Mäi Wéngert Léon Glodens Büro im Innenministerium in der Rue Beaumont ist am späten Montagnachmittag fast leer. Die Regale, das Pult und der Glastisch mit Stühlen stammen noch von seiner Vorgängerin, genau wie die beiden den Klimawandel thematisierenden Kunstwerke an der Wand – Luxembeach und Paradise Lost des Minetter Künstlers Serge Ecker. Die Bilder gehen bald zurück an das Kulturministerium, das sie Taina Bofferding (LSAP) nur geliehen hatte. Léon Gloden (CSV), dunkelblauer Nadelstreifenanzug mit hellblauem Nadelstreifenhemd, hat seine eigene Dekoration mitgebracht. Auf einer Kommode liegt ein Triptychon des 2017 verstorbenen Miseler Malers Nico Hienckes: „Déi hat ech mer extra maache gelooss, wéi ech 2007 Associé gi si bei Elvinger Hoss Prussen“, erzählt er dem Land. Die drei Bilder zeigen jeweils die Wellen der Mosel, ein altes Testament und ein Notenblatt des Lieds Mäi Wéngert des erzkonservativen und während der Besatzungszeit als „deutschfreundlich“ geltenden Moseldichters Nikolaus Hein, die der Künstler mit Rost überzogen hat – Hienkes’ Markenzeichen.
Auch personell hat der neue Innenminister bereits für klare Verhältnisse gesorgt. Als Ersten Regierungsrat und „Kabinettsdirektor“ hat Léon Gloden Steff Schaeler berufen. Schaeler ist langjähriges CSV-Mitglied und war, wie Gloden, einst Teil des Cercle Joseph Bech. Von 2007 bis 2013 war er Präsident des konservativen Lobbyvereins Famill 2000 - Ligue luxembourgeoise pour la reconnaissance du travail au foyer, der sich gegen die „Einkasernierung“ von Kindern in Betreuungsstrukturen und die „steuerliche Diskriminierung von verheirateten Paaren mit Kindern“ einsetzte. Bevor er sich als Berater im Bereich Abfallwirtschaft selbständig machte, war Schaeler 22 Jahre Direktor des interkommunalen Abfallsyndikats der Gemeinden aus der Region Grevenmacher, Remich, Echternach (Sigre) und 18 Jahre Sekretär des von Bürgermeister Léon Gloden präsidierten interkommunalen Syndikats Siaeg, das die Aktivitätszonen Potaschberg und Port de Mertert verwaltet.
Zum neuen Regierungsrat und PR-Beauftragten im Innenministerium hat Gloden Claude Feyereisen ernannt. Der 47-Jährige war bis vor einigen Wochen noch politischer Berater der CSV und Stellvertreter von Fraktionssekretär Ady Richard. Davor war er Lokalchef beim Wort, bevor er 2017 nach dem vom damaligen Saint-Paul-Präsidenten Luc Frieden erzwungenen Weggang von Jean-Lou Siweck neben Marc Schlammes stellvertretender Wort-Chefredakteur unter Friedens Nachbar Roland Arens wurde. Als Mediahuis das Verlagshaus übernahm und nur noch einen einzigen Chefredakteur wollte, Feyereisen aber die Leitung der Lokalredaktion anbot, lehnte dieser ab und wechselte zur CSV.
Die von Taina Bofferding im Innenministerium eingestellten Öffentlichkeitsbeauftragten Eric Ewald und Nathalie Schmit haben sich schon neue Jobs gesucht. Der parteilose Ewald – ehemaliger RTL-Journalist – wechselt am Montag zum Radio 100,7; Schmit, Mitglied der LSAP-Parteileitung, wird im Frühjahr in die sozialistische Fraktion zurückkehren, wo sie als Sekretärin oder Koordinatorin eine leitende Funktion übernehmen soll.
