„Schauen Sie sich diese Tasse an“, sagt Simon Tritz zu seinem Journalistenbesuch, mit dem er in seinem Büro bei einem Kaffee sitzt. „Wenn die Herstellung der Tasse drei Euro gekostet hat, dann können darin Reinigungskosten von fast einem Euro stecken.“
Wer hätte das gedacht: Der Aufwand zum Putzen kann in der Industrie bis zu dreißig Prozent vom Gestehungspreis eines Produkts ausmachen. Das klingt nach einer Menge Geld. „Das ist enorm!“, bestätigt Tritz und nickt nachdrücklich. Daraus folge, dass nicht wenig Geld sparen kann, wer clever putzt. Wie das geht, weiß Simon Tritz und hat daraus seine Geschäftsidee gemacht. Dieses Jahr war er damit nominiert für den Preis des Meilleur créateur d’entreprise dans l’artisanat, den die Handwerkskammer vergibt. Tritz’ Firma BSI Cleaning biete „Nettoyage 4.0“ an, hielt die Handwerkskammer fest. Das erinnert an „Industrie 4.0“. Schickt Simon Tritz Putzroboter zu seinen Kunden?
Das nicht gerade. Aber „intelligenter“ machen will er Reinigungsprozesse. Selbst an automatisierten Fließlinien in der Industrie, wo Roboter zu Werke gehen, werde mitunter noch von Hand geputzt, mit Bürsten oder Schwämmen. Tritz versucht das durch Technologien zu ersetzen, die zugleich ökologisch sind. Oder sie, wenn möglich, in die Produktionslinie zu integrieren. Eventuell kommt dann ein Roboter zum Einsatz. Keiner mit einer Bürste in der Maschinenhand, sondern vielleicht einer, der einen Plasmastrahl über zu reinigende Teile fährt. Ein solches Roboter wird in der Werkhalle von BSI Cleaning derzeit montiert. „Wir bauen Reinigungslösungen in Produktionsabläufe ein, oder wir putzen selber.“ Sei es, dass BSI Cleaning dann zu den Kunden fährt, sei es, dass die ein zu säuberndes Teil abgeben. Privatleute tun das zum Beispiel, bringen Autoteile oder Kunstwerke an. „Unsere Lösungen sind nicht nur für die Industrie gut“, betont Tritz. „Meine Anfangsidee war sogar, nur für Privatleute tätig zu werden, aber die habe ich dann fallengelassen.“
„4.0“ an seiner Firma sei die Expertise, die jeder Kunde erhält. So ähnlich, wie „Industrie 4.0“ verspricht, durch Vernetzung von Produzenten und Lieferanten derart flexibel auf Kundenwünsche eingehen zu können, dass selbst in einer Serienproduktion viele Unikate hergestellt werden, so verspricht Simon Tritz jedem Kunden eine maßgeschneiderte Reinigungs-Lösung. So etwas, behauptet er, biete auf der ganzen Welt kein anderes Unternehmen an. „Raffinierte Reinigungs-Technologien haben viele im Angebot, wir auch. Doch die anderen haben Kataloge mit One size fits all-Lösungen. Wir nicht.“
BSI Cleaning hat drei Technologien im Portfolio: Da wären zum einen die Trockeneis-Pellets, die ein Hochdruck-Luftstrom auf die zu reinigende Oberfläche schießt. In der Lebensmittelindustrie und der Gastronomie wird das viel genutzt. Da wäre zweitens die Laser-Reinigung, mit der Rost und Beschichtungen abgelöst oder Teile für neue Beschichtungen vorbereitet werden. Und drittens die Plasma-Reinigung: Tritz nutzt eine Methode, bei der Druckluft unter Hochspannung in elektrisch geladene und neutrale, deshalb chemisch sehr reaktive Teilchen zerlegt wird. Auf die zu reinigende Oberfläche wirkt das Bombardement mit den Teilchen sowie deren chemische Reaktion. Und die Temperatur des Plasmas, die mit 200 bis 300 Grad Celsius aber niedrig genug ist, dass sich mit dem Verfahren sogar Papier reinigen lässt – vorausgesetzt, der Plasmastrahl wandert schnell genug darüber, so dass es kein Feuer fängt.
