Unsere Minister bekommen einen Ehren- beziehungsweise Ethik-Kodex. Endlich, denn irgendetwas hat uns wohl noch zum absoluten Glück gefehlt. Wir sind ja das Volk in Europa, dem es – natürlich nur statistisch gesehen – am besten geht. Gleichzeitig sind die Luxemburger auch Menschen, die ihrer Regierung und ihrem Parlament ein ganz besonders großes Vertrauen entgegenbringen, jedenfalls erzählen uns das die Eurobarometer-Befragungen. Vor diesem Hintergrund könnte man sich fragen, warum die Regierungsmitglieder überhaupt einen solchen Deontologiekodex benötigen? Wissen sie nicht von selbst, was sie zu tun und zu lassen haben? Brauchen sie Leitplanken, um auf dem rechten Weg zu bleiben? Entscheidungshilfen für besondere Anlässe? Spickzettel für die Beantwortung von Gewissensfragen wie: „Bin ich schon korrupt?” oder: „Hätte ich diesen Tribünenplatz (wo auch immer) oder dieses Geschenk (was und von wem auch auch immer) lieber nicht annehmen sollen?“
Das hat mich auch mein Sohn gefragt, als Minister Biltgen im März einige Eckpunkte der neuen Verhaltensregeln im Radio vorstellte. „Du Papa, was ist ein Deontologiekodex?“ – „Das sind Regeln, die eine wichtige Person im Rahmen ihrer Arbeit respektieren muss.“ – „Welche Regeln denn?“ – „Na ja, dass man etwa als Minister seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen macht, dass man objektiv ist und alle Bürger gleich behandelt, dass man sich nicht bestechen lässt, das heißt, keine unerlaubten Geschenke oder gar Geld annimmt. Außerdem darf man keinen Nebenjob haben.“ – „Aber das alles versteht sich ja von selbst, es ist doch normal, dass man so handeln muss. Warum braucht es dann noch so einen komischen Kodex?“ Soweit die Reaktion meines Sohnes.
Wo er Recht hat, hat er Recht. Was er nicht weiß, ist, wie dürftig dieser Kodex wahrscheinlich ausfallen wird. Stichwort Geschenke: Wie es ausschaut, so lautete zumindest der lakonische Kommentar im Radio, liegt es nach wie vor in der Verantwortung des Ministers zu entscheiden, ob er ein Präsent annimmt oder nicht. Stichwort „Rumnörgeln“. Über einen Kollegen oder eine Kollegin darf nicht gelästert werden. Regierungsentscheide dürfen nicht in der Öffentlichkeit kritisiert werden, nach dem Motto: „Mitgehangen, mitgefangen“. Jean-Pierre Chévènement würde sagen: „Un ministre, ça ferme sa gueule; si ça veut l’ouvrir, ça démissionne!“
Anderes heikles Thema: die Berufswahl „danach“. Natürlich kann ein Minister nach einer Abwahl oder einem Rücktritt in seinen Beruf zurückkehren, sofern er einen hat. Entscheidet er sich für die Privatwirtschaft, ist die Lage komplizierter. Aber auch auf diese Frage hat unsere Regierung eine Antwort, oder besser gesagt, eine Lösung parat: Ein Ethik-Komitee soll darüber befinden, ob ein Interessenkonflikt vorliegt oder nicht. Diese Expertengruppe wird mit Ex-Ministern, Ex-Abgeordneten, Ex-Staatsräten, Ex-Richtern und Ex-Beamten bestückt – man will wohl unter sich bleiben und sich nicht dreinreden lassen.
Beim neuen Ministerkodex wird es sich nicht um ein juristisches, sondern um ein rein politisches Regelwerk handeln. Bei Verfehlungen sind demnach „von oben“ keine Strafen und Sanktionen vorgesehen; diese müssen „von unten“, vom Volk und aus den Medien kommen. Weil oder wenn man Fehler macht, wird man an den Pranger gestellt. Ob’s was hilft? Bei Fragen und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Herrn Minister Biltgen, das (noch zu schaffende) Ethik-Komitee und ihren Arzt oder Apotheker. Selten so geschnarcht.