Im Frühling 2003 beschloss die Juncker/Polfer-Regierung, Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Sie sollten an US-Präsident George W. Bushs „Krieg gegen den Terrorismus“ teilnehmen. Ein großherzogliches Reglement befristete den Einsatz bis zum 31. August 2003. Der Einsatz sollte 18 Jahre dauern. Seit Jahren ist der Krieg verloren. Nun rücken auf Kommando von US-Präsident Joe Biden die geschlagenen Truppen ab.
Das Datum für den Kriegseintritt war unglücklich gewählt: In Afghanistan begann der Aufstand gegen die Besatzungstruppen. Die USA marschierten im Irak ein und verloren das Interesse an Afghanistan.
Im Halbjahresrhythmus entsandte Luxemburg bis heute fast 300 Soldaten nach Afghanistan. Sie bewachten mit belgischen Kollegen die internationale Festung am Flughafen von Kabul und den Luftwaffenstützpunkt von Kandahar. Andere arbeiteten im europäischen Truppenhauptquartier, bei der französisch-deutschen Brigade, der Organisation der Minenräumung und im internationalen Bureau zur Gästebetreuung.
Der 7 000 Kilometer entfernte Ennemi waren die Gotteskrieger. Diese kämpften bis 1989 auf Rechnung der USA gegen die sowjetische Besatzung. So lange wurden sie von Politikern, RTL und Luxemburger Wort Freiheitskämpfer genannt. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center und das Pentagon 2001 hießen sie dann Terroristen.
Der Afghanistan-Einsatz war lehrreich für die Luxemburger Armee. Im Kalten Krieg stellte sie sich auf das Aufeinanderprallen konventioneller Heere ein. Nun machte sie Erfahrung mit der Aufstandsbekämpfung. Dazu wurden Mannschaftswagen und Material gekauft.
Um ein Haar erstürmten Gilets jaunes im Dezember 2018 das Élysée in Paris. Im Januar 2021 demolierten Trump-Anhänger das Kapitol in Washington. Erfahrung in der Aufstandsbekämpfung kann sich auch an der Heimatfront bezahlt machen.
Die Taliban konnten nicht besiegt werden. Sie genossen in verschiedenen Landesteilen Unterstützung in der Bevölkerung. Oft als kleineres Übel im Vergleich zu den Besatzungstruppen. Vor allem hatten sie ein Rückzugsgebiet in Pakistan. Das macht sie bis heute unangreifbar. Die USA überzeugten nie ihre pakistanischen Verbündeten, die Grenze dichtzumachen. Der Anstifter der Anschläge auf das World Trade Center, Osama bin Laden, wohnte bis 2011 in Pakistan.
Die Personalkosten von Luxemburgs Afghanistan-Einsatz beliefen sich auf rund zehn Millionen Euro. Hinzu kamen die Materialkosten. Für die Nato nahm auch das staatliche Satellitensystem Govsat am Afghanistan-Krieg teil. Gut 80 Millionen Euro überwies der Staat als Zuschüsse nach Afghanistan. Fast die Hälfte davon ging an den Afghan National Army Trust Fund. 2010 entdeckte die deutsche Regierung, dass die US-Armee 15 Prozent der Spenden ihrer Verbündeten für den Fonds als „frais de dossier“ einbehielt. Der Rest ging an private US-Firmen mit Zulieferverträgen.
Nach all den Jahren kann sich Außenminister Jean Asselborn (LSAP) kaum noch an den Grund für den Kriegseintritt erinnern. Er prophezeite am Samstag im Luxemburger Wort: „[W]enn die Taliban wieder die Oberhand gewinnen, sind die Erfolge der vergangenen 20 Jahre, vor allem im Bereich der Frauenrechte, verloren.“
War also alles umsonst? Unter dem Strich ließen sich die Regierungen von CSV, LSAP, DP und Grünen die Teilnahme am verlorenen Krieg so viel wie den Bau eines Lyzeums kosten. Doch die Ausgaben waren nicht umsonst. Sie galten von Anfang an als PR-Kosten. Die Werbebotschaft lautete: Wir sind zwar eine große, rücksichtslose Steueroase. Aber wir sind auch ein niedlicher, verantwortungsvoller Nato-Partner. Der sogar bereit ist, seinen Blutzoll zu zahlen, damit er Nachsicht erfärt.
Die militärische Bilanz zog D’Wäschfra am 6. November 1880: „Wie ist das Annektiren schwer / Doch im Afghanenlande. / Ob man auch sieg= und ruhmgekrönt, / Und an’s Erraffen längst gewöhnt – / Doch kann das Annectiren / zu schlimmem Ausgang führen.“