Der Punkt sieben auf der Tagesordnung des nächsten Gemeinderates der Hauptstadt am kommenden Montag betrifft den Avis du Conseil communal relatif à la mise en place d’une zone de vidéosurveillance dans la zone G – Bonnevoie. Dahinter verbirgt sich ein Vorhaben, das der blau-schwarze Schöffenrat schon lange plant und das unter dem LSAP-Minister für Innere Sicherheit Etienne Schneider bereits in die Wege geleitet worden war. In Dokumenten, die dem Land vorliegen, sieht man das Areal, um das es geht: eigentlich der gesamte Westteil von Bonneweg. An den Gleisen entlang bis an die Rotonden, der Rue de Bonnevoie hinunter in die Rue Auguste Charles, der Place du Parc Richtung Rue Pierre Krier, an der Rue de l’Hippodrome, dem Leschte Steiwer und an der Rue de Thionville sollen 67 Kameras das Geschehen ständig beobachten. Ein Areal von 175 000 Quadratmetern – der Kostenpunkt dieser Aufrüstung liegt bei 2,25 Millionen Euro und wird von der Gemeinde getragen.
Die Videoüberwachung wird dem Polizeigesetz nach erst hinzugezogen, wenn andere präventive Maßnahmen nicht greifen. In diesem Sinne hat die Polizei eine Impakt-Analyse des Bonneweger Viertels vorgenommen, die dem Land vorliegt. Die Delikte im Viertel rangieren von Vandalismus hin zu Drogenaffären, Einbrüchen und Gewalttaten. Tatsächlich konzentrieren sie sich zum Teil in diesem Radius, ebenso wie weiter nördlich. (Lydie Polfer hat Nord-Bonneweg und Verlorenkost als nächste Visupol-Zone im Visier.) Allerdings scheinen sich insbesondere die Drogendelikte in den vergangenen Jahren reduziert zu haben. Waren es 2020 im besagten Umkreis 526, waren es 2023 nur noch 84. Auf Nachfrage des Land kontextualisiert die Polizei diese Zahlen so, dass Drogendelikte national rückläufig sind und die Polizist/innen sich auf die Verkäufer konzentrieren, nicht die Konsumenten. Lydie Polfer will im Gespräch mit dem Land keine Stellung nehmen und verweist auf die Sitzung des Gemeinderats kommenden Montag. Doch die Ausweitung sei völlig verhältnismäßig, sagt sie.
Seit 2007 werden Teile des öffentlichen Raumes polizeilich videoüberwacht (Visupol). Die Idee geht auf den damaligen Justizminister Luc Frieden (CSV) zurück. Zu Beginn waren lediglich drei Zonen der Hauptstadt betroffen: das Bahnhofsviertel, der damalige Hamilius und das Areal um den Limpertsberger Glacis, Kinnekswiss inklusive. Etwas später kam das Stadion Josy Barthel während Events hinzu, die Fußgängerbrücke am Pont Adolphe, das Konferenzzentrum in Kirchberg. Gesetzlich stand diese Maßnahme auf wackligen Beinen, mit einer großherzoglichen Regelung und einem schwammigen Datenschutzgesetz von 2002. 2018 wurde das Polizeigesetz reformiert und der Datenschutz geklärt. 2021, der grüne Henri Kox war Minister für Innere Sicherheit, wurde das Gesetz zu Visupol angepasst. Nicht ohne Bedenken der Menschenrechtskommission: Sie schrieb in ihrem Gutachten, man müsse tunlichst auf die Privatsphäre, die zu den Menschenrechten gehört, ebenso wie den Datenschutz achten. Außerdem könne Videoüberwachung dazu führen, dass Menschen sich nicht an politischen Demonstrationen beteiligen würden. Und dass das Risiko der Diskriminierung von ohnehin marginalisierten Gruppen im Raum stehe.
Henri Kox schloss die automatische Gesichtserkennung in seiner Gesetzesanpassung aus. CSV-Innenminister Léon Gloden überarbeitet derzeit das Gesetz, wie es im schwarz-blauen Koalitionsvertrag bereits angekündigt worden war. In welche Richtung es gehen wird, darüber wollte das Innenministerium diese Woche noch nicht kommunizieren. Klar ist, dass die Einführung von Visupol vereinfacht wird: Derzeit ist eine mehrjährige Prozedur, zu der die Polizei herangezogen werden muss, vonnöten; in Zukunft sollen Bürgermeister ihre Anfrage direkt stellen können. Und auch wenn Luxemburg sich an den europäischen AI Act halten muss, ist vorstellbar, dass KI und die automatische Gesichtserkennung insbesondere in der Strafverfolgung zugelassen werden. Allen voran soll die Gültigkeit der unterschiedlichen Zonen verlängert werden – von bisher drei auf nunmehr fünf Jahre. Das heißt, eine Evaluierung kommt erst nach fünf Jahren.
