Heute loben wir die erfreulichen Entwicklungen der letzten Tage. In allen Gaststätten soll demnächst das Rauchen verboten werden. Das ist ein echter Befreiungsschlag. Bisher ließen wir uns vom Irrglauben verführen, das Rauchen sollte überall verboten werden, nur nicht in den Gaststätten. Dieses Modell hätte folgenden Vorteil: Alle Menschen, die sich nicht vom Staat vorschreiben lassen, wie sie zu leben haben, würden sich in den Gaststätten zusammenrotten. Der Staat hätte demnach einen genauen Überblick, wo seine Feinde hocken. Die Staatsfeindlichkeit wäre ein Privileg der Gaststätten. Um zu erfahren, was seine Widersacher mitten in ihren Rauchwolken alles aushecken, müsste der Staat nur in jede Gaststätte einen rauchenden Staatsfunktionär abkommandieren. Er könnte die Staatsfeinde diskret beobachten und regelmäßig Bericht erstatten. Der Staat hätte seine Feinde ständig im Griff.
Nun lassen wir uns aber gern eines Besseren belehren. Das Rauchen sollte überall verboten werden, auch in den Gaststätten. Spaziergänger, die sonntags munter den Wald durchstreifen, berichten Erschreckendes. Auf allen Bäumen entdecken sie lauthals hustende Eichhörnchen, hinter jedem Strauch lungern Hasen und Rehe mit bedenklich pfeifenden Lungen. Was ist passiert? Heimliche Raucher haben den gesamten Wald verseucht. Vor allem nachts treffen sich im finsteren Busch ganze Le-gionen von Tabakfanatikern und paffen stur vor sich hin. Diese unbelehrbaren Klatzkäpp wissen genau, dass nachts die Förster friedlich schlafen und die Jäger ihre Trophäen zählen. Sie kommen ungestraft davon und der Wald leidet entsetzlich. Sind Ihnen schon all die splitternackten Birken und Buchen aufgefallen? Ihre Rinden fallen ab, ihre Blätter welken schneller als Raucherlungen. Außerdem stören die manisch Rauchenden all die gesitteten Bürger, die nachts im Wald ihre gesetzestreuen Saufgelage veranstalten. Wir müssen uns der betrüblichen Evidenz fügen: Alkohol, selbst in gigantischen Mengen verzehrt, ist längst kein wirksames Medikament mehr gegen das zerstörerische Nikotin.
Kommen wir zur schlimmsten Diagnose. Rauchen benebelt die Sinne. Nach dem Konsum von 20 Zigaretten ist kein Raucher mehr in der Lage, das Gesellschaftsleben mit gesunder Empfindsamkeit aufzunehmen. Nach seinem gesundheitspolitisch verheerenden Tun verlässt er die Gaststätte und kann sich am wirtschaftlichen Prozess, der unser Land ja über Wasser hält, gar nicht mehr beteiligen. Er merkt nicht einmal mehr, wie tausende Autos mit hyperaktiven Auspuffrohren gezielt die Atemluft anreichern. Er ist für Abgase unerreichbar geworden. Was erzählen uns die Abgase? Wir sind aktiv, wir treiben den Fortschritt voran, wir bedienen uns der allmächtigen Technik, das Leben pulsiert, wir wehren uns gegen den Stillstand. Was erzählt uns der Zigarettenrauch? Wir umhüllen uns mit blauem Dunst und versacken in der Eigenbrötelei. So kann keine Gesellschaft sich positiv entfalten. Es soll sogar Raucher geben, die sich standhaft weigern, ein Auto zu besteigen. Das erfüllt den Tatbestand der Wirtschaftssabotage.
Und wir sind noch gar nicht am Ende mit den desaströsen Folgeerscheinungen. Jetzt stellt sich heraus, dass Nikotin praktisch immun gegen Radioaktivität macht, jedenfalls subjektiv betrachtet. Das ist natürlich die Höhe. Was haben wir in den letzten Wochen über Radioaktivität gelernt? Sie ist ein heilsames Gleitmittel für die Politik. Politiker, die einer leichten radioaktiven Strahlung ausgesetzt sind, nehmen sofort Vernunft an. Sie verlassen unverzüglich ihre klassischen Irrwege, werfen ihre katastrophalen Ansichten über Bord und sind plötzlich empfänglich für sinnvolle Alternativen.
Vor allem Liberale sind nach einer kurzen Behandlung mit Radioaktivität wie verwandelt. Der Liberale Eugène Berger hat dieser Tage verkündet, seine Partei sei die einzige, die über ein radikales Programm zur Beseitigung der Kernenergie verfüge. Übrigens habe seine Partei ewig schon diese teuflische Energiequelle mit allen Mitteln bekämpft. An diesem Beispiel erkennen wir, dass Radioaktivität die Erinnerungsfähigkeit von Politikern erfreulicherweise auslöscht. Da kann der Altliberale Marcel Mart nur dumm aus der Wäsche gucken. Jedenfalls hat er vor geraumer Zeit verfügt: Wenn die Atomzentrale in Remerschen nicht gebaut wird, gehen in Luxemburg die Lichter aus. Heute müssen wir einsehen, dass vermutlich nur in der liberalen Partei die Lichter ausgegangen sind. Eine Art selektiver Stromausfall, sozusagen. Zum Glück ist Herr Berger ein heller Kopf. Er hat ein eingebautes intellektuelles Notaggregat.
Radioaktivität macht schlau. An dieser Folgerung kommen wir nicht vorbei. Wenn wir die Dosis nur ein bisschen erhöhen, wird bald die ganze Luxemburger Bevölkerung mit vereinten Kräften in die ökologisch korrekte Zukunft aufbrechen. Das ist eine wahre Revolution. In diesem paradiesischen Umfeld haben Raucher nichts zu suchen. Sie verhindern nur die stimulierende Wirkung der Radioaktivität.