Leitartikel

Territorialreform

d'Lëtzebuerger Land vom 31.08.2018

Er führe „hier keine Wahlkampfdiskussion mit der CSV“, sagte LSAP-Innenminister Dan Kersch am Montag. Da berichtete er von den Gesprächen, die er mit den Schöffenräten jener 51 Gemeinden geführt hatte, die weniger als 3 000 Einwohner zählen, um zu sondieren, wie sie zu Fusionen stehen – ganz ohne Zwang, bei technischer Unterstützung durch das Ministerium und wenn nach der Fusion eine staatliche Finanzhilfe winkt. Und natürlich nur, wenn die Bürger der beteiligten Gemeinden der Fusion zuvor per Referendum zugestimmt hätten. Weil Emile Eicher, Präsident des Gemeindeverbands Syvicol, bei den meisten Gesprächen dabei war, saß er neben Dan Kersch am Tisch. Weil Eicher auch CSV-député-maire von Clerf ist, musste er sich fragen lassen, ob der zwanglose Ansatz des Innenministers von der LSAP womöglich besser sei als das Vorhaben seiner Partei, eine Landkarte aus 60 Gemeinden vorzugeben und durch ein großes Referendum absegnen zu lassen.

Eicher wich der Frage gekonnt aus: Die CSV habe eine „Territorialreform“ im Sinn, was „mehr“ sei als Fusionen. Das stimmt, denn die 60 Gemeinden würden, so die Idee, Vollzeit-Bürgermeister erhalten, députés-maires würden Geschichte und stattdessen eine „Chambre des élus locaux“ als neue Institution zu allen die Gemeinden betreffenden Politiken gebildet. Berechtigt ist die Frage aber: Weil Wahlkampf ist und Kersch zufrieden erzählte, nur zwölf der 51 Schöffenräte schlössen Fusionen aus, und betonte, für ihn komme nur in Frage, Fusionspläne von unten her reifen zu lassen.

Berechtigt ist die Frage aber auch, weil man der Meinung sein kann, der Ansatz der CSV greife zu kurz. Wieso 60 Gemeinden bilden und nicht 20 oder zehn? Will man Landesplanung ernsthaft betreiben, geht das besser mit größeren Einheiten. Und warum sollten nur kleine Dörfer fusionieren, nicht aber Städte? Wieso nicht beispielsweise Esch/Alzette, Schifflingen und Sanem zu einer 70 000-Einwohnerstadt mit Belval und der Cité des sciences als Herz; einer Stadt, die durch Bebauung der Industriebrachen in Esch und Schifflingen noch erheblich an Einwohnern zulegen und zu einem echten „Pol“ gegenüber der Hauptstadt entwickelt werden könnte? Wie wäre es mit einer großen Korntal-Gemeinde, einem Zusammenschluss von Düdelingen und Bettemburg oder der Eingemeindung des Speckgürtels der Hauptstadt in diese?

Mit seinen Ambitionen, als Technologie-Standort reüssieren zu wollen, wird Luxemburg sich bei der Konkurrenz um qualifizierte Arbeitskräfte mehr und mehr mit Metropolen in den Nachbarländern messen müssen. Nicht nur mit vergleichsweise kleinen Städten wie Liège, sondern großen wie Köln oder Frankfurt. Es gibt Studien, die davon ausgehen, dass Luxemburg dabei nicht die besten Karten hätte – zumal die Konkurrenz verstärkt wird durch die in den nächsten Jahren zu erwartende Pensionierung der Babyboomer-Generation, für deren Ersatz oft der Nachwuchs fehlt.

Alternativ zu großen urbanen Gemeinden könnte die interkommunale Zusammenarbeit durch Gründung von Gemeindeverbünden verbindlicher gemacht werden. Vor zwölf Jahren lag die Idee schon auf dem Tisch, in einem anderen Territorialreform-Konzept der CSV sowohl für den ländlichen als auch für den städtischen Raum. Auch dieses schien damals zu radikal, vor allem LSAP und DP verdächtigten die CSV, sie kommunalpolitisch schwächen zu wollen, ähnlich wie Dan Kersch sagt, die DP-LSAP-Grüne-Regierung habe in ihrem Koalitionsvertrag Verbünde ausgeschlossen. Doch auch für Verbünde könnten Mandatsträger gewählt werden, in den Mitgliedsgemeinden natürlich weiterhin. Die kommunale Demokratie würde damit anders, muss aber nicht Schaden nehmen. Man müsste sich nur klar darüber werden, was man will. Und Fantasie entwickeln und sie mit den Bürgern teilen.

Peter Feist
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