Fassade „Ech sinn am Fong e ganz patente Kärel“, verteidigt sich der neue Innenminister im Gespräch mit dem Land gegen die politischen und persönlichen Angriffe, die in den vergangenen Wochen gegen ihn gerichtet waren, weil er die Entscheidung seiner sozialistischen Vorgängerin, die Reglement-Änderung über das Bettelverbot der Stadt Luxemburg nicht zu genehmigen, gekippt hatte. Er sei sich bewusst, dass er manchmal arrogant wirke, aber das sei nur eine Fassade, die er aufbaue, bis er wisse, mit wem er es zu tun habe, und er sicher sei, dass er diesen Leuten vertrauen könne, sagt Léon Gloden. Er kann nicht verstehen, wieso gerade er zur Zielscheibe der Kritik wurde – dass die Mauer seines Hauses mit dem Slogan „Nee zum Heescheverbuet“ besprüht wurde und die Autoreifen seines Sohnes zerstochen wurden – und nicht etwa die Stater DP-Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) oder eine/r ihrer Schöff/innen, die ja eigentlich das Bettelverbot erlassen haben, das er als Minister „lediglich“ genehmigt hat.
Bezeichnend ist aber, dass es Léon Glodens erste Amtshandlung nach seiner Vereidigung zum Innenminister war. Wenn er sie mit Fristen infolge des Einspruchs vor dem Verwaltungsgericht der Stadt Luxemburg gegen die Entscheidung Bofferdings begründet, klingt das fadenscheinig und unglaubwürdig. Denn Léon Gloden ist selbst fest davon überzeugt, dass Betteln verboten sein muss. Während Lydie Polfer ihren Law-and-Order-Diskurs vor allem im Gemeinderat der Stadt Luxemburg verbreitet, hat Gloden ihn zusammen mit seinem Parteifreund, dem Stater CSV-Schöffen Laurent Mosar, ins Parlament übertragen. Seit 2016 setzte er sich als Abgeordneter für eine stärkere Bekämpfung von Kleinkriminalität, Drogenhandel und Bettelei ein. Mit Behauptungen wie „eleng ronderëm de Royal Hamilius souzen op 100 Meter dräi bis véier Heescherten. Hei huet een d’Impressioun, datt et sech ëm organiséiert Mendicitéit handelt“ warb er schon 2017 in einer Interpellation im Parlament für die Einführung des Platzverweises. Als der vorige Polizeiminister Henri Kox (Grüne) 2022 den Platzverweis schließlich einführte, ging er Léon Gloden nicht weit genug. Er forderte, die Polizei müsse auch das Recht haben, Menschen zu entfernen, „déi virun enger Fënster vun engem Geschäft (leien), wou se [d’Leit] jo awer kucken, éier se ra ginn, fir eppes ze kaafen“. Henri Kox warf er immer wieder vor, im Sinne der „grünen Ideologie“ den Platzverweis abgeschwächt zu haben.
Wie Henri Kox ist Léon Gloden im Osten fest verwurzelt: „Wéi d’Wéngerten op der Musel“, sagt Gloden stolz. Sein Großvater väterlicherseits war Winzer, Präsident der Caves Coopératives de Wellenstein und 1966 Mitbegründer der Vinsmoselle (sein Großvater mütterlicherseits besaß die Druckerei Olinger in Ettelbrück); seine entferntere Verwandtschaft ist bis heute im Weinbau aktiv, sein Cousin Josy Gloden Vorsitzender der Domaines Vinsmoselle; seine vier Jahre jüngere Schwester Josiane, heute Gerichtsvollzieherin in Esch/Alzette, war 1996 Weinkönigin, Léon Gloden selbst war lange Zeit Präsident des Organisationskomitees, das die Krönung zur Weinkönigin und das dazugehörige Fest veranstaltet; seine Frau Martine Paulus entstammt einer Elektrikerfamilie aus Grevenmacher.
