Die „Marvelization“ des Kinos scheint unaufhaltsam: Godzilla x Kong: The New Empire genießt einen großen Siegeszug an den Kinokassen. Mit einem Budget von rund 150 Millionen Dollar und einem Einspielergebnis von 380 Millionen Dollar weltweit, zählt der Film bereits jetzt zu dem erfolgreichsten Blockbuster des Jahres. Der Film ist der fünfte Eintrag in einer neu aufgelegten Monsterfilm-Reihe, die ein klares Schema zur Grundlage hat: Wer mit den Filmen aus der Marvel-Reihe vertraut ist, weiß längst, dass das Interesse nicht mehr auf der Produktion eines einzelnen, für sich alleinstehenden Films liegt, sondern auf dem Franchise, das er nach sich ziehen kann. Es geht um die Verästelungen, das Mäandernde, den Expansionsgedanken, der endlos viele Kombinationen erlauben soll – nicht als künstlerisches Prinzip sondern als dezidiert kommerzielles Unterfangen. Das Serielle hält in neuer Form Einzug im Kino. Die Radikalität eines geschlossenen Werkes sucht man vergebens. Die Überbetonung alles Spektakulären und der sinnlichen Reizüberflutung unterdrückt alle kreativen Ansprüche: Keine Subversion, keine Allegorie, überhaupt keine zweite Ebene. Der tote Punkt des Blockbusters als Filmkunstwerk ist erreicht. Godzilla x Kong: The New Empire legt eindrücklich davon Zeugnis ab.
Das war nicht immer so. Die Monsterfilme der klassischen Studioära Hollywoods waren nicht unter diesem Zeichen der Anspruchslosigkeit konzipiert, wohl aber ließen sie Nachfolgefilme mit sich ziehen, die indes in sich abgeschlossene Erzählungen ausbildeten. Der Originalfilm King Kong von Universal (1931) war neben seinen tricktechnischen Errungenschaften ein Sinnbild für den Kolonialismus. Der japanische Monsterfilm Godzilla der japanischen Tōhō Studios (1954) war eine sehr unmittelbare populäre allegorische Aufarbeitung der Traumata der Atombombenabwürfe. Das gleichnishafte Potenzial dieser Monstergeschichten verband so über die Jahrzehnte hinweg das Spektakuläre der tricktechnischen Schauwerte mit der Brisanz der ethischen und politischen Aussage. Diese Engführung in Form und Inhalt – die Kombination von actiongeladener Erzählweise mit der parabelhaften Kraft der Aussage bildete immer schon den Reiz des Monsterfilms aus. All dies machte eine phänomenale filmkulturelle Entwicklung der vergangenen Dekade radikal zunichte: Das Aufkommen des Marvel Cinematic Universe. Mit The Mummy (2018) versuchte das Filmstudio Universal seine klassischen Horrorfilme der Dreißigerjahre im sogenannten „Darkverse“ neu auszurichten und ganz in der Logik des Marvel Cinematic-Universe zu produzieren, demnach weitere Filme mit bekannten Monstergestalten wie Frankensteins Monster, Dracula, Dr. Jekyll und Mr. Hyde folgen würden. Der kommerzielle Misserfolg dieses ersten Neuansatzes beendete das Vorhaben jäh.
Anders verhielt es sich bei der Neuinterpretation der beiden urzeitlichen Tiere durch die Filmproduktionsfirma Legendary: Mit Godzilla (2014), Godzilla II: King of the Monsters (2019) und Godzilla vs. Kong (2021) war eine Filmreihe gestartet, die die japanische Kreatur in ebenjenen Filmzyklus der „erweiterten Universen“ stellte, wo Inhaltslosigkeit und Stumpfsinn sich im Sinne der Marvelstudios die Hand geben. Ebenso wurde der Riesenaffe mit Kong: Skull Island (2017) neu interpretiert – beide Reihen waren darauf ausgelegt, die zwei Monster in einem Kampf der Titanen aufeinandertreffen zu lassen. Dabei geht es um eine Steigerung der spektakulären Schauwerte, nicht so sehr um die Vermittlung einer Allegorie. Jede dieser Neuinterpretationen ist letztlich ein Nagel im Sarg des Blockbusterkonzepts als narrativer Film mit doppelter Identität, der die Aussage und den Schauwert in sich vereinte Freilich: Unter dem Zeichen des unterhaltsamen Genrekinos wurde der Monsterfilm immer schon konzipiert. In Godzilla x Kong: The New Empire indes sind es nicht allein die Regeln des Genres, die nicht mehr richtig greifen wollen, es gibt überhaupt gar keine Regeln mehr: weder kausale, logische, noch physikalische – alles ist möglich in dem großen, allumfassenden Reich der Sinnlosigkeit. Allein die Handlung dieser – aus Ermangelung eines besser verständlichen Begriffs – „Geschichte“ ist nicht einmal sinnvoll in Worte zurückzuführen. Drei Jahre nach dem Sieg über Godzilla (davon „erzählte“ Godzilla vs. Kong) hat sich Kong in sein neues Territorium im Innern der Erde zurückgezogen, derweil