Wohnungsbaupakt

Warten auf den Bauboom

d'Lëtzebuerger Land vom 01.02.2007

Am 20. Januar widmete d'Wort der deutsche Verbandsgemeinde Irrel gleich gegenüber von Echternach einen Beitrag. "Großer Beliebtheit" erfreue sich der Ort bei "eine preiswerte Wohnung oder ein günstiges Grundstück suchenden Luxemburgern", berichtete der Bürgermeister. So beliebt, dass Irrel und Echternach mittlerweile über den gemeinsamen Betrieb einer Primärschule für Luxemburger Kinder nachdächten, die in Irrel leben. Und wenngleich der Preis pro Quadratmeter Bauland mittlerweile bei 120 Euro liege - also bei 12 000 Euro pro Ar - werde man die weitere Entwicklung "steuern" und nur noch Grundstücke zu Bauland erschließen, die sich im Besitz der Gemeinde befinden.

Eine andere Welt im Vergleich mit Luxemburg: "Ni l'État, ni les communes, ni les autres promoteurs publics disposent de réserves foncières substantielles leur permettant d’assurer une maîtrise du foncier suffisante", gab eine Powerpoint-Präsentation von Wohnungsbauminister Fernand Boden am Mittwoch nur einmal mehr das große Problem hierzulande wider. Da könnten im Grenzland bald noch mehr Primärschulen für Luxemburger Kinder entstehen.

Und es ist nicht ausgemacht, dass der Pacte logement, über den Boden am Mittwoch weitere Details bekannt gab, nachdem RTL-Radio am Tag zuvor aus dem Gesetzentwurf zum Pakt zitiert hatte, das Problem lösen wird. Vor allem nicht schnell: "Sicher ist, dass dieses Bündel an Maßnahmen erst mittel- und langfristig  abhängenzeigen wird", schrieb CSV-Generalsekretär Marco Schank in der Wort-Beilage CSV-Profil vom 27. Januar prophylaktisch gegen zu hohe Erwartungen an, die sich womöglich gar aufs Wahljahr 2009 beziehen könnten. Fernand Boden hoffte dagegen, dass sich "in zwei, drei Jahren" schon eine "Bewegung" zeigt.

Aber die unterschiedlichen Bewertungen dürften auch Ausdruck der Tatsache sein, dass das Konzept Wohnungsbaupakt sehr komplex ist, nach wie vor in einer marktliberalen Tradition steht und darüber hinaus vieles von den Gemeinden abhängig macht. Insbesondere die geplanten Sanktionsmöglichkeiten: Nicht nur die neue Jahres-Taxe auf brach liegende Baugrundstücke müssten die Gemeinderäte beschließen. Ob darüber hinaus die vorgesehene leicht abgeänderte Besteuerung von Grundvermögen helfen kann, Bauland zu mobilisieren, wird ebenfalls stark im Ermessen der Gemeinden liegen. Zwar will der Staat dafür sorgen, dass die Steuerbemessung von agrarischen und nicht-agrarischen Flächen getrennt und für Letztere die Kategorie Bauland derart neu gefasst wird, dass nicht genutztes Bauland separat besteuert werden kann. Allgemein gültig und per Gesetz soll jedoch in nur einem kleinen Maß der "taux d'assiette" geändert werden. Im Vergleich dazu viel entscheidender für die Steuerlast wirkt sich der so genannte Hebesatz aus. Diesen Korrekturfaktor aber beschließt die Kommune. Und ähnlich wie bei den Taxen für nicht genutztes Bauland wird sich die Frage stellen, welche Gemeinde so weit geht, die Grundbesitzer stark zu belasten. Größere Kommunen vermutlich, die "IVL-Gemeinden" vielleicht, für die der Pakt ja in der Hauptsache gedacht ist. Für einen solchen politischen Schritt aber wäre vermutlich so etwas wie urbanes Bewusstsein nötig. Und das findet man vielleicht nur in den fünf bis zehn gößten Gemeinden landesweit - und damit nicht in jeder Randgemeinde um die Hauptstadt, wo es dennoch vonnöten wäre, weil es dort an Wohnraum fehlt.