Eklat Léon Glodens Eltern waren nicht im Weinbau aktiv. Seine Mutter Marie-Berthe war Krankenschwester in der Radiologie, sein Vater Joseph Doktor der Rechtswissenschaft. Joseph Gloden begann seine Karriere als Verwaltungsattaché im Finanzministerium von Pierre Werner (CSV). 1972, als Léon zur Welt kam, wurde er zum Regierungsattaché und 1974 zum Regierungsattaché Ersten Ranges ernannt. Als Präsident der CSV-Jugend Osten war Joseph Gloden als Kandidat für die Nationalwahlen von 1974 eigentlich schon gesetzt. Als am 1. Januar der CSV-Abgeordnete Aly Duhr unerwartet starb, kam es auf einem außerordentlichen Kongress im Februar jedoch zu einem Eklat. Die CSV-Politikerin Élisabeth Kox-Risch (die Mutter von Henri Kox), die als Kandidatin ebenfalls schon feststand, wurde auf Wunsch der Parteileitung durch Aly Duhrs Witwe, Nelly Duhr-Hirtt, ersetzt. Entgegen der CSV-Parteilinie widersetzte Kox-Risch sich damals dem Bau eines Atomkraftwerks in Remerschen. Von der CSV-Liste wurde sie mit dem Argument ausgeschlossen, die Frauensektion könne nicht zwei der sechs Kandidat/innen stellen, die Jugendsektion aber keinen, wie das Wort berichtete. Im Zuge dessen wurde auch Léons Vater Joseph zugunsten des damals 30-jährigen Fernand Boden von der Liste entfernt. Boden rückte schließlich 1978 in die Kammer nach, ein Jahr später holte Pierre Werner ihn in die Regierung. Joseph Gloden aber verließ die CSV (genau wie Élisabeth Kox-Risch, die später für die Grünen antrat) und zwei Jahre nach dem Regierungswechsel von 1974 auch den Staatsdienst, um Notar in Echternach zu werden. 1980 nahm er eine Stelle als Notar in Grevenmacher an. Den Ausschluss von der Liste hat er der CSV und offenbar auch seinem Kontrahenten Fernand Boden nie verziehen.
Der „kleine Léon“ (wie Gloden sich selbst in einer Rede im Parlament bezeichnete), der in Echternach zur Grundschule ging und dort auch sein Abitur ablegte, zeigte als Jugendlicher wenig Interesse an Politik. Bei den Grevenmacher Guiden a Scouten avancierte er zum Wëllefcherschef, spielte Tennis und ging mit Freunden „op den Tour“. In Aix-en-Provence, London und Brügge studierte er Jura mit einer Spezialisierung in Konkurrenz- und EU-Recht, absolvierte ein Praktikum am Europäischen Gerichtshof bei Generalanwalt Jean Mischo. 1999 begann er als Anwalt bei Elvinger Hoss Prussen (EHP). Erst plädierte er im Arbeitsrecht, später im Konkurrenz- und Immobilienrecht. Als Referenz-Anwalt für mittelständische, luxemburgische Unternehmen avancierte Gloden 2007 zum Partner bei EHP (seine Anteile an der Firma hat er inzwischen aufgegeben, obwohl er sie in der vor seiner Vereidigung vom Ethikrat begutachteten Deontologie-Erklärung noch angegeben hatte). Auch Luc Frieden (CSV) war bis zu seiner Vereidigung als Premierminister Partner bei EHP; Glodens Freund, der Ministersohn, ehemalige Abgeordnete und aktuelle Vize-Präsident des Staatsrats, Patrick Santer (CSV), der ihn einst in den Cercle Joseph Bech einführte, ist es bis heute.
