Eine Milchkuh säuft an heißen Tagen bis zu 150 Liter Wasser. Hinzu kommen ein paar Liter zur Säuberung der Melkanlagen, die 20 bis 30 Liter Milch pro Kuh täglich abmelken. In Luxemburg leben insgesamt knapp 200 000 Rinder; davon sind etwa 55 000 Milchkühe. Mehr sollen es laut Landwirtschaftsminister Claude Haagen (LSAP) künftig nicht werden. Der neue Agrargesetz-Entwurf sieht vor, den Viehbestand auf diesem Niveau zu stabilisieren, möglicherweise sogar zu reduzieren. Denn das vorliegende Gesetzesprojekt will die Erhöhung des Viehbestands bremsen, falls hierfür den Einsatz von mehr als zwei Vollzeitbeschäftigten erfordert wird.
In einer parlamentarischen Anfrage wollte die CSV-Abegordnete Martine Hansen von dem Landwirtschaftsminister mehr über seine Bewegründe erfahren. Der LSAP-Politiker antwortet, er wolle so kleineren und mittleren Familienbetrieben „eng Zukunft garantéieren“ und vor allem den Ammoniak-Ausstoß eindämmen, der in der Landwirtschaft in den vergangenen Jahren weiter angestiegen sei. Damit begräbt das Landwirtschaftsministerium das Credo, das in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorherrschte. 1962 trat auf europäischer Ebene die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in Kraft, die eine Industrialisierung des Agrarsektors vorsah, und vor allem Betriebe subventionierte, die auf Wachstum setzten. Im Artikel 39 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft heißt es: „die Produktivität der Landwirtschaft“ solle durch die Förderung des „technischen Fortschritts, Rationalisierung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte“ gesteigert werden. Implizit rief die Vorgabe zum Betriebssterben auf, – eine Stoßrichtung, die Mitte des letzten Jahrhunderts zwecks Tertiärisierung und Vervielfältigung des Erwerbssektors Sinn ergab, die jedoch an Umweltbelange gekoppelt und aufgrund eines aufkommenden maßlosen Produktivitätsdruck längst neujustiert hätte werden müssen.
Angesichts der geringen Futtererträge nach diesem Dürresommer stellt sich ohnehin die Frage, mit welcher Silage noch mehr Rinder durch den Winter gebracht werden – es sei denn, man will den Amazonas für Soja roden. Bereits im Juni erwähnte der Präsident der Bauernzentrale, Christian Wester, gegenüber dem Land, die Heuernte falle ambivalent aus: Zwar seien keine Einbußen bei der Qualität zu verbuchen, allerdings bei der Quantität. Während Luxemburg erneut einen Dürre-Sommer erlebte, sind derweil bei den Monsun-Überschwemmungen in Pakistan mehr als 1 000 Menschen gestorben. Für die Landwirtschaft und die Wasservorräte spielt der Monsunregen eigentlich eine zentrale Rolle, aber die Überschwemmungen spülten dieses Jahr ganze Ackerfelder weg. Gegenüber der AFP erwähnte ein Lebensmittelhändler aus Islamabad, aktuell seien Tomaten, Erbsen, Zwiebeln und anderes Gemüse wegen der Umweltkatastophe nicht erhältlich.
Weil auch Luxemburg mit Ungewissheiten auf dem Agrarmarkt konfrontiert ist, ruft die Baueren-Allianz unter Präsident Camille Schroeder zu einem Agrarsommet auf. Ein Aufruf, dem das Landwirtschaftsministerium im Herbst nachkommen will. Was genau die Baueren-Allianz fordert, wurde bisher noch nicht deutlich, in einem Interview mit RTL behauptet Schroeder diffus, es gebe intern viele Diskussionen über das neue Agrargesetz. Beim Lëtzebuerger Bauer hingegen wird es diesen Herbst glamourös: Für das 75-jährige Bestehen der Wochenzeitung lädt das Verlagshaus Agro-Media zu einem Galaabend mit 3-Gänge-Menü ein. Wer Dörfer kennt, in denen mehr Kühe als Steuerzahler/innen leben, der fragt sich, an wen die Veranstaltung gerichtet ist: an den Vorstand der Molkereien oder an die Milchbauern und Bäuerinnen?