Gelhausen, Roland: Marieland ouni Filter

Sprache als Ventil

d'Lëtzebuerger Land vom 26.01.2006

Roland Gehlhausen ist wahrlich nicht mehr aus der Theaterlandschaft wegzudenken. Schon lange schreibt er kabarettistische Texte so zum Beispiel von 1980 bis 1985 für das Kanecher Kabaret, aber auch für JB mat Äis, MM1 und nicht zuletzt hauptsächlich für den Cabarenert. Nun veröffentlicht er zu dessen Tournee mit Marieland ouni Filter einen Sammelband mit bisherigen Texten, die alle zwischen 1982 und 2005 geschrieben und aufgeführt wurden. Das Buch ist in vier Sparten aufgeteilt: "Poetesch", "Sozialktritesch", "Politesch" und "Einfach mënschlech", wovon der politische Teil den größten Stellenwert einnimmt. Die sechs Gedichte in "Poetesch" reimen sich alle in einfacher Weise. Sie sind leicht zugänglich, es mangelt ihnen jedoch etwas an Intellektualität, und sie klingen gar etwas altmodisch, besonders "Am léifste wéilt ech just en Teller" und "E Mäerchen". Den Titel Marieland ouni Filter leitet der Autor aus seiner Art ab, die Dinge ehrlich und ohne rosarote Brille zu betrachten. Auch die meisten Texte in "Sozialkritesch" sind gereimt, allerdings manchmal etwas peinlich aufgebaut. Mit "An eiser Gaass" ist dem Autor eine perfekte Inszenierung der kleinbürgerlichen Hausfrauenwelt gelungen. Überhaupt sind Gehlhausens Texte in "Sozialkritesch" eher als Attacke auf das Kleinbürgertum einzuschätzen denn als echte Sozialkritik. Lediglich unter dem Deckmantel eines Besoffenen in "Wat heescht hei Fräiheet" rückt der Autor der Gesellschaft auf die Pelle. Auf jene lustige Idee muss man kommen, der Autor kritisiert in "Eist Tamara an de Yochi" die Mode der Tamagochis. "Nee, wat si mer gutt" ist eine Kritik am ach so spendablen Kleinbürgertum. In "Modern Times" soll man sich eine Heirat zwischen einem Impotenten und einer Nymphomanin (!) vorstellen. "An der rue d’Alsace" ist schon von der Konstellation her zum Lachen: ein Zeuge Jehovas begegnet einer Prostituierten, später gesellt sich die Öslinger Sprachexpertin M.-J. Jacobs dazu, alle drei sind auf der Suche nach Kunden... Roland Gehlhausen ist ein Meister im Jonglieren mit Fachbegriffen. Mit Leichtigkeit und Ausdauer stellt er so manch absurde Situation dar und räumt dem Lacheffekt den größten Platz ein. Der Autor, selber Kabarettist, hat einen Hang zu verdrehter Komik mit gleichzeitig mehreren Anspielungen auf öffentliche Vorkommnisse. Auch auf Zwangsneurosen setzt er seinen Stoff an, so zum Beispiel in "Pressefräiheet", in dem ein vollkommen dem Verfolgungswahn verfallener Direktor seiner Chefredakteurin mitteilt, dass das, was zwischen den Zeilen steht, gestrichen werden soll! Der Autor ist ein perfekter Insider in Sachen Rhetorik. In "Bambeschklinik" lacht man sich gesund über den Dialekt von Carlo Wagner. Im politischen Teil malt er das politische Feld als reinste Zirkuskulisse aus. Im Wortverdrehen ist er ein As. Perfekte Imitation  kennzeichnen Gehlhausens Stücke. Maurice Molitor, Marc Thoma, Anne Brasseur und viele andere werden aufs Peinlichste dargestellt. Dem Autor gelingt es genüsslich, Skandale zu entlarven. Äußerst zynisch wird er in "Alles Öko oder wat?" Er lässt auch gerne seine Redner an den Fäden hängen und sich in Widersprüchlichkeiten verfangen. Manches Stück reicht ganz nah ans absurde Theater heran, in Kombination mit äußerst taktischen Sprachspielen. Auffallend ist, dass seine frühen Texte witziger sind als die rezenten, die doch mehr Zynismus bis Satire beinhalten. So wird ein Wähler in "Phone-Voting" in ein Sado-Maso-Spiel impliziert, fast schon makaber! Gehlhausen schafft sich Figuren, die hinter die Kulissen schauen dürfen, Putzfrauen, Köchinnen. Mit viel Fantasie lässt er seine Puppen tanzen. Die ausdrucksstarken Karikaturen sind von Carlo Schneider, die Fotos von Conny Scheel, Raymond Erbs und Pit Becker. Dem Buch liegt auch eine CD mit Live-Mitschnitten einiger Theatervorführungen bei. "Nee, wat si mer gutt" ist beseelt von starken, lebhaften Stimmen, und gut im musikalischen Rhythmus. "Wou bleiwt Genpol" ist ein engagierter, aber dennoch witziger Dialog zwischen Mann und Frau über Genmanipulation. Die Darsteller betonen gut, sprechen energisch und ganz deutlich. Im Monolog "Modern Times" echauffiert sich der Redner geradezu köstlich. Die Mitwirkenden sind die Gruppe vom Cabarenert: Monique Melsen, Marianne Pettinger, Pascal Granicz, Conny Scheel und Roland Gehlhausen sowie dessen Ehefrau Susy Lentz. Insgesamt ist die CD musikalisch (moskito productions) wie sprachlich ein absoluter Erfolg.

Roland Gehlhausen: Marieland ouni Filter, Buch mit Hör-CD, 2005; Selbstverlag, 287 Seiten, 19,50 Euro.

 

Carmen Heyar
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