Auch das geplante Vorkaufsrecht für die öffentliche Hand von Grundstücken in Sonderzonen, die nicht unmittelbar Wohnbauzonen sind, ist nicht unproblematisch: Nicht zuletzt dieses Instrument soll dazu beitragen, dass die Gemeinden sich nach und nach eine Grundstücksreserve anlegen können, wie sie in Kommunen jenseits der Grenze häufig sind. Doch soll das betreffende Grundstück innerhalb einer Familie weiter übertragen werden, soll dies bis zum vierten Verwandschaftsgrad möglich sein, ohne dass das öffentliche Vorkaufsrecht gilt. Falls es stimmt, dass insbesondere Privatiers Grundstücke zurückhalten, um später ihren Kindern oder Enkeln eine Freude zu machen, bliebe das Vorkaufsrecht womöglich ziemlich wirkungslos. Ganz abgesehen davon, dass dem Konzept noch von einer anderen Seite Gefahr droht: Dass die Vereinigung der Baugewerbetreibenden Aloc vor einer Woche den Wohnungsbaupakt attackierte, kann man als Anzeichen dafür werten, dass der Pakt mit seinen vielen Instrumenten tatsächlich für Unruhe sorgt und jene Entwicklung folgen könnte, die die Regierung verspricht.

Doch wenn es eine juristische Schwachstelle im Pakt-Entwurf gibt, dann ist es wohl die geplante Wiedereinführung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen, falls ein Grundstück an einen Privat-Promotor verkauft wird, während bei einer Veräußerung an die öffentliche Hand die 2002 eingeführte Steuerbefreiung weiter gelten soll. Nicht nur formelle Einwände des Staatsrats zu diesem Punkt dürften programmiert sein, wenn der Gesetzentwurf auf den Instanzenweg geht, sondern auch Gerichtsverfahren, falls diese Regelung in Kraft treten sollte. Eine andere Kritik am Vorkaufsrecht bringt seit Monaten LSAP-Präsident Alex Bodry an: Wie im Ausland üblich, sollte auch hierzulande ein unabhängiges Gutachten den Verkehrswert eines Grundstücks festlegen, das eine Gemeinde per Vorkaufsrecht erwerben will. Auf diese Weise würde der spekulative Anteil am Preis eliminiert und die Gemeindekasse entsprechend weniger stark belastet.

Eine weitere Unwägbarkeit ist das Ausmaß, in dem Grundstücke in Erbpacht abgegeben würden. Die Regierung wünscht sich im Motivenbericht zum Gesetzentwurf, dass dieser Weg "le mode priviligié pour la mise à disposition du foncier par les promoteurs publics" werde. Offensichtlich aber hat zumindest im Wohnungsbauministerium niemand kalkuliert, inwiefern der Luxemburger Staat es sich wird leisten können, wie geplant die Aufkäufe von Grundstücken durch Gemeinden oder die öffentlichen Promoteure zu 50 Prozent zu subventionieren. Wenn Fernand Boden betont, dass die Erschließungen "im aktuellen Bauperimeter" stattfinden sollten, dann müsste teures Land aufgekauft werden. In der Gemeinde Luxemburg geht man davon aus, vom Nutznießer einer Erbpacht den Gemeindeanteil an der Kaufsumme des Terrains wieder hereinzuholen. Der Staatsanteil bliebe ein Steuergeschenk.