sorgt Godzilla auf der Erdoberfläche für Ordnung. Dann hat Kong Zahnschmerzen. Auch ein Riesenaffe muss den Zahnarztbesuch wahrnehmen. Diese Angleichung des Übernatürlichen an das Menschliche soll den Identifikationswert ausmachen. Kongs Suche nach Artgenossen und die empfundene Einsamkeit sind Prozesse der Einbettung des übernatürlichen Riesenmonsters in sehr menschliche Gefühlslagen, nur um daraus doch wieder komödiantisches Potenzial zu gewinnen. Die Marvel-Reihe um den Donnergott Thor, den Superhelden mit sehr allgegenwärtigen menschlichen Alltagsproblemen, scheint da eine wichtige Bezugsquelle zu sein. Dem Film fehlt es mithin an gradliniger, determinierter Position: Die persiflierende Ironie hält sich mit dem drückenden Ernst des Schicksalhaften beständig die Waage. Sie belächeln das Übernatürliche, ohne es der Lächerlichkeit preisgeben zu wollen, für jede halblustige Pointe hält der Film wiederum bedeutungsschwangere Phrasen über das Schicksal der Menschheit auf Erden bereit. Nach seinem Zahnarztbesuch auf der Erdoberfläche, genauer auf den Bahamas, kehrt Kong in das unterirdische Reich zurück, das sich die Hohlerde nennt. Die Erde in The New Empire ist zwar rund, aber hohl. Diese Hohlerde hält das unerforschte, neue Imperium bereit, das der Titel verspricht: Über weite Strecken spielt der Film in diesem Neuland, im Einheitslook aus dem Computer mit langweilig schönne CGI-Landschaftsbilder. Dann sieht man leuchtend-grelle Unterweltzivilisationen, den kunterbunten Paralleluniversen des MCU entsprechend. Alles kulminiert in dem entscheidenden Kampf zwischen dem Skar-King, einem böswilligen Riesenaffen, der die Weltherrschaft anstrebt und seinem Hausmonster Shimo auf der einen Seite und Kong und Godzilla auf der anderen.
Es ist der altbekannte Trick, der darin besteht einen Tiefsinn mittels hochgradiger Komplexität aus Paralleluniversen oder noch der Aufhebung physikalischer Ordnung zu simulieren, ohne wirklichen Inhalt zu besitzen – seinem Publikum oberflächlich die große Klugheit zuzusprechen, um es hintenrum für dumm zu verkaufen. Aber davon soll man sich nicht täuschen lassen: Riesenaffe schlägt Eidechse, Riesenmotte versöhnt, Riesenaffe und Rieseneidechse schlagen dann zusammen auf andere böse Rieseneidechsen und Riesenaffen ein. Damit ist der geistige Horizont von Adam Wingards Film abgesteckt. Der Regisseur dieses Films beweist mithin so viel Stilwillen und individuelle Handschrift wie der Film Mut zum gehaltvollen, geistreichen Erzählen aufweist, nämlich gar keinen. Das ist das erklärte Ziel dieser auf Anonymität und Uniformität abzielenden Reihe. Alles soll in den gesicherten und erwartbaren Bahnen des ästhetischen Einheitsbreis aufgehen. Keine Störfaktoren, kein formalsprachliches Experimentieren, überhaupt gar keine auffallende Formbetonung. Es folgen jede Menge durchtelefonierter „Wendungen“, die immer mehr actiongeladene Schauwerte akkumulieren sollen. Der Gestus der Aktion ist nicht konstruktiv, sondern ausschließlich destruktiv. Nichts wird geschaffen in diesem Film – außer Stumpfsinn und Langeweile – filmimmanent und bildinhaltlich betrachtet geht es um die reine Verwüstung, es ist eine einzige Zerstörungsgeste, die uns da gezeigt wird. Die Pyramiden von Gizeh, die bekanntesten und ältesten bestehenden Bauwerke der Menschheit, das einzig erhaltene der sieben Weltwunder der Antike, UNESCO-Weltkulturerbe, die große Errungenschaft frühzeitlicher Zivilisation – sie dürfen unter großem Getöse der Monstren dem Erdboden gleichgemacht werden. Was bedeutet der Mensch in alledem überhaupt noch? Nichts. Es gibt nichts Menschliches mehr, nirgends. Da gibt es zwar ein Schauspielensemble, dessen einzige Aufgabe nur darin besteht, dem Publikum die Handlung zu erklären. Sie müssen über die Dialoge nochmals affirmieren, was im Bild ohnehin zu sehen ist. Es werden mithin Einzeiler der dümmlichsten Art vorgetragen. Der Trailer hat die „Aussage“ dieses zweistündigen Films bereits vermittelt: fight together or face extinction. Nichts Erbauendes, noch nicht einmal das Vermitteln einer aussagekräftigen Moral. Das Marvel Cinematic Universe hat den Weg gewiesen für das Monsterverse: Die Entwicklung zeigt, dass auch die tradierten Monstergestalten nun in ein degradierendes Attraktions-Verfahren eingebettet werden, demgemäß geisttötende Effekthascherei höher eingestuft wird als gute Unterhaltung.