Wahlprognosen

Mehr Verlierer als Sieger

d'Lëtzebuerger Land vom 01.04.2004

Die DP verliert einen entscheidenden Teil unzufriedener Wechselwähler, die sie 1999 gewinnen konnte, CSV und LSAP stagnieren auf historisch niedrigem Verliererniveau. Die Grünen gewinnen Stimmen hinzu, das ADR stagniert. So weit die Ergebnisse bis Redaktionsschluss dieser Zeitung veröffentlicht waren, bestätigt die dritte und letzte Wahlprognose der Marktforschungsfirma ILReS im Auftrag des Tageblatts die beiden vorhergehenden.

Da die den Prognosen zugrunde liegenden Umfragen sich jeweils über mehrere Monate erstreckten, ist es gewagt, einen Zusammenhang zwischen den Ergebnissen und der politischen Entwick

lung im Land herzustellen. Die dritte Umfrage unterscheidet sich zumindest von den beiden anderen dadurch, dass zu ihrem Zeitpunkt die Namen der Kandidaten bekannt waren. Hängt es damit zusammen, dass die Notabelnpartei DP ihren Abstieg von Prognose zu Prognose beenden konnte? Der Siegeszug der Grünen zumindest in den Umfragen erklärt sich wohl eher damit, dass sie dank einer professionellen Kampagne sehr sichtbar in den Medien sind und die Befragten den anderen Parteien beim besten Willen wenig abgewinnen konnten.

Bis zum 13. Juni dürfte es aber noch zu Veränderungen im Kräfteverhältnis zwischen den Parteien kommen. Denn zur selben Zeit, als sie für das Tageblatt 1902 Leuten über Telefon die Sonntagsfrage stellte, befragte die ILReS  zum zweiten Mal auch 497 Leute im Auftrag des Parlaments und der Forschungszelle Stade der Uni Luxemburg über ihre Beteiligung am politischen Leben. Im Wesentlichen tut auch diese Umfrage kaum mehr, als die erste ihrer Serie im Rahmen der Fehlerquote zu bestätigen. Wenn man davon absieht, dass die ILReS sich bei den im Januar veröffentlichten Resultaten bei der Gewichtung einzelner Altersklassen um bis zu 100 Prozent verrechnet hatte.

Trotzdem wollen die Forscher Zukunftsängste erkannt haben, die als erste Anzeichen einer sich bildenden Protestwählerschaft ausgelegt werden können. Die Frage ist, ob es beispielsweise dem ADR gelingt, aus diesen Ängsten Kapital zu schlagen.

Vor allem aber könnten die beginnenden sozialen Unruhen noch den Wahlausgang beeinflussen. Denn sie drohen, den Regierungsparteien Stimmen zu kosten, und könnten noch im letzten Augenblick die LSAP aus der Versenkung ziehen, wie ihre spanischen und französischen Genossen. ILReS und Stade weisen immerhin darauf hin, dass eine wachsende Zahl von  Befragten die Arbeitslosigkeit für das vorrangige Thema halten. 

 

 

 

 

Romain Hilgert
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