Das sind ziemlich kritische Rahmenbedingungen für den Wohnungsbaupakt. Dabei müsste in den kommenden Jahren nicht nur zum Zwecke der marktgestützten Preissenkung ein Bauboom einsetzen, sondern auch aus demografischen Gründen und aus landesplanerischer Sicht. 2 300 Wohnungen waren im Jahr 2004 neu entstanden, bilanzierte am 26. November letzten Jahres das aktuellste Bulletin des Statec. Wendet man diese Zahl auf das Integrative Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept IVL und seine Szenarien für eine Raumentwicklung Luxemburgs bis 2020 an, dann müssten bei einem Wirtschaftswachstum von jährlich vier Prozent wiederum pro Jahr 2 700 Wohnungen neu geschaffen werden, um den Bevölkerungszuwachs aufzunehmen, der sich aus einer Durchschnitts-Haushaltsgröße von 2,3 Personen ergibt. 2 700 Wohnungen aber würden Luxemburg nur dem so genannten Pendlerszenario nahe bringen, nach welchem 75 Prozent der neu geschaffenen Arbeitsplätze von Grenzgängern besetzt würden. Die letzte Regierung wollte dieses Szenario nicht, und auch CSV und LSAP gaben zumindest in ihrem Koalitionsvertrag vor, das Einwohnerszenario anzustreben, bei dem Pendler nur 40 Prozent der neu geschaffenen Jobs besetzen würden. Abgesehen davon, dass dieses Ziel längst nicht nur abhängt von der Verfügbarkeit ausreichenden Wohnraums, müssten laut IVL dafür 3 900 Wohnungen jährlich entstehen. Und eigentlich, so Romain Diederich, Leiter der Direktion für Landesplanung im Innenministerium, noch mehr. "Denn das BIP-Wachstum ist höher; zurzeit jedenfalls." Wo man gegenwärtig steht, ist nicht mit letzter Gültigkeit zu sagen. Fernand Boden sprach vergangene Woche im Parlament von je 3 000 Wohnungen, die 2005 und 2006 gebaut worden seien. Landesplaner Diederich geht davon ebenfalls aus, räumt aber ein, dass es sich dabei um "Hochrechnungen von Trends" handelt. Ebenfalls vom Wohnungsbauminister im Parlament genannt wurde ein künftiger Bedarf von 3 400 Wohnungen jährlich. Diese Zahl hat ein ausländisches Expertenbüro errechnet als Zuarbeit zum sektoriellen Plan Wohnungsbau, einem landesplanerischen Instrument, das festlegen soll, wo wie in Zukunft gebaut werden soll. Der Sektorplan werde den Wohnungsbaupakt ergänzen, sagt Romain Diederich, und bestimmte Dinge erlauben, die im Rahmen des Wohnungsbaupakts noch nicht möglich sein sollen. Zum Beispiel die gezielte Erschließung von Bauland außerhalb des Perimeters oder ein "gebündelter Wohnungsbau auf der grünen Wiese". Dass dieses Gespann Wohnungsbaupakt - Sektorplan Wohnungsbau in dieser Form funktionieren soll, weist allerdings auf ein weiteres grundsätzliches Problem hin: Wohnungsbauplanung und Grundstückswirtschaft wären für Gemeinden viel leichter in einem regionalen Verbund. In diesen könnten auch Staatsmittel fließen. So ist es im Prinzip auch geplant für jene regionalen Établissements publics, die nach den Vorstellungen von Innenminister Jean-Marie Halsdorf in "Luxemburg nach der Territorialreform" den Einsatz von Regionalmitteln für Regionalprojekte verwalten sollen. Doch diese Institutionen sind derzeit ähnlich umstritten, wie es 1998 und 1999 aus anderen Gründen der Versuch des damaligen Landesplanungsministers Alex Bodry war, regionale Räte einzuführen und ihnen Budgets zu geben, um landesplanerische Projekte ausführen zu können. Womöglich könnte ja die Lage auf dem Wohnungsmarkt die Diskussionen um die Territorialreform und die Form regionaler Instanzen beschleunigen. So lange darüber nicht entschieden ist, wird eine Konstante im Verhältnis von Innen- und Wohnungsbauministern aus der CSV gegenüber Gemeinden weiter bestehen: ein gewisses Misstrauen und eine Tendenz zum Zentralismus. Darüber hinaus aber auch die Feststellung, die das Sozialforschungsinstitut Ceps in seiner Studie über die Stratégies foncières des communes au Luxembourg traf: "Mise à part quelques rares exceptions (elles) ne disposent pas des crédits nécessaires pour acheter des terrains. De plus, la taille généralement réduite des communes ne permet pas de disposer de moyens techniques suffisament adaptés pour intervenir efficacement sur les marchés fonciers et du logement. S'y ajoute un manque de personnel qualifié."

Peter Feist
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