Eine Reihe Anwohner/innen werden sich über diesen Law & Order-Crackdown freuen. Vor allem im Bahnhofsviertel fordern sie seit Jahren mehr Maßnahmen, um die Sicherheit zu erhöhen. Einer gab im Gespräch mit dem Land gar an, sich im südafrikanischen Kapstadt sicherer als im Garer Quartier zu fühlen. Grundsätzlich ist der wiederholte Rückgriff auf das subjektive Empfinden der Bevölkerung als Basis von politischen Entscheidungen zu einfach. Denn Überwachungskameras sind Studien zufolge nur mäßig erfolgreich, wenn es darum geht, Kriminalität zu reduzieren – sie helfen eher in der Aufklärung von Straftaten. Es handelt sich um ein repressives Mittel, das oft als präventive Maßnahme verkauft wird. Eine Langzeitstudie, die 2019 im Journal Criminology & public policy erschien, kam zum Schluss, dass CCTV, wie das System in angelsächsischen Ländern genannt wird, vor allen Dingen in Parkhäusern gut funktioniert. Eine Studie, die der damalige grüne Minister für Innere Sicherheit François Bausch 2019 bei der Generalinspektion der Polizei in Auftrag gab, warf die Frage der Kostspieligkeit des Verfahrens und des tatsächlichen Mehrwerts auf. In lediglich einem Drittel der Fälle, in der die Staatsanwaltschaft das Visupol-Material sichtet, hilft es bei der Aufklärung weiter. Hierbei geht es vor allem um Gewalttaten wie Schlägereien. Im Rahmen von Drogendelikten sind die Aufnahmen weniger hilfreich. Oppositionsparteien wie Grüne, LSAP und Linke gaben in der Vergangenheit ebenfalls den Verdrängungseffekt zu bedenken: Ist eine Zone videoüberwacht, droht sich die Kriminalität in die Wohnviertel hinein oder an andere Orte zu verlagern. Zu beobachten ist das im Bahnhofsviertel schon länger. Dort haben sich Drogenhandel und Prostitution in die Straßen Richtung Hollerich verlagert.
2025 scheinen die vielschichtigen Themen des Schutzes der Privatsphäre und des Datenschutzes in der öffentlichen Debatte Teilen der Bevölkerung weniger wichtig als die Sicherheit. Sie dominiert mit der Migration ganze europäische Wahlkämpfe, die politische Mitte sucht vergeblich nach Positionen, die sie in diesen Fragen sowohl vom rechten Rand abgrenzen und gleichermaßen Wege, sich frustrierten Wähler/innen anzubiedern. Ob sich in diesem Kontext politischer und ziviler Widerstand gegen die Ausweitung regen wird, ist demnach mehr als fraglich. Das, obwohl in Bonneweg und den geplanten Ausweitungen tausende Bürger/innen überwacht werden. „The increased prevalence of surveillance cameras in public places has led scholars to consider CCTV as a ‘banal good’ that has become part of everyday life, taken-for-granted by the public and subjected to little scrutiny by the media“, schreiben die Forscher in ihrer Analyse in Criminology & public policy.
„Die Frage ist, wie flächendeckend öffentliche Videoüberwachung sein kann, bis für eine demokratische Gesellschaft die Schmerzgrenze erreicht ist. Es ist ein Unterschied, ob man genau weiß, wo und wie und wie lange man aufgezeichnet wird, oder ob man fürchten muss, dass das überall geschieht“, erklärte Stefan Braum, Professor für Strafrecht an der Uni Luxemburg, dem Land vergangenes Jahr (d’Land, 9.2.2024). In der polizeilichen Analyse zum Bonneweger Viertel wird das Risiko der Verletzung der Privatsphäre für Anwohner/innen als hoch eingeschätzt. Dem will man entgegenwirken, indem die Hauseingänge und der Öffentlichkeit nicht zugängliche Orte genau wie in den anderen Zonen unwiderruflich maskiert werden. (Die Daten werden nach 60 Tagen gelöscht.) Das Risiko der Verletzung für Nicht-Anwohner/innen wird als mittel eingeschätzt. Dieses Problem soll der Analyse nach – absurderweise – so gelöst werden, dass die non-résidents die Möglichkeit haben, „sich der Videoaufnahme zu entziehen“. Wie das funktionieren soll, außer dass Nicht-Anwohner/innen den gesamten Radius schlichtweg meiden, wird nicht erklärt. Der IGP-Studie nach schauen sich etwa zehn Personen die flackerenden Aufnahmen an (Stand 2021). Dennoch bleibt es fast unmöglich, dabei „live“ bei einem Verbrechen einzugreifen. Die Quote des In-Flagranti-Ertappens liegt Land-Informationen nach bei etwa vier Prozent der gesamten Delikte. Sie ist über die Jahre gesunken, sicher auch, weil mehr Zonen hinzugekommen sind.