1999 begann auch Léon Glodens politische Karriere. Sein Nachbar Norbert Konter rekrutierte ihn als Kandidat für die Gemeindewahlen in Grevenmacher. Der langjährige CSV-Bürgermeister und FLF-Präsident trat selbst nicht mehr an und hatte es versäumt, einen Nachfolger aufzubauen. Das führte dazu, dass die CSV zehn Prozentpunkte verlor und die DP von Robert Stahl eine Koalition mit der LSAP einging. Léon Gloden musste mit der CSV in die Opposition. 2004 drohte ihm das gleiche Schicksal wie seinem Vater: Er beabsichtigte bei den Kammerwahlen zu kandidieren, doch der Weisenrat berücksichtigte ihn nicht, obwohl die CSV-Jugend aus dem Osten und die CSV Grevenmacher ihn für einen Listenplatz nominiert hatten. Weil gar kein Kandidat aus Grevenmacher berücksichtigt wurde, lehnte auf dem Bezirkskongress rund ein Viertel der Delegierten die Liste ab.
Doch Léon Gloden gab nicht auf. Bei den Gemeindewahlen 2005 wurde er in Grevenmacher Zweiter auf der CSV-Liste, hinter dem langjährigen Direktor der Steuerverwaltung, Guy Heintz; die CSV blieb aber in der Opposition. 2009 schaffte Gloden es endlich auf die Liste für die Kammerwahlen. Er wurde Zweitletzter, nur 19 Stimmen vor Schlusslicht Yves Wengler. Weil die CSV aber vier der sieben Sitze im Osten errang und mit Octavie Modert und Françoise Hetto-Gaasch ausnahmsweise zwei Regierungsmitglieder stellte, rückte Gloden mit viel Glück in die Kammer nach. Das erhöhte seine Sichtbarkeit. 2011 gewann die CSV bei den Gemeindewahlen in Grevenmacher sieben Prozentpunkte, ging eine Koalition mit den Grünen ein und Léon Gloden wurde Bürgermeister.
Hardliner 2013 wurde er bei den Kammerwahlen hinter Modert und Hetto-Gaasch Dritter und die CSV musste in die Opposition. 2018 wurde er erneut nur Dritter, aber Léon Gloden nutzte die Zeit, um sich im Parlament als rechtsliberaler Hardliner zu profilieren. Mit ihm als Verfassungsexperten kündigte die CSV ihre Vereinbarung mit DP, LSAP und Grünen über das Referendum zur großen Verfassungsreform und verhinderte die ursprünglich darin vorgesehene vollständige Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft, damit die Regierung über sie weiter auf die Justiz Einfluss nehmen kann. Gloden sorgte auch dafür, dass der Staatschef in der Verfassung wieder als Großherzog bezeichnet wurde, was Paul-Henri Meyers (CSV) und Alex Bodry (LSAP) in ihrem Revisionsvorschlag abschaffen wollten.
Seine wiederholten Interventionen zur Entwicklung des ländlichen Raums nutzte Léon Gloden, um eine Privatisierung des Gesundheitssystems zu fordern; als Bürgermeister unterstützte er aktiv eine Ärztegesellschaft bei der von der damaligen LSAP-Gesundheitsministerin Paulette Lenert nicht genehmigten Anschaffung eines Magnetresonanztomografen für eine Privatpraxis auf dem Potaschberg. Und nicht zuletzt verlangte er immer wieder, im Verbund mit Laurent Mosar, strengere Gesetze und ein härteres Durchgreifen der Polizei, um gegen Arme, Drogenkranke und Kleinkriminelle vorzugehen.
Seit dem 17. November ist der Provinzprinz aus dem Osten nun Mitglied der Regierung. Als Erstgewählter im Osten war er im Oktober für Formateur Frieden unumgänglich. Als Innenminister ist Léon Gloden nicht nur für die Beziehungen zu den Gemeinden, sondern auch für Innere Sicherheit, Immigration und zusammen mit dem Premierminister und Wirtschaftsminister Lex Delles (DP) für den Geheimdienst zuständig. Frieden habe ihm diese Ressorts „gegeben“, weil diese Aufteilung sich auf EU-Ebene im „JAI-Conseil“ (justice et affaires intérieures) wiederfinde, sagt Gloden. Für die Ressortbenennung hätte Frieden „etwas Kurzes“ gewollt. Die offizielle Bezeichnung Ministère des Affaires intérieures sei an das „Ministry of Home Affairs“ in England angelehnt (eigentlich Home Office; Anm.d.Red.), in Frankreich heiße es ebenfalls Ministère des Affaires intérieures (eigentlich Ministère de l’Intérieur et des Outre-Mer), erzählt Gloden. Mit Luc Frieden sei er sich einig geworden, dass diese Bezeichnung gut sei, „quitt (...), no bausse wëssen d’Leit vläicht net direkt, wat do alles dra stécht“, gesteht der Minister.
