Umweltpolitik und Wahlkampf

"So weit sind wir noch nicht"

d'Lëtzebuerger Land vom 25.03.2004

d'Lëtzebuerger Land: Am Montag beschloss die Tripartite, dass Luxemburg sich zum Teil von seinen Kioto-Zielen zum Klimaschutz "freikaufen" soll. Haben LSAP-Umweltminister, von denen Sie einer waren, die Wachstumsdynamik des Landes unterschätzt, als sie seine Reduktionsziele aushandelten?

 

Alex Bodry: Johny Lahure fuhr 1997 sogar mit einem Reduktionsangebot von minus 30 Prozent nach Kioto. Dem hatte zuvor die Chamber einstimmig zugestimmt, auch die DP-Abgeordneten Grethen und Berger. Minus 28 Prozent für uns handelte ich ein knappes Jahr später im EU-Umweltministerrat aus, weil ich sah, dass verschiedene Mitgliedstaaten ihre Kioto-Verpflichtungen im Rahmen des europäischen burden sharing nach unten revidieren wollten. Ich halte dieses Ziel aus damaliger Sicht nach wie vor für machbar. Wir hätten unsere Emis-sionen stabilisieren müssen. Es stimmt, dass Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum seitdem stiegen. Daraus ziehe ich aber vor allem den Schluss, dass un-serem Land unabhängige wissenschafliche Institute fehlen, die kontinuierlich Daten liefern. Das gilt nicht nur im Zusammenhang mit dem Klimaschutz, sondern für viele Politikbereiche. Weil das so ist, werden mitunter spontane Entscheidungen getroffen, die gravierende Folgen haben.

 

Wie zum Bau des Escher GUD-Kraftwerks?

 

Seine Konzeption geht zurück auf meine Zeit als Energieminister. Unter Robert Goebbels wurde es größer dimensioniert. Es reduziert aber unsere Abhängigkeit von Importstrom und ist eine umweltfreundliche Produktionsmethode, sofern man die Abwärme nutzt. Man darf sich ja nicht nur von der Berechnungsweise der Kioto-Bilanz leiten lassen. Man muss fragen: Was dient der Umwelt? Sonst könnte man bei uns auch die Förderung erneuerbarer Energien bleiben lassen.

 

Wäre es nicht möglich gewesen, für Luxemburg innerhalb der EU eine andere Betrachtungsweise auszuhandeln, da-mit uns z.B. auch die erneuerbaren Energien angerechnet werden?

 

Nein. Ich konnte nur verhindern, dass Reduktionsverpflichtungen auf der Basis der Pro-Kopf-Emissionen festgelegt wurden, wie das anfangs geplant war. Wir waren und sind der größte Emittent Europas. Das hätte uns in eine sehr schwierige Situation gebracht.

 

Nehmen wir an, die LSAP kommt nach den Wahlen in die Regierung. Würden Sie wieder Umweltminister werden wollen?

 

Wenn das Ressort uns zufiele, warum nicht?

 

Was würden Sie beim Klimaschutz anders machen als Charles Goerens und Eugène Berger?

 

Ich würde beginnen wie sie: mit einer Reduktionsstrategie. Was ich dieser Regierung vorwerfe, ist, dass ihre Strategie vom Mai 2000 nicht zu konkreten Einsparmaßnahmen mit quantifizierbaren und überprüfbaren Zielen entwickelt wurde. Ei-nen kohärenten Ansatz gab es nie, und jeder Vorstoß der Opposition, auch von uns, wurde stets abgeblockt.

 

Zumindest in ihrem Wahlprogramm hat die LSAP aber auch keinen kohärenten Ansatz. Eine "Verkehrswende" soll den wichtigsten Beitrag zu Kioto liefern, wo-für der öffentliche Transport kostenlos gemacht werden soll. Wie kann man das versprechen, wenn schon im letzten Herbst Zwischenanalysen zum IVL feststellten, dass man in die Nähe eines Modal split von 25 Prozent für den öffentlichen Transport nur durch massiven Ausbau des Angebots kommen wird?

