Lahmer Wahlkampf

Wahlkrampf

d'Lëtzebuerger Land vom 22.04.2004

Die Logistik steht. Nach der Verlosung der Listennummern haben die Parteien angefangen, ihre Plakate aufzustellen. Deren Botschaft ist so unverbindlich wie die Wahlprogramme. Man ist sichtlich bemüht, Vertrauen, Verlässlichkeit und Zuversicht auszustrahlen angesichts des anhaltend unsicheren wirtschaftlichen Umfelds. Die CSV verkörpert wie gehabt den ruhenden Pol mit ihrem Slogan "De séchere Wee", die DP, mächtig stolz auf ihre Leistungsbilanz, huldigt dem Motto "You don't change a winning team" und fordert den Wähler auf: "Kommt, mir maache weider". Die LSAP vertraut auf ihr Gespür für die Alltagssorgen der Leute: "Am Mëttelpunkt vum Liewen".

Nur am Rande des politischen Establishments machen sich Veränderungswünsche bemerkbar. So versprechen déi Gréng "Neit Kapital fir Lëtzebuerg", d.h. neue Ideen, neue Gesichter  und Innovation. Die KPL will der Koalition einen Denkzettel vepassen: "Weist hinnen déi rout Kaart!" und déi Lénk stellen gar eine bessere Welt in Aussicht: "eng aner Welt ass méiglech". Das ADR wird erst morgen seinen Wahlslogan bekanntgeben und dürfte versuchen, sich als Saubermann und Hecht im Karpfenteich darzustellen.

Irgendwie will keine rechte Wahlkampfstimmung aufkommen, und wenn nicht alles täuscht, werden wir es mit einer lahmen Veranstaltung zu tun haben. Selbst die Opposition hütet sich, ihre Karten aufzudecken  und zum frontalen Angriff auf die Ko-alition auszuholen, aus Angst, als Spiel-verderber und Verunsicherer entlarvt zu werden und nicht mehr als ko-alitionsfähig zu gelten. Überhaupt fällt auf, dass Jean-Claude Juncker noch immer auf einen Herausforderer wartet, der ihm das Amt des Regierungschefs abspens-tig machen möchte. Eine rezente RTL-Umfrage zeigt, dass Juncker der unangefochtene Wunsch--kan---didat als Staatsminister bleibt, mit einer Zustimmung von 77 Prozent (weit abgeschlagen mit nur sieben, respektive fünf Prozent folgen Jean Asselborn und Lydie Polfer, die Spitzenkandidaten von LSAP und DP).

Kein Wunder, dass niemand sich traut, Juncker aus der Reserve zu lo-cken. Für den Wähler scheint ausgemacht, dass die CSV auch nach dem 13. Juni den Staatsminister stellen wird. Dadurch verlieren die Wahlen einiges an Reiz und Spannung, da eigentlich nur noch die Frage zu klären bleibt, wer Koalitionspartner der CSV wird. Aber auch in dieser Hinsicht scheint die Sache bereits gelaufen, wenn man den Meinungsforschern Glauben schenken kann, die einen hohen Zustimmungsgrad (38 Prozent) für die Fortsetzung der Koalition herausgefunden haben wollen. Ein Koalitionswechsel scheint sich nicht anzubahnen, da nur 26 Prozent eine CSV/LSAP-Koalition und nicht einmal drei Prozent eine LSAP/DP-Koalition befürworten, obwohl mehr als die Hälfte der Befragten einen Koalitionswechsel für wahrscheinlich hält. Erstaunlich sind diese Indikatoren schon. Nicht nur bestätigen sie den vorherrschenden Eindruck, dass die CSV mit einer "victoire dans un fauteuil" rechnen und den Koalitionspartner nach eigenem Gutdünken auswählen kann.

Eigentlich ist dieser Zustand das Gegenteil dessen, was man unter demokratischen Wahlen zu verstehen hat, ein Prozess mit einem völlig offenen Ausgang, wo alles zur Disposition steht und die Karten neu gemischt werden, angefangen beim Posten des Regierungschefs  und der Koalition. Kein Wunder, dass keine rechte Be-geisterung aufkommen will und die Motivierung der Wahlkämpfer sehr zu wünschen übrig lässt.

Erstaunlich ist nur, dass die Herausforderer, von denen man annehmen könnte, dass sie in erster Linie Anstoß an der Vormachtstellung der CSV nehmen, den Eindruck vermitteln, sie hätten sich damit abgefunden und resigniert.

Statt dessen verlegen sie sich auf Nebenkriegsschauplätze und Stellvertreterkriege. Dazu gehört u.a. das Kuriosum, dass DP und LSAP sich in den  Haaren liegen, sehr zur Freude der CSV als Punktrichter.

Aber auch der Streit zwischen den Gewerkschaften und der Zentralbank über die richtige Bewertung der wirtschaftlichen Lage ist bezeichnend und verdeutlicht, dass die Parteien oder die ihnen nahe stehenden Gewerkschaften sich schwer damit tun, "den klaren Blick für die Realitäten zu behalten", wie der DP-Wirtschaftsminister Henri Grethen sich in einem Briefwechsel mit dem LSAP-Abgeordneten Mars Di Bartolomeo über den Arbeitsplätzeabbau in der Stahlindustrie ausdrückte.

Der Schock der Konjunkturflaute sitzt tief und bremst den Tatendrang sowie die Kampfeslust der Kandidaten, die alle irgendwie unter der dumpfen Ahnung leiden, dass das dicke Ende erst nach den Wahlen kommt.

 

 

 

 

Mario Hirsch
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