Abbas Kiarostami verschaffte dem Iran einen festen Platz auf der Weltkarte des Kinos, als er 1997 bei den Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme für seinen Film Ta‘m-e gīlās / A Taste of Cherry gewann. Das neue iranische Kino, das nach der islamischen Revolution entstand, machte eine bemerkenswerte Entwicklung durch, die die Veränderungen in der iranischen Gesellschaft widerspiegelten. Die westliche Auffassung, der Islam sei antimodern und rückständig, wurde widerlegt, als die in der Zeit nach der Revolution produzierten Filme weltweit Ruhm und Anerkennung ernteten.
Das iranische Kino nach der Revolution hat einige wesentliche konstante Merkmale ausgeprägt. Stilistisch warten die Filme mit einer hohen allegorischen Formensprache und einem dichten poetischen Potenzial auf; die erzählten Geschichten nehmen dabei gerne den Charakter von Parabeln an. Abbas Kiarostami, Mohsen Makhmalbāf, Asghar Farhadi und Jafar Panahi zählen zu den bedeutendsten und bekanntesten Vertretern dieser Erneuerungsbewegung. Oft sind diese Filme bewusst an der Trennlinie zwischen Fiktion und Dokumentation angesiedelt, wenngleich sie fiktive Stoffe erzählen. Sie greifen konventionelle Spannungsdramaturgien und Figurenkonstellationen auf, betonen aber bewusst die mangelnde Schärfe dieser Trennlinie – die Geschichten wirken dann wie aus dem Leben gegriffen. Es dominieren Originalschauplätze; ein Stilbewusstsein, das bis auf den italienischen Neorealismus zurückgeht. Farhadis Nāder az Sīmīn (2011) oder Taxi Teheran (2015) von Panahi waren besonders populäre Beispiele dieser Bewegung, die die Absurditäten des iranischen Staates, des Machtapparats als repressives, menschenverachtendes System offenlegte. Unter diesem Aspekt gilt das iranische Kino als eines der modernsten und innovativsten der Welt, das immer wieder Filmpreise für sich beansprucht und die nachfolgenden Generationen stark beeinflusst.
Terrestrial Verses von Ali Asgari und Alireza Khatami – eine Koproduktion mit der Luxemburger Cynefilms, der Gesellschaft von Regisseur und Produzent Cyrus Neshvad – gewann beim diesjährigen Luxembourg City Film Festival sowohl den Kritikerpreis als auch den Großen Preis der Jury. In kurzen Vignetten wird der Alltag von neun ganz normalen Menschen im Iran gezeigt, die einen Einblick in die komplexe Gesellschaft geben. Der Schwerpunkt liegt auf den alltäglichen Hürden der Menschen im Iran, die sich mit der Absurdität der Staatskontrolle konfrontiert sehen. Die Iraner müssen sich unter anderem mit der gesichtslosen, übermächtigen Bürokratie und der Regierung auseinandersetzen, die fast alle Bereiche ihres Lebens durchdringt und ihre Macht mit Gewalt durchsetzen kann.
Diese Tendenz des iranischen Films ist das im Westen anerkannte und etablierte Kunstkino, das auf Festivals gezeigt wird und internationale Preise gewinnt. Es ist ein gegenwartsbezogenes, sozial-realistisches und engagiertes Gegenkino zu den nationalistischen und innenpolitisch motivierten kommerzielleren Produktionen, die im Iran äußerst erfolgreich, im Westen aber kaum bekannt sind. Das iranische Kino schließt in diesem Sinne auch eine westlich geprägte Wahrnehmung des iranischen Films mit ein, der sich als fest etablierter Bilderkanon in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben hat. Es sind Bilder aus dem Iran als Bilder über den Iran. Filme über den Iran, die im Westen breitflächig zirkulieren, zeigen so gerne die gleichen Inhalte. Es ist ein Bilderkatalog, der immer wieder abgerufen wird, wo indes das anklagende Moment zum Stereotyp zu gerinnen droht: Meist sind es verhüllte Frauen und ein bis in die Sprache hinein kalt operierendes System. Das gesellschaftliche Miteinander beschränkt sich häufig auf Eindrücke vom hektischen Treiben in überfüllten Basaren. Die Themen, die diese Filme erkunden, orientieren sich meist entlang fester Standards, wie Unterdrückungsszenarien. Besonders das Schicksal der Frau, die Repression des Freiheitswillens, die Ohnmacht des Individuums gegenüber den starren Konventionen des Staates, die im Westen freilich empörte Reaktionen hervorrufen. Dieses Zünden des Affekts wird mithin gezielt bedient. Es entsteht eine Filmrezeption entlang spezifischer Wahrnehmungsmodi von Moralvorstellungen und einem festen Wertekodex – es ist eine fortwährende, endlos scheinende Anklage der immergleichen Missstände. Sie akzentuiert so Fremdes und Andersartiges, blendet aber Familiäres und Vertrautes eher aus. Daraus erwächst in der eurozentrischen Wahrnehmung ein Verständnis des iranischen Films, das über dieses Bilderreservoir aus dem gegenwärtigen Iran geliefert wird, unsere Vorstellungswelt über den Iran also an diesen medial vermittelten Kanon bindet. Dies sei keinesfalls als ein Einwand gegenüber der künstlerischen Qualität des iranischen Filmschaffens zu verstehen, sondern vielmehr als eine Bewusstmachung für die möglichen Zerrbilder, die dabei mitentstehen können – nimmt man denn diese Bilder pars pro toto für das gesamte iranische Filmschaffen. Heute wieder mehr in Vergessenheit geraten ist der essayistische Dokumentarfilm von Solmaz Shahbazi und Tirdad Zolghadr Teheran 1380 (2006), der entschieden gegen den westlichen Erwartungshorizont der iranischen Bildwelten anschrieb, dem Stadtbild Teherans als wachsender Metropole galt hier das Augenmerk.