Leitartikel

Ideenwettbewerb

d'Lëtzebuerger Land vom 25.09.2020

Dass eine Umweltschutzorganisation sich über den Luxemburger Renten-Kompensationsfonds äußert, erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich. Greenpeace Luxemburg aber hat „grüne Finanzen“ zu einem ihrer Schwerpunkte gemacht, weil das Großherzogtum mit seinem Finanzplatz darin ein Vorreiter sein will. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass die Organisation sich mit dem fast 20 Milliarden Euro schweren Kompensationsfonds (FDC) befasst, in dem die Rentenreserve liegt.

Am gestrigen Donnerstag stellte der deutsche Ökonom Martin Granzow eine Analyse im Auftrag von Greenpeace vor. Er kommt darin zu dem Schluss, dass der FDC 2019 mehr als 259 Millionen Euro in einige der größten Kohleunternehmen der Welt investiert hatte und einige seiner „nachhaltig“ verwalteten Teilfonds, die sogar ein Label tragen, in Ölunternehmen wie Shell, BP oder Chevron. Sich von solchen Investitionen zu trennen und sie in Zukunft nicht mehr zuzulassen, sagt Martin Granzow, sei nicht nur verantwortlich im Sinne des Klimaschutzes. „Nachhaltige“ Kapitalanlagen hätten außerdem gegenüber konventionellen Anlagen „keine systematischen Nachteile bei Rendite und Risiko“. Zahlreichen Studien zufolge seien sie sogar im Vorteil.

So einleuchtend das klingt, so dringend das Klimaproblem ist und so plausibel das Argument, wonach zur Begrenzung der Erderwärmung so viele Investitionen nötig sein werden, dass keine an fossile Industrien verschwendet werden sollten: Eine Begrünung des Kompensationsfonds ist letzten Endes eine politische Frage. Zahlreichen Studien zufolge Vorteile und anderen zufolge womöglich nicht? – Weil es dabei um das Rentengeld geht, kann darüber nicht einfach so der Fonds-Präsident entscheiden und auch sein Verwaltungsrat nicht.

Denn der Kompensationsfonds ist eine sehr luxemburgische Einrichtung: Mit einem minimalen Personalaufwand und starker Delegation an externe Asset-Manager wird ein Milliardenvermögen verwaltet, ohne dass dabei zu hohe Verwaltungskosten entstehen. Gleichzeitig ist dem Fonds per Gesetz aufgetragen, für die „Zukunftssicherung“ der Renten zu sorgen. Das ist eine eher konservative Mission, vor allem an die Sicav des Fonds, die das Gros der Rentenreserve an den internationalen Finanzmärkten investiert. Zu sehr Experimentieren soll sie dort nicht, damit um Himmels Willen kein Rentengeld verloren geht. Dazu kam es bisher erst einmal, 2018. Ansonsten verdiente die Sicav Geld, meist sogar über ihr strategisches Ziel hinaus.

Das dürfte auch erklären, weshalb es zwar immer wieder zu Diskussionen im Parlament über „nachhaltige“ Investitionen der Rentenreserve kam, und erst am 2. Juli wieder zu vertiefenden Gesprächen im parlamentarischen Sozialausschuss. Aber noch zu keinem Ansatz für eine Gesetzesänderung, obwohl die laut Koalitionsvertrag zumindest „studiert“ werden soll. Und während vor zehn Jahren vor allem déi Lénk dafür eintrat, die Rentenreserve für den öffentlichen Wohnungsbau einzusetzen, 2013 die LSAP die Idee aufgriff, konnte sich 2018 plötzlich die DP vorstellen, das Rentengeld auch zum Aufkauf von Bauland für die öffentliche Hand zu nutzen. Geschehen ist bisher nichts, obwohl die Idee es ins Koalitionsprogramm geschafft hat.

Vielleicht ist der tiefere Grund einfach der, dass zu viel Debatte um den Fonds, seine Sicav und die Rentenreserve nicht gewollt ist, weil gefürchtet wird, dass daraus eine Rentendiskussion würde. Abseits der Ideenwettbewerbe, aus denen am Ende doch nichts wird, arbeitet der FDC dennoch an verantwortlicheren Investitionen. Die Zeiten, dass er sich dabei erwischen lassen musste, in Streubomben investiert zu haben, sind zehn Jahre her. Auch Greenpeace erkennt an, dass der Fonds sich bemühe, findet aber, er könne noch weiter gehen. Was dann aber wieder in die Politik führt.

Peter Feist
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