Am Montag erläuterten Vertreter des Rechnungshofs dem parlamentarischen Ausschuss für die Institutionen und Verfassungsrevision sowie dem Haushaltskontrollausschuss ihren vor kurzem fertiggestellten Bericht über die staatliche Parteienfinanzierung im Jahr 2017. Die staatliche Bezuschussung der Parteien begann 1966 mit einer seither regelmäßig ausgeweiteten Unterstützung für die parlamentarischen Fraktionen, die es erlauben soll, die Arbeit der Abgeordneten zu professionalisieren. Die Europaabgeordneten der Parteien erhalten zudem Zuschüsse der Europäischen Union. 1976, als jeder traditionellen Partei im Parlament eine Tageszeitung samt Druckerei gehörte oder nahestand, folgte die Einführung der staatlichen Pressehilfe als ursprünglich indirekte Parteienfinanzierung. 1999 wurde dann die nach dem Wahlergebnis gestaffelte Erstattung der Wahlkampfkosten bei Landes- und Europawahlen eingeführt; Gemeindewahlen bleiben ausgeschlossen. 2007 wurden schließlich nicht zweckgebundene Direktzuschüsse an die Parteien geschaffen, die staatliche „Parteienfinanzierung“ im engeren Sinn.
Diese nicht zweckgebundenen Zuschüsse von insgesamt 2,6 Millionen Euro im Jahr 2017 machen etwa ein Drittel der direkten Zuschüsse an die Parteien aus. Der Rechnungshof kontrolliert ihre Auszahlung und legt darüber einen jährlichen Bericht vor. Um in den Genuss dieser staatlichen Parteienfinanzierung zu kommen, müssen die Parteien in allen Bezirken kandidieren, mindestens zwei Prozent der Wählerstimmen erhalten, 40 Prozent Kandidatinnen aufstellen, ihre Konten von denjenigen der Fraktionen trennen, Spenden über 200 Euro offenlegen und Spenden von Unternehmen ablehnen. Derzeit kommen sieben Parteien in den Genuss staatlicher Zuschüsse, CSV, LSAP, DP, Grüne, ADR, Linke und Piraten. Die KPL, Pid, die Konservativen und andere bleiben ausgeschlossen.
Um Anspruch auf staatliche Parteienfinanzierung erheben zu können, müssen die Parteien mehr oder weniger einheitliche Bilanzen und Konten veröffentlichen. Darin fällt auf, dass die Beiträge der Hunderten oder Tausenden von Mitgliedern nur noch eine geringe Rolle in den Einnahmen der Parteien spielen. Da eine Parteikarte je nach Partei unterschiedlich teuer ist, sind die Beitragseinnahmen der LSAP höher als die der CSV, obwohl die CSV mehr als doppelt so viele zahlende Mitglieder beansprucht.
Anteil der Mitgliedsbeiträge an den
Gesamteinnahmen:
LSAP 14,57 %
DP 11,17 %
CSV 9,31 %
ADR 9,00 %
Gréng 7,51 %
Lénk 3,05%
Piraten 0,61%
Gar keine Rolle mehr in den Parteikonten spielen die Spenden. Die staatliche Parteienfinanzierung war auch als Reaktion auf verschiedene Spendenskandale beschlossen worden, um die Parteien unabhängig von okkulten Geldgebern zu machen und den Vorsprung unternehmerfreundlicher Parteien wie der DP, aber auch der CSV gegenüber anderen Parteien zu verringern. Dafür klagen inzwischen die Sprecher der Unternehmerverbände, dass sie kein Gehör mehr bei Politikern fänden. Weil Firmenspenden nunmehr verboten sind und Privatspenden über 200 Euro öffentlich gemacht werden müssen, betrugen die Spenden 2017 nur noch einige tausend Euro jährlich. Wobei bei manchen Parteien die reichsten Spenden von Mandatsträgern kamen, die mehr abgaben, als die Parteistatuten vorschrieben.
Anteil der Parteispenden an den
Gesamteinnahmen:
Lénk 5,07 %
ADR 1,90 %
DP 1,53 %
Piraten 1,33 %
LSAP 1,16 %
Gréng 0,28 %
CSV 0,20 %
Um so größer ist der Anteil der staatlichen Parteienfinanzierung an den Gesamteinnahmen der Parteien. Der Zuschuss ist nach der Zahl der Abgeordneten gestaffelt.
Anteil der Parteienfinanzierung an den Gesamteinnahmen:
ADR 73,17 %
Piraten 68,70 %
CSV 64,57 %
DP 63,09 %
Lénk 55,72 %
Gréng 53,00 %
LSAP 45,85 %
Den zweitgrößten Einnahmeposten stellen die von Partei zu Partei unterschiedlichen Anteile dar, die die Mandatsträger von ihren Diäten und Entschädigungen an die Partei abführen. Eine Ausnahme machte nur die Piratenpartei, die 2017 keine Mandatsträger hatte, seit 2018 aber über zwei Abgeordnete verfügt.
