Muss man sich wundern, dass Luxemburger Gewerkschaftler offenbar nicht sehr achtsam dafür sind, dass es im Rentenalter nicht dasselbe ist, ob man in den eigenen vier Wänden wohnt oder zur Miete? Ja und nein. Ja, weil die Salariatskammer (CSL) am Montag eine Note des réflexions et des propositions zum Thema Renten vorstellte und darin, wie schon oft, darauf verweist, wie spekulativ die Szenarien der EU-Kommission in dem alle drei Jahre publizierten Ageing Report sind. Die letzte Ausgabe vom Frühjahr 2015 enthielt den „1,2-Millionen-Einwohnerstaat“ für das Jahr 2060, in dem die Renten in der derzeitigen Höhe aber dennoch nicht sicher seien, auch mit der Pensionsreform von 2012 nicht.
Neben dem Ageing Report erscheint auch ein Pension Adequacy Report. Dem letzten zufolge waren 2013 in Luxemburg 6,2 Prozent der über 65-Jährigen von Armut bedroht. Im EU-Durchschnitt waren es 13,8 Prozent. Die Zahlen werden für Luxemburg aber viel weniger beruhigend, wenn man Hausbesitzer und Mieter im Rentenalter vergleicht: Bei Ersteren lag das Armutsrisiko 2013 bei 5,4 Prozent, bei Letzteren mit 11,6 Prozent mehr als doppelt so hoch. Da der Adequacy Report dies als ein Problem für Luxemburg benennt – neben dem „Gender Gap“ –, ist es verwunderlich, dass die CSL in ihrer Note an vorderster Stelle gegen die Diskriminierung der Frauen „kämpfen“ will, wenn sie für die nächsten Jahre „strukturelle Verbesserungen“ bei den Renten anmahnt, aber nichts zu dem anderen Adäquatheits-Problem sagt.
Zu tun haben könnte dies nicht nur damit, dass 80 Prozent der Luxemburger Rentner Eigenheimbesitzer sind. Sondern auch damit, dass die Frage, wie man das Mieter-Altersarmutsrisiko senken könnte, weiter führt und bei der endet, wie viel Geld ein Mensch im Alter hierzulande denn braucht. Wer zur Miete wohnt und sich das kaum leisten kann, für den mindert schlimmstenfalls das RMG die größte Not. Doch zu erklären, das RMG reiche hin nach einem Arbeitsleben, ist weder eine würdige Behauptung, noch ist sie faktisch zu halten.
Wie viel Geld ein Rentner hierzulande braucht, ist eine politisch höchst brisante Frage. Sie beantworten zu wollen, dürfte nicht nur auf die Renten abstellen und auf Eigenheimbesitz einerseits oder Wohnen zur Miete andererseits. Ersparnisse und private Altersvorsorgeverträge wären zu bedenken – die sich in jüngeren Jahren eher leisten kann, wer seinen Immobilienkredit abgezahlt hat und keine bis zu vierstellige Summe monatlich an einen Vermieter zahlen muss. Gefragt werden müsste aber auch, welche Umverteilungen zwischen den Generationen die im Schnitt hohen Renten hierzulande ermöglichen und inwiefern sie „Enkelkindergeld“ sind. Weiterhin, welche Ausgaben im Alter die Pflegeversicherung zu vermeiden hilft, die auch eine „Erbenschutzversicherung“ ist und dazu beiträgt, dass möglichst viel Vermögen weitervererbt werden kann, zumal in direkter Linie keine Erbschaftssteuer fällig wird.
Das sind Fragen, die zu beantworten wären, sollte es in Luxemburg eines Tages eine einigermaßen gerechte Pensionsreform geben. Wahrscheinlich beantwortet man sie nicht, wenn die Rentenreserve fünf Jahresausgaben schwer ist. Denn das politische Risiko könnte darin bestehen, dass sich zum Schluss ergibt, dass die Renten am unteren Ende der Skala viel zu niedrig sind, man die am oberen Ende dagegen zu hoch nennen könnte. Man könnte plötzlich in dem Szenario enden, das 2009 die Generalinspektion der Sozialversicherung an die Tripartite gab: Mit den Reserven eine auskömmliche Versorgung abzusichern und den Rest der individuellen Vorsorge zu überlassen. In Luxemburg wäre das ein immenser Bruch. Zumal dann von den Beamtenrenten im Übergangsregime zu reden wäre. Deshalb wird es hier wohl nie eine einigermaßen gerechte Pensionsreform geben.