 

Der öffentliche Transport muss "in" werden. Heute ist das Auto es noch. In dem Zusammenhang muss man auch über die Preise nachdenken. Ich will aber nicht verheimlichen, dass die Eisenbahner in unserer Partei dieses Vorhaben kritisch sahen und fürchteten, die Rationalisierung bei den CFL bekäme so einen weiteren Schub. In erster Linie geht es uns um die Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Transports.

 

Aber massiver Ausbau des Angebots hieße doch: viel mehr Busse und Bahnen, neue Linien, kürzere Fahrplantakte. Es fehlt aber vielerorts an der kritischen Masse der Benutzer. Wie soll ein ausgeweitetes Angebot, zumal zum Nulltarif, nicht zur Budgetlast auf ewig ausarten?

 

Es geht uns auch nicht um Rentabilität, sondern eben um einen "choix politique". Sicher sind die Zeiten vorüber, als man alles Mögliche mit links aus der Staatskasse finanzieren konnte. Wir denken aber, dass eine solche Initiative für den öffentli-chen Transport im Sinne der Nach-haltigkeit gut ist. Man muss Prioritäten setzen.

 

Dann ist es aber um so erstaunlicher, dass die LSAP kein klares Wort über ökologische Besteuerung verliert. Die CSV wird am Samstag wahrscheinlich zumindest für Abwassertaxen plädieren, die DP schließt Energiesteuern nicht aus, déi Gréng wol-len sowieso den ökofiskalen Umbau. Wie-so schreibt die LSAP nur vage, "umwelt- und gesundheitsschädliche Produkte" seien "zu besteuern", so-fern das "sozialverträglich und wirtschaftlich vertretbar" ist?

 

Wir schließen damit nichts aus und halten uns eine Tür offen. Bisherige Versuche von LSAP-Ministern, Ökoabgaben einzuführen, scheiterten an der Opposition anderer Parteien.

 

Sie selbst haben vor zwei Wochen an einem politischen Rundtisch gesagt, keine Partei, die vernünftig ist, könne heutzutage für Ökosteuern sein.

 

So wollte ich nicht verstanden werden. Ich habe daran erinnert, dass wir 1994 ein ganzes Bündel von Ökotaxen vorgeschlagen hatten, die auch ins Regierungsprogramm aufgenommen wurden. Als es dann aber drauf ankam, war keiner mehr da: Die CSV argumentierte technisch dagegen, die Umweltverbände blieben zu passiv, die Gewerkschaften warfen uns Knüppel zwischen die Beine...

 

Von ihnen kam sogar der Dolchstoß, zumindest zur Verpackungstaxe. Scheitern solche Überlegungen heute schon daran, dass ein prominenter LSAP-Kandidat John Castegnaro heißt?

 

Ich meine nicht. Natürlich wird man solche Abgaben mit den Gewerkschaften diskutieren müssen. Die Vorarbeiten dazu sind bei uns aber noch nicht so weit. Denn man braucht ein Konzept, muss sagen: Diese Taxe brauchen wir aus genau diesem Grund, sie wird soviel kos-ten, und eine große Frage für uns ist die der Umverteilung. "Grünes Denken" ist in der LSAP immer stärker geworden, in erster Linie sind wir aber eine sozialistische Partei, die dem Sozialen verpflichtet ist, und bei den kommenden Wahlen steht für uns der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit im Mittelpunkt.

 

Trotzdem sagen 80 Prozent der Bevölkerung in Umfragen, Umweltschutz sei ihnen ein sehr wichtiges Anliegen.

 

Aber fragt man genauer nach, zum Beispiel über eine Erhöhung des Wasserpreises oder eine reformierte Kfz-Besteuerung, kommen andere Anworten. Das haben wir damals erlebt. Wichtig ist, sich klar zu werden, wofür man eine Ökotaxe nutzen will. Der reinen Lehre nach soll sie ja einen Lenkungseffekt haben, der dazu führt, dass die Ein-nahmen einmal gegen Null tendieren. Daraus ergeben sich Fragen an die Zweck-bindung einer solchen Taxe. Be-steht sie nicht im ökologischen Bereich, kann man kaum von Ökosteuern reden.

