Der Ale Kolléisch im Schatten der Kathedrale steht leer. Dorthin soll nun zusammen mit dem Handelsgericht „une exposition permanente sur la langue luxembourgeoise“ kommen. Das kündigten vergangene Woche Justizministerin Sam Tanson und Bautenminister François Bausch an. Die Ausstellung, „basée sur un descriptif précis des besoins, sera élaborée en concertation avec un muséographe.“ Sie sei der Wunsch von Erziehungsminister Claude Meisch. Auch seien „des surfaces dédiées à la gastronomie“ geplant.
In einer Klassen- und Konkurrenzgesellschaft ist „langue luxembourgeoise“ ein Codewort für „nationalistische Sprache“. Nationalistische Sprache ist kein Verständigungsmittel, sondern ein Missverständigungsmittel. Sie dient nicht dem Gespräch und Austausch, sie dient der Abgrenzung und Trennung, euphemistisch: „nationale Identität“. Nationalistische Sprache soll Grenzen ziehen zu „Frankräich, België, Prei-heisen“. Sie soll Grenzen ziehen zwischen Klassen und Schichten, die unterschiedliche Sprachen sprechen: Luxemburgisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Business English, Serbokroatisch ... Sie soll nicht kommunizieren, sie soll exkommunizieren.
Das Luxemburgische kam im 19. Jahrhundert mit dem Nationalstaat und dem Bürgertum auf. Seither steigt mit jedem wirtschaftlichen Aufschwung sein Stellenwert, die Zahl der Schreibregeln, Wörterbücher, Sprachsäuberer, Germanisten, Sprachgesetze, Ausstellungen.
Der Wiener Kongress erfand das Großherzogtum. Es war wirtschaftlich rückständig. Erste Dichter romantisierten „eist Lëtzebuerger Däitsch“ als Restekochen mit deutschen Vokabeln. Mit dem Siegeszug des Industriekapitalismus, seinen Bergwerken und Schmelzen, dem Ausbau einer staatlichen Verwaltung nannten Lehrer und Pfarrer das Luxemburger Deutsch einen moselfränkischen Dialekt. Am Ende der Goldenen Dreißiger nach dem Zweiten Weltkrieg, in der rasanten Konsumgesellschaft und Europäischen Gemeinschaft beförderten Sekundarlehrer den moselfränkischen Dialekt zum Ausbaudialekt.
Die globale Finanzialisierung bescherte der Steueroase einen einmaligen Wohlstand. Das Parlament rief das Luxemburgische zur Nationalsprache aus. „A schprach is a dialekt mit an armej un flot“, wusste Max Weinreich (Yivo Bleter, 1/1945, S. 13). Mit einer Armee und Flotte, einer Luftflotte von A400M und MRTT. Die neue Universität erfand die Luxemburgistik. Ihre Professoren adelten den Ausbaudialekt zur jüngsten germanischen Sprache.
In der Finanz- und Wirtschaftskrise klammerten sich politisch und ökonomisch Sprachlose, verunsicherte Beamte und Mittelständler an das Luxemburgische. Es ist ihr letztes Bildungsprivileg gegenüber qualifizierteren Grenzpendlern. Vor vier Jahren verlangten 14 702 Petitionäre, das Luxemburgische zur ersten Amtssprache zu erheben.
Anderer Schichten wollen ihre Sprachkenntnisse ebenfalls in Wert setzen. Bis diese Woche forderten über 3 000 Petitionäre „un test de langue française ou allemande au même niveau que le test de langue luxembourgeoise comme critère d’obtention de la nationalité luxembourgeoise“.
Für die DP war das gescheiterte Referendum von 2015 ein Alarmsignal. 2018 wollte sie keine protektionistischen Stimmen an die ADR verlieren. Ihre Wahllosung lautete: „Zukunft op Lëtzebuergesch“. Seither rüstet ihr Erziehungsminister Claude Meisch das Luxemburgische gnadenlos auf: mit einem Aktionsplan für die nächsten 20 Jahre, einem Luxemburgisch-Kommissar, einem Luxemburgisch-Zentrum, einem Luxemburgisch-Rat und einer Luxemburgisch-Ausstellung.
Die geplante Sprachausstellung dürfte noch einmal den Aufstieg des Luxemburgischen vom Yolanda-Epos zum Superjhemp feiern. Sie dürfte Großluxemburg wieder auferstehen lassen. Von den ehemaligen Sprachgrenzen der Großregion über die Urenkel Ausgewanderter in Wisconsin bis zu den Siebenbürgern in Transsilvanien: Vielleicht sprach dort sogar Graf Dracula lëtzebuergesch.