Als Déi Gréng am 7. Juni 2013 im hauptstädtischen Cercle ihren 30. Gründungstag feierten, spitzte die Srel-Affäre sich zu, über die fünf Wochen später Jean-Claude Juncker stürzen sollte. Als sie am Mittwoch im Echternacher Trifolion ihr 40. Jubiläum begingen, konnten sie auf neuneinhalb Jahre Regierungsbeteiligung zurückblicken und unter den Ehrengästen waren auch mehrere Diplomat/innen. Der Botschafter Chinas war der höchstrangige. Eingeladen und angereist war auch ein Vertreter der Repräsentanz Taiwans bei der EU. Was, wie Ko-Parteipräsidentin Djuna Bernard dem Land erklärte, der chinesische Botschafter im Gespräch mit ihr nicht erwähnte.
Heute ist es nicht mehr nötig, darüber zu reflektieren, wie erfolgreich Déi Gréng im Vergleich zu anderen Parteineugründungen sind. 2018 hatten ihre Zugewinne von drei Abgeordnetenmandaten eine Weiterführung der DP-LSAP-Grüne-Regierung ermöglicht. Und hatte d’Land vor zehn Jahren die Frage aufgeworfen, ob die Grünen nach der Resorption ihrer linken und rechten Absplitterungen Glei, Tag, Gral und EFDN und der anschließenden Konsolidierung der Partei zu einer kleinen, aber feinen politischen Familie geworden seien (d’Land, 7.6.2013), muss man heute feststellen, dass sie den Anspruch erheben, eine ökoliberale Volkspartei zu sein. Ein Ausdruck davon ist die Nominierung einer nationalen Spitzenkandidatin zu den Kammerwahlen. Das Rotationsprinzip, das der am Nationalfeiertag 1983 gegründeten Anti-Partei so wichtig war, liegt wirklich lange zurück.
Weil die akademische Sitzung am Mittwoch im Wahlkampf stattfand, war sie nicht nur, aber auch eine Wahlkampfveranstaltung, in der alles etwas bedeutete. Neben den beherzten Einladungen an Diplomat /innen ohne zuviel Rücksicht auf die Weltordnung – nicht grenzenlos zwar, denn der Botschafter Russlands war nicht eingeladen –, hatte die Parteiführung drei Gastredner/innen gewinnen können. Aus ihrer jeweiligen Sicht sollten der Direktor von Greenpeace, die Direktorin des Cercle de Coopération des ONG sowie der Präsident des LCGB über die Herausforderungen für Ökologie, Nord-Süd-Kooperation und die Arbeitswelt sprechen und über die politische Rolle, in der sie dabei Déi Gréng agieren sehen.
Zu Letzterem äußerten die drei sich kaum. Vielleicht, weil sowohl Greenpeace-Direktor Raymond Aendekerk als auch Cercle-Direktorin Nicole Ikuku Mitglied der Grünen sind, Ikuku zu den Gemeindewahlen in der Hauptstadt antritt, Aendekerk 2013 auf der grünen Ostliste stand, und es beiden schwerfiel, der Partei scheinbar unabhängige Ratschläge zu geben. Patrick Duhry wiederum mochte sich erinnert haben, öffentlich nicht unbedingt für Ökologie eingetreten zu sein, so dass ihm ein Vortrag, der diese und die Arbeitswelt verbinden und obendrein den Grünen etwas raten würde, nicht leicht fiel. Stichworte für Spitzenkandidatin Sam Tanson lieferten die Vorträge aber. Zum zweiten Mal nach ihrer Bewerbungsrede an die Basis vom 27. März hielt sie eine Wahlkampfansprache für eine „freie, gerechte, feministische und klimaneutrale Gesellschaft“.
So richtig gelang die Erklärung, was das sein soll, aber nicht. Zwar ist Tanson offenbar dabei, sich in Öko-Dossiers einzuarbeiten, mit denen sie als Kultur- und Justizministerin nicht zu tun hat. Doch gerade ihr mit Verve vorgetragener Appell, „wir haben nicht noch einmal 40 Jahre Zeit“ für den Umbau der Gesellschaft Richtung Klimaneutralität, scheint nicht gut zu der Versicherung zu passen, alles solle „einfach“ sein, die Bürger/innen und die Betriebe „mitgenommen“ werden und die Bewegung eine „Chance für den Standort“ sein.
Ob das nur ein rhetorisches Problem ist oder ein grundsätzliches, wenn grüne und liberale Ideologie fusioniert werden sollen, wird sich am Wahlprogramm der Grünen ablesen lassen. Und an ihrem Resultat am 8. Oktober. Für den Moment scheint es ihnen um Koalitionsfähigkeit nach allen Seiten zu gehen. Auch die LSAP bekam die Hand gereicht: Flexiblere Arbeitszeiten seien wichtig, sagte Sam Tanson, aber eine generelle Arbeitszeitverkürzung dürften Déi Gréng „nicht aus dem Blick verlieren“. 1999 wollten sie die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. So weit müssen sie heute nicht gehen.