Finanziell gesehen, ist der Eintritt in die Regierung für Gloden ein sozialer Abstieg. Laut Reporter verfügte er als Partner von EHP und député-maire samt Nebeneinkünften über ein Monatseinkommen von fast 30 000 Euro (ein gewöhnlicher Minister kommt nur auf rund 20 000 Euro). „Ech maachen dat hei net wéinst de Suen“, sagt Léon Gloden, sondern weil es eine einmalige Chance sei und er nach 24 Jahren als Geschäftsanwalt und Lokalpolitiker eine neue Herausforderung gebraucht habe. In Grevenmacher hat sein kommunalpolitisches Erbe die 74-jährige Monique Heinen übernommen, die sich bislang vor allem mit Kultur und Geschichte befasste. Als Bürgermeisterin muss sie sich nun in die Bereiche Finanzen und Infrastruktur einarbeiten und ein überdimensioniertes Kulturzentrum mit Leben füllen, mit dem ihr Vorgänger sich in seiner Heimatstadt ein Denkmal setzen wollte. Einen Nachfolger in Grevenmacher aufzubauen hat Léon Gloden genauso verpasst wie vor 24 Jahren Norbert Konter.
Jidderee weess Sein Einstand als Innenminister war bislang alles andere als gelungen, nicht nur wegen der Kritik an seiner Entscheidung zum Bettelverbot, mit der er es bis auf die Titelseite der Süddeutschen Zeitung schaffte. Für einen Minister (und wichtigen Geschäftsanwalt) operiert Léon Gloden noch allzu häufig mit unpräzisen und manchmal unwahren Behauptungen. So sprach er im 100,7 vom „Dekret vum Napoleon vu 1789, wou ganz kloer drasteet, datt de Buergermeeschter d’Obligatioun huet, d’Salubritéit, d’Tranquilitéit an d’Sécurité publique locale ze assuréieren“. Tatsächlich war Napoleon 1789 erst 20 Jahre alt und die Assemblée Nationale erließ das Dekret, das damals noch vom König Louis XVI. proklamiert wurde. Der Begriff „Sécurité“ kommt darin gar nicht vor (es geht nur um propreté, salubrité und tranquillité).
Umstritten ist Glodens ebenfalls im 100,7 getätigte Aussage „d’Mendicitéit ass haut am Code pénal verbueden, souwuel d’Mendicité simple wéi och d’Mendicité aggressive“, denn der Absatz über das allgemeine Bettelverbot wurde 2008 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Zwar präzisiert die Staatsanwaltschaft in einer Fußnote, dass das wohl versehentlich geschehen sei, was Spielraum für juristische Interpretationen lässt, doch die pauschale Aussage, die mendicité simple sei weiterhin verboten, ist schlichtweg falsch. Gleiches trifft auf die von Gloden (wie auch von Lydie Polfer) immer wieder angeführte vermeintliche Existenz von Bettlerbanden zu, die „moderne Mënschenhandel bedreiwen“. Wissenschaftler wie der Ende Dezember vom Tageblatt interviewte Schweizer Soziologe Jean-Pierre Tabin bestätigen, dass es sich dabei um seit Jahrhunderten von der politischen Rechten verbreitete rassistische Vorurteile gegenüber ethnischen Minderheiten handelt. Und wenn Léon Gloden mutmaßt, „jidderee weess, datt Moies um Boulevard Royal déck däitsch Limousinne mat belscher Plack virfueren an da loossen se déi Leit eraus. Et gi Preuven“, ist das reinste Demagogie, denn Beweise dafür hat bislang niemand vorgelegt und jeder weiß, dass die Formulierung „jidderee weess“ ein beliebter rhetorischer Topos ist, um Behauptungen als Fakten oder Wahrheiten zu verkaufen.