 

Im Wahlkampf 1994 galt der Umwelt das Hauptaugenmerk der LSAP und sie wollte einen ökologischen Umbau der Gesellschaft. Heute spricht sie von einer "sozialen und ökologischen Marktwirtschaft auf neuen Grundlagen", aber das ökologische Element fehlt weitgehend...

 

Das stimmt nicht. Wir wollen z.B. die Betriebe stärken bei ökologischer Innovation. Heute werden dazu zwar Beihilfen verteilt, aber die Be-triebe werden kaum begleitet. Größere Unternehmen schaffen es, sich dazu eigene Mittel zu geben, aber die kleineren stehen oft vor einem echten Problem. Man wird hierfür das Umweltministerium stärken müssen; es ist personell und vom Knowhow her dafür zu schwach be-stückt. Das ist nicht Herrn Goerens und Herrn Bergers Schuld, das war schon immer ein Problem. Es war aber ein Fehler der Koalition, das Umweltministerium in seinen Kompetenzen zu beschneiden. Das muss rückgängig gemacht werden.

 

Wenn es den Innovationsdruck in den Unternehmen gibt und gleichzeitig die Arbeitslosigkeit hoch ist, müsste die LSAP dann nicht den Gedanken aufgreifen, beim Innovationspotenzial den ökonomischen Hebel anzusetzen, damit dort rationalisiert wird und nicht beim Personal? Das Thema "ökologischer Um-bau der Gesellschaft" fällt ihr doch jetzt geradezu in den Schoß.

 

Das wäre die umfassende Steuerreform, die den Faktor Arbeit entlastet und Ressourcen belastet. Neu ist das nicht. Es ist aber etwas anderes als einzelne Ökotaxen, es ist der Um-stieg auf ein mehr auf indirekten Steuern basierendes System.

 

Werden wir nicht zwangsläufig auf diese Frage zusteuern, etwa, wenn wir wissen, dass ab 2009 der Tanktourismus zumindest einbrechen wird, weil wir dann unsere Dieselakzisen in zwei Etappen auf ein EU-weites Minimum heben müssen?

 

Ja, da kann sich die Finanzierungsfrage für unser Sozialsystem stellen. Wir sind aber noch nicht so weit, auch parteiintern nicht, das durchdiskutiert zu haben. Die Studie, die der Mouvement écologique gemeinsam mit dem derzeitigen Umweltministerium dazu hat anfertigen lassen, ist ein interessanter erster Ansatz. Unser Steuerexperte Jeannot Krecké wurde bei ihrer Ausarbeitung auch konsultiert. Die große Frage, die sich stellt, wenn man indirekte Steuern gegenüber direkten bevorzugt, ist die nach der sozialen Verträglichkeit. Schon deshalb, weil etwa die Lohnsteuerlast progressiv wächst, die der Konsumsteuern, wie sie heute bei uns existieren, dagegen linear. Mich macht das skeptisch. Ich schließe aber nicht aus, dass die ganze Klimaschutzdebatte mit den Kioto-Zielen und den Preisen, die sich pro Tonne CO2 einstellen werden, diesen Diskussionen Nahrung gibt. Unsere Abhängigkeit vom Tanktourismus ist zu groß.

 

Es fällt auf, dass der frühere Umweltminister Alex Bodry erstaunlich still geblieben ist in der derzeitigen Kioto-Diskus-sion. Ist das ein taktischer Kompromiss im Hinblick auf eine erneute schwarz-rote Koalition?

 

Wieso das denn? Ich habe meine Kritik an den Versäumnissen dieser Regierung erst vor kurzem in einer "Question avec débat" im Parlament vorgetragen. Um ins Detail gehen zu können, fehlen mir einfach Zahlen. 

 

 

 

 

 

Peter Feist
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