Oder den Balkon. Oder den Blumentopf. Es muss zwar nicht unbedingt geackert und gerackert werden, und Regenwürmer gevierteilt, dass man noch mehr fleißige Gratisgehilf*innen hat. Man muss ja nicht im Schweiße seines Angesichts zupfen, rupfen, auf etwas einhacken, die Scholle von Elternteil Erde klein kriegen und besiegen und besamen Amen.
Aber sich der Anschauung widmen in dem was gerade da vor sich geht, das schon. Was plötzlich stolz und unheilbar jung vor uns steht, einfach so, nicht gebucht, nicht bestellt, und doch von dieser Welt. So was von. Was los sprießt von selber, so drauf los, ohne Ausweis, daher gelaufen, so angeweht aus einem Irgendwo. Grün hinter den Ohren, es bunt treibend, einfach so. So lebenswunderbar. Dann sich pragmatisch mit der Nachbarin arrangiert, jetzt wo man halt da ist. Was später abgeht, wenn man sich zu Leibe rückt, die Krallen ausfährt, wenn die Euphorie sich legt und das Gerangel einsetzt, darüber können wir jetzt nicht nachdenken. Es ist gerade jubelschön.
Einen Schluck Wasser spenden aber auf jeden Fall und prinzcharlig Konversation betreiben mit den Schößlingen und Sprösslingen, alten Bekannten vom letzten Jahr und Neugeborenen, die es hierher verschlagen hat. Sind sicher auch Illegale dabei, welche die hier nichts zu suchen haben und nichts verloren und all den bodenständigen Einheimischen dann an den Kragen gehen mit ihren giftgrünen Krallen, eine Tigermücke wird gleich mitgeliefert.
Vielleicht eine Brennnessel verspeisen, nachdem man sich tausendmal entschuldigt hat? Den Löwenzahnkopf doch nicht, die Blätter erst, wenn sie schon ledrig sind, ok für dich, Sonnenhäuptling? Man kann dich fressen von oben bis unten, du schenkst uns Honigsüße und bittere Wurzeln, auch optisch bist du top, zuerst der Sonnenstrahlschopf, dann die adrette Frisur der Rentnerin der Siebzigerjahre. Tipptopp. Dann rücken die Kinderbarbar*innen an, machen all dem den Garaus. Pusten das Blümchen aus. Weg. Und nächstes Jahr dann Babylöwenzähne! So geht das.
Im Mittagslicht ist all das auszuhalten. Weil der Flieder singt seine lila Lieder, der Frühling ist ausgebrochen und der Kitsch, wer will noch über Krieg reden? Der auch ausgebrochen ist, und der jetzt einfach weiter macht. Putin hat einen kurzen Auftritt vor seiner rötlichen Kulisse während Quadrate aus Menschenmaterial sich ferngesteuert durchs Bild schieben. Uff!, der Vater ist heute gut gelaunt, heute gibt es keine Prügel, Kinder, atmet die sich selbst so nennende Welt auf, sicher drückt er heute nicht auf den roten Knopf, wie es hieß, als die Alten jung waren. Er hat gar keinen roten Kopf.
Aber die meisten Zuschauer*innen haben sowieso schon abschaltet, das Drehbuch stockt, die Handlung verläuft ohne Höhepunkte, der Kriegsfilm ist langweilig. Welten entfernt ist dieser Krieg wenn die Sonne auf den Crème auf dem Place d’Armes scheint. Seltsam abstrakt, wenn die deutschen Intellektuellen auf Talkshowsesseln mit schwerem Geschütz aufeinander losgehen. Wer jetzt der Blauäugigste ist, wer eine Kriegstreiberin, männliche Arroganzen klirren aneinander. Der Botschafter und der Philosoph. Sieben Panzer werden gezählt. Dann sagen alle, dass gerade Menschen sterben, darin sind sie sich einig.
Auch die Virus- Offensive stockt, die Defensive rüstet aber schon auf. In Shanghai wird der Virus ausgehungert, und seine Wirt*innen auch.
Aber jetzt ist Früh-Ling, Lenz tingelt durch die Lande und verdreht die Köpfe. Wie jedes Jahr. Wir stecken die Nasen in Pollen- und in Eisbecher, das Eis schmilzt. Aber bitte jetzt nichts von Gletschern. Vom brennenden Haus, vom Haus Europa, in dem es schwelt.
Was hat all das mit einem bestellten Garten zu tun? Mit frommer Arbeit, über die Scholle gebeugt, in der Unheimliches vor sich geht, „in Wirklichkeit“? Nichts.
Es ist eher das Ausbüxen. Jetzt, wo uns alles über den Kopf wächst, das ganze Zeug, das ganze grüne Zeug auch noch. Kurz mal nichts mit Katastrophe. Kopf im Sand und in den Wolken, zwischendurch, bevor wir ihn verlieren.