Weil die CSV 2013 am Ende war, bekamen DP, LSAP und Grüne zuerst ein anspruchsvolles und 2018 ein bescheideneres Programm auferlegt: dafür zur sorgen, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Luxemburger Wirtschaft nachhaltig bleibt. Unter anderem soll sie an die Klimaveränderungen angepasst werden und daran verdienen. Rifkin spielte später die Musik dazu. Dann fiel der Zukunftspak bei den Wählern durch. Der Neoliberalismus verlor international an Effizienz. Beides verlangte Programmänderungen.
Mit dem Ausbruch der Covid-Seuche musste die Regierung ihr Programm erneut anpassen. Sie versprach, das aus dem gelobten Land der Normalität verjagte Volk heimzuführen.
Vergangene Woche zeigte die Regierung auf das gelobte Land am Horizont: Mit -1,3 Prozent Bruttoinlandsprodukt war die Wirtschaftsrezession im Seuchenjahr 2020 kaum der Rede wert. Das meldete das Statec. Der Verwandlung von zinslosem Geld in fiktives Kapital konnte kein Virus etwas anhaben.
So konnten die Wirtschaftshilfen bescheidener als in den Nachbarländern ausfallen. Obwohl der liberale Finanzminister Pierre Gramegna wiederholt das Gegenteil behauptete. Laut Database of Country Fiscal Measures des Internationalen Währungsfonds machten die „above the line measures“ bis heute 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus (Frankreich 7,6%; Belgien 8,0%; Deutschland 11,0%) und der „liquidity support“ 5,9 Prozent (Belgien 11,8%; Frankreich 15,6%; Deutschland 27,8%).
Am Samstag erblickte auch Berichterstatter Mars Di Bartolomeo (LSAP) das gelobte Land. Er konnte sich „fir eng Kéier, fir d’éischte Kéier erëm freeën“ über das neuste Covid-Gesetz. Er versprach dem Parlament: „Mir huelen eis mat dësem Gesetz vill vun deene Fräiheeten erëm, déi mer am Kampf géint de Virus hu missen a Klammere setzen.“
Sogar die CSV wollte für einmal zu den Siegern zählen. Sie stimmte für das Gesetz und Michel Wolters Zusatz. Seit dem Ende des Ausnahmezustands hatte sie gegen fast alle Covid-Gesetze gestimmt. Sie hatte gleichzeitig den Anfälligen und dem Einzelhandel, den Ängstlichen und den Sorglosen zu gefallen versucht. Weil das nicht kohärent war, warf sie der Regierung „Inkohärenz“ vor.
Die grüne Justizministerin Sam Tanson hatte am 30. April 2020 im Tageblatt ein universelles Seuchengesetz versprochen. Es sollte sich „nicht auf die Corona-Krise beschränken“. Dann brach die Regierung die Vorarbeiten ab. Seither jagt sie jeden Monat neue Gesundheitsvorschriften durch das Parlament. Mit einem „Op an Of vu Verschäerfungen a Erliichterungen“, so Mars Di Bartolomeo. Unter dem Stichwort „Covid“ listet das Amtsblatt 130 Gesetze auf. Im Durchschnitt macht das ein Gesetz alle drei Tage. Als versuchten Regierung und Abgeordnete, die Viren mit dem Memorial totzuschlagen.
Bis auf einige Wochen Panik im Dezember produziert das Parlament Gesundheitsvorschriften im industriellen Rhythmus: Von der Verabschiedung durch das Kabinett über die Gutachten von Berufskammern, Staatsrat und parlamentarischem Ausschuss bis zum Votum vergeht jedes Mal genau eine Woche. Am Ende der Just-in-time-Lieferkette erscheint das Gesetz über Nacht im Amtsblatt. Nur das Chamberbliedchen ist überfordert: Die letzte Plenarsitzung, deren Wortlaut es veröffentlichte, fand vor acht Monaten statt.
Mit der unablässig stampfenden Parlamentsmaschine will die Regierung nicht die Entscheidungsgewalt, sondern die Verantwortung teilen. Der Beweis soll erbracht werden, dass auch in Krisenzeiten gesellschaftliche Konflikte von der Straße ins Parlament verlagert werden können. Damit ist die Normalität gemeint.
Die Heimkehr in die normale Stille des gelobten Lands ist angekündigt. Dann soll man nur noch die Essgeräusche aus den heroisch zurückeroberten Gaststätten hören. Vielleicht werden sie sogar den Waringo-Bericht über die mehr als 300 Kollateralopfer in den Alters- und Pflegeheimen übertönen.