Gastfreundschaft

Saubere Landschaft

d'Lëtzebuerger Land du 14.04.2011

Heute loben wir die heimische Gastfreundschaft. „Asylbewerber ziehen in Vier-Sterne-Hotel“. Wer schreibt einen solchen Satz? Irgendein unbelehrbar fremdenfeindliches Grüppchen? Die Hyperpatrioten aus der ADR-Parteileitung? Nein, diese aufstachelnde Prosa stand dieser Tage in Point 24, jener Gratiszeitung, die sich mit dem stolzen Etikett by Luxemburger Wort ziert. Man sieht: Christliche Nächstenliebe schützt nicht vor rassistischen Anwandlungen. Wahrscheinlich halten die Bistumspublizisten ihre eigene Klientel für so primitiv, dass sie auf lästige Nüancen vollends verzichten. Die Frage wäre ja: Ist ein leerstehendes Gästehaus immer noch ein Vier-Sterne-Hotel? Vier Sterne für den gepflegten Leerstand?

Uns erinnert der griffige Satz aus dem unappetitlichen Gratisblatt stark an die Zeiten, als Justizminister Robert Krieps by Luxemburger Wort bezichtigt wurde, aus dem staatlichen Gefängnis ein Luxushotel machen zu wollen. Der Vergleich ist nicht abwegig: damals wie heute ging es um ein Minimum an Gerechtigkeit für die Parias der Gesellschaft. Resozialisierung wurde damals von den Wort-Schreibern auf die gleiche Stufe gestellt wie aktive Solidarität mit kriminellen Straftätern. Heute, im Fall der serbischen Roma, geht es nicht um Kriminalität, sondern um „Asylmissbrauchstourismus“ (ja, diesmal ist die ADR-Parteileitung zuständig für das Unwort). Das klingt gleich schon wieder kriminell. Missbrauch ist ein schlimmes Vergehen. Die christlichen Herrschaften wissen, wovon sie reden.

„Serbien ist ein sicheres Land“, sagt unser Primus vor der versammelten Abgeordnetenkammer. Da er kein Seifenblasenjongleur ist, der sporadisch ein paar billige Sätze in die Lüfte steigen lässt, und da er als ewiger europäischer Königsanwärter auf keinen Fall lügen darf, wird unser Primus die Probe aufs Exempel liefern und sich ein Jahr lang im sicheren Serbien einquartieren, als Asylant in einer Roma-Familie. Das ist natürlich ein starkes Stück. Da er wohl kaum in der Lage ist, als waschechter Narziss in einem Gipsy-Orchester die erste Geige zu spielen, wird er sich anderweitig nützlich machen müssen. Er könnte zum Beispiel die ausgebrannten Wohnwagen der Roma nach den regelmäßigen Anschlägen faschistischer Attentäter reparieren. Wir können nur hoffen, dass unser prinzipienstarker Primus nicht selber in die Fänge eines jener randalierenden Schlägertrupps gerät, die es –wie wir immer wieder aus dem sicheren Serbien hören – speziell auf die Roma abgesehen haben. Nicht auszudenken, wenn unserem Primus etwas zustoßen würde. Dann wäre Luxemburg über Nacht kein sicheres Land mehr. Den séchere Wee hätten wird dann abrupt verlassen.

„Es ist nicht angenehm für Touristen, auf Asylanten zu stoßen“, erklärt das Office National du Tourisme. Darum sollten Asylbewerber auf keinen Fall in touristischen Regionen eingegliedert werden. Na ja, Touristen sind ja selber nichts weiter als Kurzzeitasylanten. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass sie hier ihre Geldbörsen ausschütten. Das bringt uns auf folgenden perversen Gedanken: Wären die serbischen Flüchtlinge keine Roma, sondern Bankiers und Wirtschaftshäuptlinge, würde unser Primus vor der ver­sammelten Abgeordnetenkammer sagen: „Serbien ist ein zutiefst unsicheres Land. Es ist uns ein ehrliches Anliegen, unsere verfolgten serbischen Freunde in unserer Heimat aufzunehmen. Wir sind nämlich das humanitärste Finanzparadies weltweit.“ Das angebliche Vier-Sterne-Hotel an der idyllischen Sauer stünde in diesem Fall ganz sicher nicht mehr zur Debatte. Auf Kirchberg gibt es ausreichend Fünf-Sterne-Herbergen für betuchte Wirtschaftsflüchtlinge aus Serbien.

Wir bedauern übrigens die armen Touristen, die sich nach Luxemburg wagen. Auch in asylantenfreien Gegenden ist es ihnen nicht gegönnt, zum Kern der heimischen Identität vorzustoßen. In allen Hotels und Gaststätten zwingt man sie, mit Wirtschaftsflüchtlingen aus Frankreich, Belgien und Portugal vorlieb zu nehmen. Weit und breit kein Original aus dem Grändattschi, nur Ausländer, die den Gästen statt Lutsch­tebutschesch nur grausame ausländische Sprachen um die Ohren hauen. Dürfen wir dem Office National du Tourisme empfehlen, hier mal energisch nach dem Rechten zu sehen? Wer nämlich genauer hinsieht, dem eröffnet sich ein Bild des Schreckens: alle Hotels, ob besternt oder nicht, sind ja längst von „Asylmissbrauchstouristen“ besetzt, die sich dann auch noch provokanter Weise als Personal ausgeben.

Es ist an der Zeit, unsere Hotelbranche wieder zum nationalen Patrimonium zu machen. Wenn wir alle Fremden ausgelagert haben, übernimmt die wackere Patriotenpartei ADR mit ihrer gesamten Heimatriege den Tourismusbetrieb. Nix Asylanten, nix Ausländer. Für echte Stammtischatmosphäre in allen heimischen Lokalen bürgt fortan unser politischer Simpel-Verein. Hoffentlich kommen die zahlreichen holländischen Touristen nicht plötzlich auf die Idee, Holland sei kein sicheres Land. Sonst hätten wir hier den blanken Horror: eine Wohnwagenschwemme!

Guy Rewenig
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