Segelfracht als Geschäftsmodell

Auftakeln und in See stechen

d'Lëtzebuerger Land du 10.08.2018

An Land war Windkraft von Wirtschaft und Experten abgeschrieben; Windmühlen gab es bloß noch im Museum. Dann aber bastelten vor 40 Jahren Lehrer und Schüler der alternativen Tvind-Schule im dänischen Dorf Ulfborg aus Beton und Schrott einen 53 Meter hohen Turm mit Flügeln: die erste Megawatt-Anlage. Heute drehen sich in aller Welt große Rotoren. Im Pionierland Dänemark liefern sie bereits fast die Hälfte des Stroms.

Kann Windenergie auch auf See wieder genutzt werden? Alternative Antriebe sind jedenfalls dringend nötig: Vom Orangensaft bis zum Smartphone werden gut 90 Prozent aller Waren mit mehr als 50 000 Frachtschiffen über die Meere befördert. Schiffsmotoren verfeuern üblicherweise besonders umweltschädliches Schweröl: Allein die 20 größten Frachter stoßen schätzungsweise so viele Schadstoffe aus wie alle Autos zusammen. An manchen Tagen atmen Spaziergänger am Strand von Scheveningen mehr Ruß ein als im Ruhrgebiet.

Noch hat die Revolution des Güterverkehrs Gegenwind. Der Lastensegler Undine, der ab 2013 von Hamburg nach Sylt pendelte, ging im vergangenen Jahr pleite. Ebenfalls 2017 gab Volkswagen den Ecoliner auf: Das größte jemals geplante, weitgehend automatisierte Segelschiff hätte 3 000 Autos transportieren sollen. Von den Zugdrachen der Hamburger Firma Skysails gibt es bislang nur wenige Prototypen, auch weil die innovative Beluga-Reederei aufgeben musste. Von den Projekten B9-Ship und Vindskip war schon seit Jahren nichts mehr zu hören.

So lange Schweröl billig und erlaubt ist, müssen Geschäftsmodelle wohl Segelfracht mit Nostalgie, Tourismus und Ausbildung verbinden. Die Tres Hombres und die Nordlys von Fairtransport haben dabei eine Reihe Mitstreiter: Die Avontuur segelt von Bremen in die Karibik, die Grayhound pendelt über den Kanal, die Gallant startet von Douarnenez bei Brest, die Hawila schippert über die Ostsee. In Italien versuchen zwei Österreicher, die Brigantes für den Südamerika-Verkehr flott zu machen. Zur jung-alten Branche gehören auch Speditionen und Handelsfirmen; ihr Verband hat bereits 14 Mitglieder (www.sailcargoalliance.org).

An diesen Fracht-Schulschiffen kann man sich in der Regel ab 1 000 Euro beteiligen. In Costa Rica sind Investoren schon ab 100 US-Dollar dabei: Danielle Doggett und Lynx Guimond, die bei der Tres Hombres mitgearbeitet hatten, wollen per Crowd-Funding 3,6 Millionen Dollar einsammeln. Damit bauen sie auf einer Öko-Werft die Ceiba, einen Dreimaster mit Platz für neun Container (www.sailcargo.org).

Vorerst bekommen Segelschiff-Anleger als Rendite vor allem ein gutes Gefühl. Dass es einmal Windkraft-Konzerne wie Vestas, Gamesa oder Goldwind geben würde, hatte allerdings auch kein Analyst auf dem Radar. Martin Ebner

Martin Ebner
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