Betäubungsmittel

Kates Kleid

d'Lëtzebuerger Land du 05.05.2011

Heute loben wir die starken Betäubungsmittel. „… an da gëtt d’ganz Welt gewuer, wéi ee Kleed d’Kate unhuet“, trällerte eine RTL-Sprecherin kurz vor dem britischen Hochzeitsklamauk. Ja, darauf hat die Welt gewartet: im planetarischen Tal der Tränen waren alle Augen auf den sündhaft teuren, weißen Fummel von Frau Middleton gerichtet. Dieses Kleid wirkte wie eine gewaltige Dosis Heroin. Auf einen Schlag waren alle Katastrophen der Welt bereinigt. Das Kleiderpüppchen müssen wir tatsächlich als messianische Verheißung einstufen. Dabei spielt es eigentlich überhaupt keine Rolle, ob in diesem Kleid wirklich ein Mensch steckte, oder ob die blendende Garderobe als leere Hülle zum Traualtar schwebte.

Dieses Kleid ist sozusagen ein interkontinentales Wunderding. In der japanischen Todeszone um Fukushima sah man die Gezeichneten plötzlich wieder lächeln und Mut schöpfen, als Kate sie unter die royalen Klamotten bat. In Alabama, wo unwahrscheinlich wüste Wirbelstürme den Einwohnern buchstäblich die Kleider vom Leib rissen, wurde Kate wie eine Heilige gefeiert. Auf Lampedusa, wo tausende Gestrandete aus Kriegsgebieten den Segnungen des europäischen Rassismus entgegenfiebern, brach Kate’s Kleid wie ein gewaltiges Naturereignis über die Ärmsten der Armen herein. Es lässt sich nicht leugnen: dieses Kleid ist ein einziges Heilsversprechen.

Herr William, der dieses Kleid in den Hafen der Ehe manövrierte, war leider vestimentär nicht auf der Höhe. Die Herren aus der Adelskaste haben ja einen fatalen Hang zum makabren Fastnachtskostüm. Sie verkleiden sich gern militärisch. Der blutrote battle dress des Herrn William war wirklich eine sehr geschmackvolle Reverenz an all die Militärs, die zur Zeit im Yemen, in Syrien oder in Libyen ihre Völker abschlachten und die demokratische Kleiderordnung auf den Kopf stellen. Von Frauenkleidern lassen sich diese brutalen Schergen nicht gern beeindrucken. Frauen sind in ihren Augen ohnehin der letzte Dreck. Sie orientieren sich viel lieber an der perversen Militärmanie des Herrn Prinzen.

Dürfen wir an dieser Stelle ein bisschen ausschweifen? Bestimmt haben Sie in der Presse gelesen, dass sich neulich Herr Jean, der frühere Großherzog, die neueste Errungenschaft der luxemburgischen Armee vorführen ließ. Das Prachtstück heißt „Dingo“, und der edle Herr Nassauer war auf Anhieb sichtlich begeistert. Nun fragen wir uns natürlich, was er denn auf seine alten Tage mit dem Dingo anstellen will? Das gepanzerte Militärfahrzeug ist ganz sicher kein getarnter Rasenmäher, mit dem er auf seinem Anwesen in Fischbach die Gänseblümchen köpfen könnte. Irgendwie erinnern wir uns, dass in Fischbach vor kurzem eine frevlerische Baustelle gestoppt wurde. In den Wald wurde eine unwahrscheinliche Schneise geschlagen, mit dem Argument, hier würde ein idyllischer Fahrradweg mitten im Revier eingerichtet.

Seit wann müssen Fahrradpisten denn wie Großstadtavenuen aussehen? Könnte es sein, dass in Fischbach kein Radweg für’s Volk, sondern eine Dingo-Arena für Herrn Jean gebaut werden sollte? Will er seine berühmten Jagdinstinkte neuerdings mit dem Dingo befriedigen? Technisch solide Kriegsführung gegen wehrlose Rehe und Hasen? Jetzt aber schnell zurück zu unserer monarchistischen Euphorie. Da Monarchen in der Regel schwer drogensüchtig sind, schlagen die starken Betäubungsmittel sie immer und überall sofort in ihren Bann. Zum Beispiel in Rom, wo ein früherer Papst seliggesprochen wurde. Herr Henri, unser aktueller Großherzog, fuhr nicht mit dem Dingo in die Vatikanstadt. Aber er schlüpfte –Adel verpflichtet – in seine Militäruniform.

Früher war der 1. Mai ein wichtiger Feiertag der Arbeiterklasse. Herr Benedikt, der Seligsprecher, hat seine Betäubungszeremonie also nicht umsonst am 1. Mai inszenieren lassen. Schließlich war der Seliggeprochene zeitlebens ein unheimlich schlauer Arbeiterführer. All seine Arbeiter im Weinberg des Herrn, vor allem die Berserker an der brenzligen Sexualfront, hat er immer mit Wucht in Schutz genommen. Seine Firma betreibt sogar ihre eigene Paralleljustiz. Während unkatholische Kinderschänder ins Gefängnis wandern, dürfen die fehlbaren Schutzbefohlenen des Seliggesprochenen in versteckte Frauenklöster einziehen. Allein diese zutiefst klassenkämpferischen Maßnahmen verdienen natürlich eine Seligsprechung. Sollte sich die kriminelle Kompetenz der katholischen Kirche weiterhin verschärfen, steht auch der Heiligsprechung gar nichts mehr im Weg. Dann muss Herr Henri schon wieder in der Kasernentracht antanzen. Mit oder ohne Dingo.

Jetzt schließen wir aber diese unflätigen Klammern und konzentrieren uns wieder auf Kate’s Kleid. Seit wir uns von dieser weißen Unschuldsmetapher betäuben ließen, dreht die Welt wieder rund. Alles ist in Ordnung, uns winkt eine einwandfreie Zukunft. Kate’s Kleid strahlte stärker und eindringlicher, als je eine kaputte Atomzentrale strahlen könnte. Unser Herz ist ein zuverlässiger Geigerzähler. Nur unser Verstand tickt leider ziemlich desaströs.

Guy Rewenig
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