Die größte Empörung - selbst in der eigenen Partei und beim Koalitionspartner DP – löste Gloden aber mit der gegenüber L’Essentiel getätigten Aussage aus, das milieu artistique im Allgemeinen, besonders aber ein Gedicht von Serge Tonnar, seien für das Graffiti an seiner Mauer und die zerstochenen Reifen am Auto seines Sohnes mitverantwortlich. Im gleichen Artikel gab er als Polizeiminister Details zu den Ermittlungen öffentlich preis („Des empreintes ont été relevées sur les roues de la voiture de mon fils“). Eine Regierungskrise lösten seine Anschuldigungen nicht aus, doch DP-Kulturminister Eric Thill sah sich genötigt, sich unmissverständlich von seinem Regierungskollegen zu distanzieren und die Kunstfreiheit zu verteidigen („Il ne doit jamais revenir à la politique d’évaluer ce qui relève ou non de l’art et de la culture“). Politische Rückendeckung erhielt Gloden lediglich von der ADR.
Liability In weiser Voraussicht hatte Premierminister Luc Frieden sich schon zuvor gegenüber 100,7 teilweise von Gloden distanziert, als er präzisierte: „Dat war keng Decisioun vun der Regierung. Dat ass eng Decisioun vum Inneminister. Eng Decisioun, hannert där d’Regierung steet, mee et ass eng Decisioun vum Inneminister, fir ee Polizeireglement vun der Stad Lëtzebuerg ze approuvéieren, wat déi viregt Inneministerin refuséiert hat.“
Friedens Entscheidung, die Ressorts Inneres, Innere Sicherheit und Immigration zusammenzulegen und das Ministerium mit einem wirtschaftsliberalen und wertkonservativen Hardliner von der Mosel zu besetzen, könnte sich als Fehler erweisen. Mit Einwanderung hat Léon Gloden sich eigenen Aussagen zufolge noch nicht beschäftigt, doch es ist davon auszugehen, dass er die Möglichkeiten, die das umstrittene neue Migrations- und Asylpaket der EU ihm bietet, ausreizen wird. Der Gegenwind aus der politischen Linken und der sozial engagierten Zivilgesellschaft dürfte in den kommenden Jahren noch stärker werden. Selbst die der CSV traditionell nahestehende Caritas hat sich bereits kritisch zum Bettelverbot geäußert. Und die eher rechte Polizeigewerkschaft SNPGL fragte sich diese Woche im Quotidien nicht nur, wie sie (ohne die Anwendung von diskriminierendem racial profiling) zwischen „normalen“ und mutmaßlich „aggressiven“ oder „organisierten“ Bettelnden unterscheiden soll, sondern macht sich auch Sorgen um Kompetenzgerangel zwischen Bürgermeister/innen und Polizeidirektion im Kontext der geplanten Gemengepolice, die CSV und DP zwar einführen wollen, ohne aber zu wissen, was sie überhaupt darunter verstehen.
Mitte Dezember wurde bekannt, dass vier der sechs Mitglieder der aktuellen Polizeidirektion ihre Versetzung in den Ruhestand beantragt haben. Nur einer von ihnen hatte seinen Antrag schon vor den Wahlen gestellt, die anderen drei taten das erst kurz vor beziehungsweise kurz nach der Vereidigung der CSV-DP-Regierung. Mit ihm persönlich habe das nichts zu tun, beteuert der neue Innenminister.