Nachdem er den Luxemburgern vor Jahrzehnten Espresso, Mortadella und Parmaschinken gebracht hat, ist Flavio Becca, dem, wie ihn deutsche Medien nennen, Milliardär, möglicherweise diese Woche ein ganz neues Kunststück gelungen. Ausgerechnet der Unternehmer mit dem Faible für Strickpullis könnte Luxemburg modetechnisch gesehen Instagram-tauglich machen. Natürlich gibt es im Shoppingzentrum Cloche d’Or, das am Dienstag mit zwei Wochen Verspätung seine Türen öffnete, keine Haute Couture und keine Nischenlabels zu kaufen. Aber es gibt Mode, viel davon und von der schnellen Sorte. Entsprechend viele Schulmädchen schlürften am Dienstagnachmittag in der Mall Starbucks-Getränke aus Plastikbechern, die Leute standen Schlange, um asiatische Nudeln aus Pappschachteln zu essen, und bestellten Burger, die sich, in Papier eingewickelt und auf einem Tablett serviert, auf den ersten Blick nur durch den Preis von 19 Euro von denen bei der Fastfood-Konkurrenz unterschieden.
Beim Rundgang durch die Galerie, in der hier noch etwas rauscht und da noch etwas piepst, erklärt sich auch, warum das Einkaufszentrum Cloche d’or auf einen Schlag so viele seiner Verkaufsflächen vermieten konnte, während es in Belval Plaza immer noch Leerstand gibt. Denn neben H&M sind fünf weitere Marken des schwedischen Moderiesen vor Ort, angefangen bei Weekday, wo die Popmusik laut, die Tops bauchfrei und die Shorts wirklich short sind. Weekday ist die „jüngste“ Marke im Sortiment von H&M und schon jetzt steht fest, dass die zahlungskräftigen Privatschülerinnen aus dem Lycée Vauban einen erheblichen Teil ihres Taschengeldes dort investieren werden. Im höheren Preissegment gibt es, neben der im Stadtzentrum, eine weitere Cos-Filiale, wo das kunst- und grafikorientierte Volk ein Outfit für die nächste Vernissage finden kann. Was auch ältere Konsumentinnen freuen wird – auch wenn sie aus Scham nur mit Sonnenbrille und Hut ins Shopping-Zentrum gehen –, ist die Ankunft von & other stories. Die Marke, die ähnliche Preise und oft ebenso hochwertigere Materialen bietet wie Cos, aber weniger steriles Design aus Paris, Stockholm und Kalifornien, verfügt darüber hinaus über ein großes Angebot von Accessoires wie Schuhen, Taschen sowie Hüten und bietet nicht zuletzt eine große Körperpflege- und Kosmetikauswahl. Gleich nebenan befindet sich Arket, die „nachhaltige“ Marke des H&M-Konzern, die auf Produkte setzt, die lange im Gebrauch bleiben sollen. Arket ist fein Nirvana für Liebhaber von Concept-Stores und Schweden-Chic. Als „Markthalle“ gedacht, gibt es hier, neben Mode und Turnschuhen von Veja, von Küchentüchern aus Leinen und Besteck über pädagogisch wertvolles Spielzeug alles bis zu Gießkannen und Zitronenschnitzhaltern in Fischform. Bei Arket kommt die Körperpflegeserie in Düften wie Rosmarin, Geranien oder Eichenmoos. Eine Mischung aus Hay und Manufaktum und das mit Café, in dem am Dienstag bereits bärtige Männer mit Dutts auf ihren Apple-Laptops klimperten, um das Bild zu vervollständigen, das so gar nicht zum Konsumtempel auf der grünen Wiese passen will.
Ein weiterer Teil der Geschäftsflächen ist zudem von dem anderen europäischen Moderiesen belegt. Die Inditex-Gruppe ist nicht nur mit einer weiteren Zara-Filiale vertreten, sondern spielt genau wie H&M das Sortiment rauf und runter. Angefangen bei Bershka und Pull&Bear, wo die Schülerinnen den Rest ihres Taschengeldes in Synthetik investieren können, über elegantere Outfits bei Massimo Dutti und, wie Bershka ebenfalls neu in Luxemburg, Stradivarius sowie Oysho, die ein großes Unterwäsche- und (Synthetik-)Sportkleidungssortiment führen. Beide Konzerne sind zudem mit ihren Hauswarenmarken H&M Home und Zara Home vertreten, so dass es möglich ist, das Zuhause Pinterest-gerecht einzurichten.
An individuellen Marken oder Ladenhaltern ist in Cloche d’or nicht viel aufzufinden, was es nicht schon in der Groussgaass gäbe. Aber zwischen Frozen Yoghurt, Eisdielen, Waffelständen und Nailbar mit Opi-Lacken wird jetzt schon deutlich, dass Cloche d’or sich zu einem Treffpunkt für Teenager entwickeln dürfte, wie es die Belle Étoile für Rentner ist. Denn wie sich am Dienstag zeigte, haben eine ganze Menge von ihnen den Bogen von den Klimaprotesten zur fast fashion noch nicht geschlagen. Aber das Gute daran, dass & other stories, Oysho und Co nun in Luxemburg vertreten sind? Die Einheimischen können sich bei Städtetrips nach Berlin, Paris oder Barcelona wieder auf die Sehenswürdigkeiten und Museen konzentrieren, statt sich beim Shopping zu verausgaben.