Der Freitag vergangener Woche war politisch ein guter Tag für die DP. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz über den Ausbau der Stater Tram beseitigten Mobilitätsministerin Yuriko Backes und Bürgermeisterin Lydie Polfer den Verdacht, über den kurzen Schienenstrang entlang der Avenue de la Porte-Neuve (Neipuertsgaass) und dem Boulevard Royal in einen ähnlichen Konflikt geraten zu können wie Polfer mit Backes’ Vorgänger François Bausch (Grüne): Vor 2035 werde dieser zweite Tram-Zugang zur Innenstadt, neben dem aktuellen über die Stäreplaz, sowieso nicht gebraucht, erklärten sie. Der Generaldirektor von Luxtram und sein designierter Nachfolger stützten die Aussagen der beiden Vertreterinnen der Luxtram-Aktionäre Staat und Stadt fachlich.
Vorläufig haben Ministerin und Bürgermeisterin nun Ruhe. Lydie Polfer kann die Neipuertsgaass weiter für den Autoverkehr offenhalten. Yuriko Backes kann die künftige Tram-Linie entlang der Arloner Straße zum CHL vorantreiben. Spätestens Anfang 2025 will sie dafür den Entwurf zum Finanzierungsgesetz im Parlament einreichen. Ein wenig widersprüchlich klingt das zwar: Im nationalen Mobilitätsplan PNM 2035, den Bausch ausarbeiten ließ, steht auf Seite 54, dass die CHL-Linie vom Kirchberg über die Neipuertsgaass in die Innenstadt führe, von dort weiter zur Arloner Straße. Die CSV-DP-Regierung hat sich im Koalitionsvertrag zu Bauschs Mobilitätsplan bekannt. Daher kam das Konfliktpotenzial zwischen DP-Ministerin und DP-Bürgermeisterin. Doch ein Finanzierungsgesetz verpflichtet nicht auf eine Linienführung, sondern legt das Maximum für eine enveloppe fest. Und wie Luxtram die Sache sieht, könnte vielleicht erst 2033 mit dem Bau begonnen werden. Lydie Polfer betonte vor einer Woche, dass die Grundstücke entlang der Arloner Straße noch erworben werden müssen. So ergab sich die Erzählung, dass alles noch Zeit habe.
Ob der Spielraum tatsächlich bis ins nächste Jahrzehnt reicht, muss sich zeigen, wenn, wie geplant, Anfang 2028 der erste Teil der Tram-Linie Kirchberg-Hollerich in Betrieb geht. Für ihn soll nächstes Jahr der Bau beginnen. Der PNM 2035 empfiehlt, auch diese Linie über die Neipuertsgaass zu führen, damit das Netz weniger anfällig für Störungen wird. Dieses Risiko hält Luxtram nun offenbar auch ohne Neipuertsgaass für beherrschbar. Was solange stimmt, wie es sich in der Praxis bestätigt. Am Ende ist alles politisch: Als Lydie Polfer vor 25 Jahren alle möglichen Argumente gegen das BTB-Projekt vorbrachte, lautete eines, dass „Störfälle auf der einzigen Rückgratlinie schwerwiegende Auswirkungen“ haben könnten (d’Land, 25.9.1998). Teil der Rückgratlinie sollte damals ein einziger Zugang vom Kirchberg in die Oberstadt über die Neipuertsgaass und den Boulevard Royal sein.
Politisch clever, wie sie ist, vermeidet die Bürgermeisterin es, ihr Nein zur Tram in der Neipuertsgaass heute mit einem Ja zum Auto zu verbinden. Stattdessen führte sie am Freitag den Stadtpark an, der angeschnitten und um mehrere große Bäume dezimiert werden müsste, wollte man in der Nei-
puertsgaass Tram, Autos und Busse nebeneinander verkehren lassen und die Bürgersteige nicht schmaler machen. Weil gegen die Wegnahme der Bäume vor zwei Jahren Naturschützer protestiert hatten, bietet das Bekenntnis zum Park Lydie Polfer die Möglichkeit, grüne Kreise gegen die grüne Partei und François Bausch aufbringen zu können, sollte dieser weiter Stimmung für die Tram in der Neipuertsgaass machen. Für den Fall, dass in den nächsten Jahren der Autoverkehr derart zunimmt, wie der Stater Mobilitätsplan das vorhersagt, könnte die Bürgermeisterin sich das mit der Neipuertsgaass noch einmal überlegen. Luxtram hat versprochen, die Pläne zu den Gleisen dort neu aufzustellen und nach einer „besseren Lösung“ zu suchen.
In der Zwischenzeit verlagert die politische Diskussion zur Tram sich in den Süden: Die Express-Tram nach Esch inspiriert die Anrainergemeinden. Das Wort vom gestrigen Donnerstag zitierte den Leudelinger Bürgermeister Lou Linster mit der überraschenden Aussage, hundert Stundenkilometer Reisegeschwindigkeit für de séieren Tram seien „vom Tisch“. Die Express-Tram werde nicht schneller fahren als die in der Hauptstadt. Weil Linster in derselben Partei ist wie die Mobilitätsministerin, weiß er wohl, was er da sagt.