. Vor allem im oberen Bereich, auf Höhe des CHL etwa, müssten Besitzer oder Besitzergemeinschaften von Büro- oder Apartmentgebäuden einverstanden sein, Parkplätze vor ihren Gebäuden oder Einfahrten in Tiefgaragen verkleinern zu lassen. Weigert sich jemand, könnte ein Stück Tunnel der Ausweg sein.
Als gute Liberale weiß Lydie Polfer: Im Rechtsstaat kann ein Besitzer sich durch die Instanzen klagen, wenn er sein Terrain nicht hergeben will und der Staat zur Enteignung im Allgemeininteresse greifen könnte. Diesen Begriff mag sie nicht gern in den Mund nehmen. Lieber spricht sie von „einer neuen Schwierigkeit“, die sich ergäbe, falls jemand an der Arloner Straße nicht will. Weil dort rund 30 Besitzer/innen Flächen verkaufen müssten, damit die Tram oberirdisch fahren kann, könnten es bis zu 30 neue Schwierigkeiten sein.
Neue Schwierigkeiten und Kontroversen aber mag Lydie Polfer nicht. Es sei denn, es handelt sich um Kontroversen, die sie selber ins Leben gerufen hat und kontrollieren kann. 30 potenzielle Schwierigkeiten, die sich schwer kontrollieren lassen, sind genug, dass die Bürgermeisterin den Besitzer/innen nicht nur durch die Blume mitteilt, dass alles getan werde, um Enteignungsprozeduren zu vermeiden. Auch wenn das mehr Geld kosten würde; wie viel mehr, möchte sie lieber nicht mitteilen. Wie sie die Sache sieht, soll auch das weitere Vorgehen dazu dienen, auszuloten, was die 30 Besitzer/innen möchten: Noch vor den Sommerferien soll die öffentliche Konsultation zur Umweltverträglichkeit der CHL-Linie stattfinden. Dazu würden die Pläne in der Stater Märei ausgehängt. Vielleicht macht sich dann schon jemand gegen die oberirdische Streckenführung bemerkbar.
„Der Moment der Wahrheit“, wie Polfer das nennt, käme mit dem Depot des Gesetzentwurfs zur Finanzierung der Linie. Spätestens Anfang 2025 will die Mobilitätsministerin ihn im Parlament einreichen. Mit der oberirdischen Linienführung im Motivenbericht wäre er ein Wink mit dem Zaunpfahl. Anschließend könne man „alles kucken“, sagt die Bürgermeisterin. Die damit weniger auf der Seite des Staates zu stehen scheint, der etwas will, als auf der Seite der Besitzer, von denen bisher noch keiner „hundertprozentig Nein gesagt hat“, wie Helge Dorstewitz von Luxtram im 100,7 erklärte. Doch weil Lydie Polfer als gute Liberale in ihrer Gemeinde keinen Streit mit Besitzern will, geht sie auf Nummer sicher.