Endlich: Paperjam verschickte seine neuste Nummer mit Wirtschaftsminister Franz Fayot als Coverboy. Dessen Vorgänger Etienne Schneider war von 2012 bis 2015 siebenmal auf der Titelseite. Mit schwärmerischen Schlagzeilen wie „Ministre en herbe“, „L’homme de la situation?“ und „Mister Business“.
Für das Wirtschaftsmagazin posierte Franz Fayot auf der Skater-Piste im Petrustal, modisch salopp in weißen Turnschuhen und ohne Krawatte. Trotzdem zögerte es anderthalb Jahre, um für den Wirtschaftsminister zu werben.
Vielleicht waren die besitzenden Klassen besorgt: Bei seiner Wahl zum Parteivorsitzenden hatte Franz Fayot sich 2019 „gegen den Kapitalismus als Gesellschaftssystem, aber für Marktwirtschaft“ ausgesprochen. Würde sich der LSAP-Minister mit dem OGBL verbünden, um eine andere Industriepolitik durchzusetzen? Die im globalen Wettbewerb nicht bloß die Dankbarkeit der Arbeiter für ihren Arbeitsplatz verlangt?
Ein solches Ansinnen lag Franz Fayot fern. Das Positionspapier „Krise und Aufbruch der LSAP“ der Fondation Robert Krieps von 2014 zählt das Wirtschaftsministerium nicht zu den „ausgeprägten Gestaltungsministerien“. Fayot ist einer der vier Zentrumsnotabeln, die das Papier verfasst haben.
Es sind nicht mehr die Gewerkschaften, die die Industriepolitik beeinflussen. Fage, Knauf und Google zeigen, dass dies inzwischen Bürgerinitiativen und Umweltschutzvereine tun. Die sind nicht mit Delokalisierung erpressbar. Ihre Mitglieder arbeiten woanders. Ratlos stehen Minister und Gewerkschaften in Düdelingen vor Liberty Steel.
Trotz Marktwirtschaft gibt es Minister für den Mittelstand, für die Landwirtschaft und für die Banken. Der Wirtschaftsminister ist für Industrie zuständig. Für eine Partei mit dem „Arbeiter“ im Namen wäre das eine reizvolle Beschäftigung. Franz Fayot beschränkt sich darauf, ökologischer und digitaler zu sein. Wie Etienne Schneider gibt er den linksliberalen Modernisierer. Aber ohne Rifkin Brothers and Barnum & Bailey. Er bleibt mit zwei Füßen auf dem Boden. Er greift nicht nach den Sternen und fährt nicht Rolls Royce. Der Verzicht auf den Rolls ist das Zugeständnis an Partei und Gewerkschaften.
Die LSAP will stets beweisen, wie gut sie verwalten kann. Pflichtbewusst gab der Minister beim Amtsantritt seine linken Sprüche an der Garderobe ab. Er redet stattdessen von Kits, Tools, Roadmaps und einer „plateforme d’échange de données très novatrice, afin de collecter des données“ (Paperjam, August 2021, S. 34).
Der Nachfolger Etienne Schneiders war überlegt gewählt: Als Geschäftsanwalt aus dem Stall Elvinger, Hoss und Prussen soll er Unternehmerfreundlichkeit wie unter Schneider gewährleisten. Als Nachwuchsreformer aus dem Parteiadel soll er das Misstrauen der Parteibasis zerstreuen. Die murmelt immer gleich: „Genosse der Bosse“.
Während seines kurzen Auftritts als Parteivorsitzender blieb der bald 50-Jährige der schüchterne junge Mann aus der „Stad“. Dafür kann die Industrie sich mit seinem linken Weltbild anfreunden: Als Zentrumspolitiker interessiert er sich für Immobilienvermögen. Als Geschäftsanwalt will er sie besteuern. Die alte Geschichte vom schaffenden und raffenden Kapital mit einem Schuss Piketty. Wie sich das schaffende Kapital vermehrt, geht niemand was an.
2013 erbte Franz Fayot den Parlamentssitz seines Vaters. 2018 unterzeichnete er einen offenen Brief und forderte die Parteiveteranen auf, ihren Platz für die Vierzigjährigen zu räumen. Zwei Jahre später fand er Gehör. Er wurde im Februar 2020 Minister. Gleichzeitig wurden die ersten Corona-Viren gemeldet. Das wurde der Stresstest für den in Verwaltungsdingen unerfahrenen Politiker. Seither durfte er Geld über die Unternehmen regnen lassen. Scheinbar verlangte das keinen politischen Standpunkt. So landete er auf der Titelseite von Paperjam.