Das Voranschreiten der Sicherheit als dominierendes Thema lässt sich an der DP gut beobachten. Xavier Bettel pflegte vor mehr als einem Dutzend Jahre ein anderes Image. Als er 2011 Bürgermeister der Hauptstadt war und mit den Grünen den Schöffenrat leitete, erklärte er: „(…) Mais nous nous opposerons au système Visupol aussi longtemps qu’il sera considéré comme la solution aux problèmes. (…) Et de toute manière, le ratio entre le coût de Visupol et le bénéfice que la société peut en tirer est en déséquilibre. Je ne vois pas de plus-value, car la vidéosurveillance reste pour moi une atteinte à la vie privée.“
Es war eine andere Zeit. Heute ist der Griff zu Überwachungskameras als Methode, den Einwohner/innen mehr Sicherheit zu vermitteln, Routine geworden. Visupol wurde auf zwei Südgemeinden ausgeweitet: In Esch/Alzette hängen 25 Kameras um den Bahnhof („Wir sind nicht Gotham City, wir sind nicht Crime City“, dixit CSV-Bürgermeister Christian Weis), in Differdingen 38 („Hier kommt man sich vor wie im Wilden Westen“, dixit LSAP-Bürgermeister Pierre Altmeisch). Der LSAP-Bürgermeister Bob Steichen hat vergangenes Jahr eine Anfrage ans Innenministerium gerichtet, um den Ettelbrücker Bahnhof als Visupol-Zone etablieren zu lassen. Andere Gemeinden haben außerhalb der polizeilichen Überwachung in Eigeninitiative begonnen, Kameras zu installieren, um die Bürger/innen, die sich abends nicht mehr „alleine hinaustrauen“, wie das Wort Mitte Januar berichtete, zu beruhigen: In Echternach wird die liberale Bürgermeisterin Carole Hartmann zwei im Stadtzentrum befestigen lassen, um nach einer Gewalttat vergangenen Sommer ein Zeichen zu setzen.
Was die Ausweitung in der Hauptstadt angeht, werden Déi Lénk dagegen stimmen. Die Grünen werden das Gutachten „nicht mittragen“, sagt François Benoy, grüner Gemeinderat.. Die LSAP hat unter ihrem Generationswechsel mit Maxime Miltgen und Gabriel Boisante einen anderen Weg eingeschlagen: Sie will dem Projekt zustimmen.
« Peut-être préférable de renoncer »
Martine Solovieff l’avait prédit sur les ondes de RTL-Radio en octobre dernier, trois mois et demi avant son départ à la retraite : Le Conseil d’État ne laissera pas passer le projet de loi introduisant le « Platzverweis généralisé » et le « Aufenthaltsverbot ». L’ancienne procureure générale aura eu raison. Cette semaine, la Haute corporation a pondu un avis qui déconstruit l’ensemble du projet de loi, prononçant six oppositions formelles pour deux articles. Les promesses sécuritaires du Stater DP et du CSV, qui ont marqué les campagnes 2023, s’avéreront donc difficiles à tenir. À commencer par le bazooka que le ministre Léon Gloden voulait offrir à la bourgmestre Lydie Polfer, à savoir le pouvoir d’ordonner une interdiction « de pénétrer dans un ou plusieurs périmètres déterminés » aux auteurs de simples incivilités (et ceci pour une durée de trente jours). Le Conseil d’État note sèchement : « Il serait peut-être préférable de renoncer à cette partie de la réforme ».
Le « risque d’arbitraire » serait trop important. Car c’est au bourgmestre de prendre la décision de cet exil temporaire, en se basant sur les seuls rapports d’éloignement que lui soumet la Police. « La loi en projet reste muette sur le point essentiel des critères en fonction desquels le bourgmestre ordonne une interdiction temporaire de lieu », note le Conseil d’État. Pour ne rien arranger, la personne visée n’est pas en mesure de faire valoir ses explications : « Aucune voie de recours n’est formellement prévue ». Même le Syvicol n’est pas unanime sur la question. Son avis fait le grand écart. On parle d’une « innovation majeure » mais qui, étant donné sa « gravité », serait à employer « avec une grande circonspection ». Face au Land, le député-maire de Dudelange, Dan Biancalana (LSAP), ne dit ne pas vouloir d’un tel pouvoir « disproportionné » qui le mettrait « très mal à l’aise ». À voir si les bourgmestres socialistes law & order Guy Altmeisch (Differdange) et Bob Steichen (Ettelbruck) suivront la ligne de leur président de parti.
Quant au « Platzverweis élargi » (Henri Kox l’avait introduit pour les seules entrées et sorties d’immeubles), il apparaît, lui aussi, problématique aux yeux du Conseil d’État. Les notions du texte seraient actuellement « trop vagues » pour justifier une restriction des libertés publiques. Le projet de loi vise toute personne qui « se comporte de manière à importuner des passants ». Le Conseil d’État réplique : « Le fait d’importuner une personne ou d’être importuné par une autre personne peut difficilement être cerné par des critères objectifs, mais est le résultat d’une appréciation subjective ». En passant, le Conseil d’État rappelle que « la Police grand-ducale est placée sous l’autorité du ministre […]. Elle n’est pas placée sous l’autorité du bourgmestre ». À bon entendeur !