Es sind viele Fragen zum Tod des ertrunkenen Rappers Puto G., die sich nach den ausführlichen Recherchen der portugiesischsprachigen Zeitung Contacto aufdrängen. Die wichtigste: Warum haben die Verantwortlichen der Badeaufsicht am Remerscher See erst eine knappe Stunde nach Meldung des Unfalls den Notruf getätigt? Warum haben sie zunächst von einem verschwundenen Jugendlichen gesprochen, obwohl dessen Freundin, die den Unfall beobachtet hatte und um Hilfe suchte, klar ausgesagt hatte, er sei vor ihren Augen im Wasser versunken? Und warum ist an einem See, der von der Gemeinde Schengen im Internet als Badeattraktion beworben wird, der Eintritt kostet und der jährlich Tausende Besucher lockt, kein Rettungsschwimmer vor Ort?
Die Kommune und die Badeaufsicht verweisen auf ein Polizei-Reglement, wonach Besucher auf eigenes Risiko im Wasser baden. Aber reicht das wirklich aus, wenn auf dem umliegenden Gelände bis vor einigen Wochen nur wenige Hinweise zur besagten Eigenverantwortung hingen? Das französischsprachige Reglement am Eingang ist nicht für alle lesbar. Der See ist auch bei Touristen beliebt. Nach dem tödlichen Unfall wurden zusätzliche Warnschilder aufgestellt und ein Defibrillator aufgehängt; eine Telefonnummer mit dem Rettungsdienst nahe am Ufer sucht man vergebens. Auch Informationen zur Wasserpest, vor der Experten warnen, weil ihr netzartige Ausbreitung für ungeübte Schwimmer zur tödlichen Falle werden kann, und für Puto G. vielleicht auch geworden ist, gibt es vor Ort keine. Derweil laufen Angestellte in signalroten T-Shirts umher, die offenbar keine anerkannte Qualifikation im Rettungsschwimmen haben. Alles das suggeriert falsche Sicherheit.
Aber nicht nur die Sicherheitsfrage stellt sich dringend. Der Umgang der Badeaufsicht und auch der Polizei ist, sollten die Schilderungen der Zeugen denn zutreffen, gelinde gesagt, alles andere als professionell: Statt die Aussagen der verzweifelten Jugendlichen ernstzunehmen, wird abgewunken, sie werden beschwichtigt, jemand hält ihnen gar vor, sie hätten getrunken oder Cannabis geraucht, obwohl bisher kein einziger Beweis für diese Beschuldigung existiert. Ein Jugendlicher, der den Ertrunkenen im Wasser sucht, wird festgenommen. Derweil vergehen wertvolle, vielleicht lebensrettende Minuten. Die Voreingenommenheit der Instanzen ist erschreckend: Mehr als sieben Wochen später gibt es noch keine Erkenntnisse zur genauen Todesursache, aber der Schengener Bürgermeister teilte dem Contacto mit, er glaube an eine „Krise“. Selbst der Gerichtssprecher stimmt ein in den Chor der Spekulierenden und denkt gegenüber dem Land laut darüber nach, warum die Jugendlichen nicht selbst den Notruf gewählt haben und ob das nicht den Tatbestand der unterlassenen Hilfeleistung erfüllen könnte. Kein Gedanke daran, dass die Jugendlichen unter Schock standen und erwartet haben, dass die Aufseher eben diesen Anruf tätigen. Solche Äußerungen sind jedenfalls mitnichten dazu geeignet, das Bild einer Justiz zu zeichnen, die unparteiisch in alle Richtungen ermittelt.
Und dann verschwindet am Fundort des Verunglückten auch noch das Armband, das beweist, dass Puto G. Eintritt bezahlt und sich ganz legal am See aufgehalten hat. All das wirkt, als wollten Personen Spuren und Verantwortlichkeiten verwischen, mit der Konsequenz, bereits verstörte Jugendliche und Eltern weiter zu verstören und zu stigmatisieren. Denn es ist völlig egal, ob die Jugendlichen betrunken waren oder nicht; die Pflicht, erste Hilfe zu leisten, besteht immer, wenn sie gerufen und gebraucht wird – und sie kann nicht nach Gusto dem einen erteilt werden und der anderen nicht. Alles andere wäre Diskriminierung. Oder, in diesem Fall, womöglich sogar Ausdruck von Rassismus. Denn Puto G. war schwarz.