Für die meisten Probleme, sagt Simon Tritz, ließen sich zwei der drei Verfahren anwenden. Welches das Beste ist und wie es konfiguriert werden muss, um dem Kunden optimal zu nützen, kläre die Vorab-Studie. „Darin besteht meine Innovation. Die Technologien selber gibt es schon länger, die Trockeneis-Reinigung ist schon 30 Jahre alt. Ich verkaufe nicht bloß etwas, ich komme meinen Kunden auch entgegen und mache sie zufriedener. Das stellt auch mich zufrieden, das ist sehr wichtig für mich.“
Die Idee, es anders machen zu wollen als die anderen und maßgeschneiderte Lösungen anzubieten, kam Simon Tritz in seiner früheren Tätigkeit als Ingenieur. Zehn Jahre lang war er in der Industrie tätig, vor allem in größeren Gruppen, hatte leitende Positionen in der Konzeption von Maschinen und der Technologieentwicklung inne. „Auf Reinigungsprobleme stieß ich immer wieder. Als ich sie zu lösen versuchte, bekam ich Besuch von Vertretern mit Katalogen, die mir erzählten, jene Lösung sei noch besser als diese, die aber ebenfalls nicht ganz schlecht sei, weil immerhin besser als eine dritte. Ich verstand nichts, wie sollte ich auch?“
Es war diese Unzufriedenheit, die Tritz’ Geschäftsidee keimen ließ. Eigentlich, sagt der Franzose, der seit 2007 in Luxemburg arbeitet, von sich selber, ein geborener Unternehmer zu sein. „Ich wollte schon als kleiner Junge meine eigene Firma haben. Das hat mich nie losgelassen. Doch auf die gute Idee musste ich warten.“
Vor sechs Jahren begann er sein Unternehmen zu konzipieren. Vor fünf Jahren hob er es aus der Taufe, blieb aber bis 2017 in seiner früheren Anstellung, wenngleich am Ende nur noch halbtags. „Ich bin jemand, der es überhaupt nicht mag, nicht Bescheid zu wissen“, sagt Simon Tritz über sich selbst. „Ich wollte lernen, ehe ich loslege, und habe gelernt – von Buchhaltung über Marketing bis hin zu internationalen Finanzen.“ Administrativ sei es nicht schwer, Unternehmer zu werden. „Das ist innerhalb eines Monats erledigt.“ Doch ein angehender Betriebsgründer könne kaum genug wissen: „Es wagen viele diesen Schritt, davon ist viel in den Medien die Rede, wieso auch nicht. Doch die meisten sind nach ein bis zwei Jahren am Ende, sind vielleicht zu schnell vorgegangen, haben sich im Personal geirrt oder im Marketing.“ Man dürfe nicht verheimlichen, mit welchen Opfern es verbunden ist, Unternehmer zu werden: „In den ersten drei Jahren arbeitet man 80 Stunden die Woche und muss alles selber machen.“
Im Juni zog Tritz mit seiner Firma in den Technoport in Foetz, einen „Inkubator“, den das Wirtschaftsministerium betreibt. Vom Technoport schwärmt er. Nicht nur, weil er dort neben Büroräumen auch eine Werkhalle für einen guten Preis mieten konnte – „zu Beginn hatte ich ein Büro in Luxemburg-Stadt und habe Maschinen daheim in meiner Garage montiert“ –, sondern auch, weil der Inkubator, der mehrere Gebäude und Hallen im Gewerbegebiet Foetz umfasst, „wie ein Ökosystem“ sei. „Man hat den Eindruck, zu einem Ganzen zu gehören; das ist für einen Firmengründer nicht zu unterschätzen.“
Die Sache mit dem Ökosystem, allerdings in größerem Maßstab, sei übrigens auch einer der Gründe, weshalb er seine Firma in Luxemburg und nicht in Frankreich angesiedelt habe: „Hier sind die Beziehungen zwischen Unternehmen generell intensiver als in Deutschland oder Frankreich, das ist gut fürs Geschäft.“ Für Simon Tritz wiegt das die Kostenfrage auf – weniger die der Gehälter, vielmehr die der Betriebsanlagen: „In Frankreich kostet eine Halle halb so viel.“ Die relative Nähe zwischen den Firmen hierzulande nutzt er, so gut er kann. „Wenn möglich, greife ich auf lokale Lieferanten zurück, und ich habe auch viele.“ Die liefern zum Beispiel Komponenten für die Reinigungsautomaten, die Tritz in der Halle in Foetz montieren lässt. Ein bis drei Monate dauere so eine Montage. Neben Reinigungslösungen bietet BSI Cleaning auch Trockeneis an. Die Eis-Pellets für die Hochdruckreinigung stellt die Firma selber her und über den Eigenbedarf hinaus: „Wir sind der einzige Trockeneis-Produzent in Luxemburg.“ Im Dezember sei der Bedarf wegen des Weihnachtsessen-Geschäfts besonders groß. Um die 15 Tonnen liefert Tritz dann an Läden und Restaurants.
Der zweite Grund, der für ihn für Luxemburg spricht: „Die Reputation der Luxemburger Industrie im Ausland ist sehr gut. Ich merke das, weil ich viel international unterwegs bin.“ Es komme zwar vor, dass jemand ihn fragt: „Ach, aus Luxemburg kommen Sie, da gibt es nicht nur Banken?“ Auf so eine Frage hin einen lebenden Beweis dafür antreten zu können, dass der Finanzplatz nicht alles ist, sieht Tritz als „Exportleistung“, die er zusätzlich erbringt.
Im Ausland ist BSI Cleaning zunehmend aktiv. Tritz hat dort Franchise-Nehmer, vier in Frankreich, zwei in Deutschland und je einen in Belgien, Portugal und Marokko. Sie vermarkten Expertisen-Leistungen und treten als Subunternehmer auf. Ein Start-up sei sein Unternehmen nicht mehr, erklärt Tritz. „Vor ein paar Monaten haben wir den Break-even point überschritten. Ich denke aber, die Frage, Start-up oder nicht, ist weniger eine ökonomische als eine psychologische.“
Das nächste Jahr werde eines der Veränderungen, sagt Tritz. BSI Cleaning hat potenzielle Investoren auf sich aufmerksam gemacht. Was genau sich daraus ergeben wird, kann Tritz noch nicht sagen, aber die Auftragslage der Firma sei so gut, dass die derzeit neun Mitarbeiter nicht mehr reichen. Weiteres Wachstum erfordere Kapital. Der potenzielle Markt sei groß. „Es gibt ja überall Reinigungsprobleme.“ Manchmal ist ihre Lösung sogar mit einem besonderen Erlebnis verbunden. Tritz erinnert sich, wie er selber mit Mitarbeitern eine Woche in einem Weltraum-Observatorium in Südfrankreich mit der Reinigung der Spiegel von Teleskopen zubrachte. „Wir haben in der Zeit auch da gewohnt und natürlich immer wieder durch die Teleskope geschaut. Das war fantastisch, man hatte den Eindruck, im Weltraum zu sein.“