Kommt die Rede auf das geplante Google-Datenzentrum, verweisen Kritiker auf dessen vermutlichen Bedarf an Strom und Kühlwasser. Zu Recht: Als LSAP-Wirtschaftsminister Etienne Schneider vor zwei Jahren Reklame für die Server-Farm machte, schwärmte er, sie werde mehr Strom verbrauchen als alle Elektrostahlöfen von Arcelor-Mittal hierzulande zusammengenommen, und das werde die Strompreise sinken lassen. Lange benutzte er dieses Argument aber nicht, jedenfalls nicht in aller Öffentlichkeit. Die Aussicht, dass der Stromverbrauch Luxemburgs nach dieser Rechnung um ungefähr 40 Prozent höher läge als heute, taugt nicht gut zum Marketing, wenn klimapolitisch überall Energiesparen angesagt sein soll.
Doch der moderne Datenverkehr ist energiehungrig. Datenzentren sind daraus schwer wegzudenken. Schneiders Nachfolger im Energieressort, der Grüne Claude Turmes, meinte unlängst, solche Zentren liefen dem Klimaschutz zuwider. Eigentlich. Andererseits weiß er, dass daraus folgen müsste, den Datenverkehr einzuschränken. Doch wie? Indem Video-Streaming mit einer CO2-Steuer belegt wird, genauso wie jeder Datei-Transfer in der „Cloud“? Was soll sein, wenn die Digitalisierung weitergeht: mit Supercomputern, vernetzten Autos oder mit Fabriken, die mit Zulieferern ständig in Verbindung stehen, wie das mit „Industrie 4.0“ gemeint ist? Und lässt sich Server-Aktivität überhaupt lokal zuordnen? Wer weiß schon, an welchen Orten der Welt Computer anspringen und Bits hin und her schaufeln, weil man die eine oder andere Internet-Aktivität ausgelöst hat?
Vielleicht laufen Datenzentren noch mehr als dem Klimaschutz jenem Freiheitsgedanken zuwider, der dem Internet in seinen Anfängen zugrunde lag. „Datenzentrum“ verweist auf Zentralisierung. Das ursprüngliche World Wide Web, das in den Neunzigerjahren der Physiker Tim Berners-Lee erfunden hatte, war dezentralisiert. Riesen-Server gab es nicht, Web-Seiten lagerten auf individuellen Computern, an Universitäten, Firmen oder auch in Wohnzimmern. Eine Web-Seite zu „hosten“, setzte voraus, seinen Computer mit dem Internet verbinden zu können.
Es setzte allerdings auch voraus, den HTML-Code zu beherrschen, über den im WWW die Verständigung stattfindet. Ebenso war es nur im Prinzip möglich, dass jeder und jede sich seinen oder ihren eigenen E-Mail-Server einrichtete: Die dazu nötigen Software-Protokolle waren – und sind nach wie vor – ebenso offen und öffentlich wie HTML. Damit umzugehen, ist für die meisten Menschen aber viel zu schwierig. Und so schlug die Stunde der Internet-Dienstleister. Hotmail war 1996 ein Start-up, das es jedermann mit einem Internet-Anschluss ermöglichte, sich ein E-Mail-Konto einzurichten, ohne darüber nachdenken zu müssen, was der Betrieb eines eigenen Mail-Servers bedeutet. Innerhalb eines Jahres hatte Hotmail 8,5 Millionen Nutzer und wurde von Microsoft übernommen. Heute wird das Web von einer Handvoll globaler Unternehmen dominiert. Facebook ist mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung angeschlossen; viele meinen, das Web sei nicht mehr als Facebook.
Aber auf diese Art ist das Web einfach bequem. Datenzentren sind Teil davon. Wer das Internet auf die am einfachsten verfügbare Weise benutzt, tut das über große Drehscheiben, wie Facebook oder Google. Dass dabei Energie verbraucht wird, ist zwangsläufig. Ob der Verbrauch in einem dezentralisierten Netz kleiner wäre, ist die Frage. Klar ist dagegen, dass, wer das Netz nutzt, etwas von sich gibt. Je zentralisierter das Netz ist und von großen Konzernen beherrscht wird, desto mehr gibt man etwas von sich auf. Nicht darüber nachdenken zu wollen, was mit seinen Daten geschieht, ist ähnlich bequem, wie sich nicht über die Erderwärmung sorgen zu wollen.