Luxemburg muss sich eine neue Gemeindestruktur geben. Viele Gemeinden sind in der Tat zu klein beziehungsweise flächenmäßig zu groß und gleichzeitig zu schwach bevölkert, um effizient arbeiten zu können. Das kommt daher, dass die Gemeindeaufteilung größtenteils noch aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt. Damals zählte das Land nicht einmal 200 000 Einwohner (eine „Stadt” wie Esch/Alzette weniger als 1 500!), die Wege waren weit und die Dörfer ziemlich überschaubar und genügsam im Vergleich zu heute.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden 130 Gemeinden gezählt. Lange Zeit tat sich nichts an der „Fusionsfront“ – warum auch? –, bis es dann in den 1970er Jahren gleich vier Zusammenschlüsse gab. Wurden 2005 immer noch 118 Ein-heiten gezählt, kam seitdem Bewegung ins Spiel, hauptsächlich im Landesnorden. Aktuell wird Luxemburg von 106 Gemeinden getragen – Tendenz fallend, wenn auch nur langsam. Die durchschnittliche Kommunalbevölkerung hat sich in sieben Jahren von ungefähr 3 900 auf 4 950 Einwohner erhöht, unter dem doppelten Einfluss des allgemeinen demografischen Wachstums und der fusionsbedingten Schrumpfung der Gemeindezahl. Trägt man der 100 000 Menschen zählenden Hauptstadt nicht Rechnung, fällt der Wert wieder auf 4 050 Einwohner zurück.
Rund 5 000 Einwohner, verteilt auf 24,4 Quadratkilometer (Durchschnittsgröße), damit könnte man schon arbeiten. Das Problem ist aber, dass es zu viele Gemeinden gibt, nämlich über 70, die diese kritische Masse nicht erreichen. 43 Kommunen zählen keine 2 000 Einwohner, acht sogar weniger als 1 000. Man muss natürlich bedenken, woher wir kommen: 1970 gab es noch 38 Gemeinden (in den heutigen Grenzen) mit weniger als 1 000 Einwohnern, in fünf davon wurde nicht einmal die Hälfte dieser Zahl erreicht.
Ein Blick über die Landesgrenzen hinaus zeigt uns, dass es Regionen gibt, in denen die administrativ-territoriale Zersplitterung noch viel fortgeschrittener ist als bei uns. Im Gegensatz zu Wallonien, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die alle zum Teil tiefgreifende Gebietsreformen durchgeführt haben, gibt es in Lothringen heute noch 2 339 Gemeinden. Eine durchschnittliche Kommune dort zählt nicht viel mehr als 1 000 Einwohner auf einer Fläche von zehn Quadratkilometern. Bei uns sind sie zweieinhalb Mal größer und zählen fünf Mal mehr Einwohner.
Frankreich ist bekannt für seine komplizierte räumliche Organisation, Stichwort millefeuille territorial. Vor der Erweiterung von 2004 zählte die Republik fast die Hälfte (!) aller Gemeinden der EU. Die Statistik erzählt uns, dass es im Jahr 2012 35 303 „zusammengelegte“ und 1 380 verbandsfreie Gemeinden gab, also insgesamt 36 683 Stück. 31 590 davon (86 Prozent) zählten weniger als 2 000 Einwohner; mehr als 20 000 (!) weniger als 500 Einwohner und ungefähr 30 nicht einmal zehn Einwohner. Auch sie haben natürlich einen Bürgermeister und einen kompletten Gemeinderat. Abgese-
hen von sechs Gemeinden, die „für das Vaterland gestorben sind“ (sie wurden 1916 während der Schlacht von Verdun komplett zerstört und nie mehr aufgebaut), kann es vorkommen, dass eine französische Gemeinde plötzlich ohne Einwohner da steht, nach dem Motto: „Der Letzte macht das Licht aus“. Dieses Gebiet wird dann kommissarisch verwaltet, bis eine andere Lösung gefunden ist. So etwas wird in Luxemburg nicht vorkommen, was aber nicht heißt, dass wir die Hände in den Schoß legen sollten. Frankreich kann uns in manchen Bereichen vieles beibringen, in Sachen Gebietsreform aber eher nichts.