Anteil der Abgaben der Mandatsträger an den Gesamteinnahmen:
LSAP 34,58 %
Gréng 28,20 %
ADR 27,02 %
DP 23,20 %
CSV 15,56 %
Lénk 15,18 %
Piraten 0,00 %
Auf diese Weise bezogen sämtliche Parteien mit Ausnahme der Linken und Piraten über 80 Prozent ihrer Einnahmen vom Staat, direkt als Zuschüsse oder indirekt als Abgaben der Mandatsträger. Einschließlich der Zuschüsse für die Fraktionen und Europaabgeordneten sowie der Wahkampfkostenerstattung ist der Anteil noch weit höher.
Weil die Parteien über diese üppig fließenden Einnahmequellen hoch erfreut sind, werden die politischen Folgen ihrer Verstaatlichung kaum erörtert. Lediglich der Staatsrat hatte 1998, als sich besonders die gegenüber der CSV zurückgehende LSAP und die mittellose ADR für die Parteienfinanzierung stark machten, in einem Gutachten gewarnt: „En effet, le financement du fonctionnement normal d’un parti risque de créer une dépendance des formations politiques à l’égard du financement public qui peut attenter à leur liberté d’action. En plus, elles courent le risque d’être identifiées à des institutions publiques.“
Parteien versuchen, gesellschaftliche Interessen zu bündeln und gesellschaftliche Konflikte zu institutionalisieren, wenn nicht zu ritualisieren. Gleichzeitig organisieren sie staatliche Herrschaft und legitimieren sie, am besten als politisches Monopol. Dadurch sind Parteien gleichzeitig gesellschaftliche und staatliche Organisationen und stellen sich als Vermittler zwischen Gesellschaft und Staat dar. Die Parteikonten zeigen aber, wie durch die staatliche Parteienfinanzierung die Abhängigkeit der Parteien von ihren Mitgliedern, von ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang, geringer und die Abhängigkeit vom Staat größer wird. Der ideelle Gesamtkapitalist Staat wird zum materiellen, wenn nicht ideellen Gesamtparteimitglied anstelle der vielen zahlenden Einzelmitglieder.
Dies scheint die angemessene Organisationsform in Zeiten eines autoritären Liberalismus zu werden, der Demokratie als Populismus abtut und ökonomische Interessen als Sachzwänge gewaltsam durchsetzt, etwa mittels der Gesetz gewordenen Maastrichter Austeritätskriterien. Zu diesem Zweck schreibt das Gesetz über die staatliche Parteienfinanzierung auch eine strenge Trennung von Partei- und Fraktionskonten und damit die Trennung ihrer gesellschaftlichen beziehungsweise institutionellen Aktivitäten vor.
Den Parteiapparaten sind Mitglieder sowieso eine lästige Notwendigkeit, um Wähler zu gewinnen und damit Regierungsbeteiligung. Wenn sie nicht mehr auf Mitgliedsbeiträge angewiesen sind, können sich die Parteiapparate gegenüber den Mitgliedern verselbstständigen: Eine Partei braucht keine Mitglieder mehr, Wahlen zu gewinnen, wird dann zur Aufgabe von Marketingfirmen, die politische Angebote bewerben und aus den großzügigen staatlichen Zuschüssen honoriert werden. Die ideologische Führung zur Integration subalterner Klassen übernehmen Gouvernance-Techniker. Im Extremfall werden Mitglieder durch Facebook, Twitter und RTL-Online ersetzt. Erfolgreichstes Beispiel einer Retortenpartei ohne Mitglieder, die auf die staatliche Bezuschussung spekulierte und Wahlen gewann, ist die Piratenpartei.
Alleine vom Staat ausgehalten, sollen sich die Parteien auf ihre staatlichen Aufgaben konzentrieren: Wahlen gewinnen, Regierungsmitglieder stellen, Verwaltungen besetzen. Die staatlichen Zuschüsse erlauben den Ausbau des traditionell schwachen Parteiapparats, der die rückläufige Militanz der Mitglieder ersetzten soll. Die Einstellung frisch diplomierter Politologen erlaubt, die nahtlose Verbindung zu den Technokraten im Staatsapparat. Ein beredtes Beispiel für die erfolgreiche Entpolitisierung liefern die Grünen, aber auch die sozialdemokratischen Apparatschiks.
Dies spiegelt sich auch in der Ausgabenseite der Parteikonten wider. Bei der LSAP machten die Personalkosten des Parteiapparats die Hälfte der Ausgaben aus, bei den Grünen mehr als ein Drittel. Der neue CSV-Präsident, Frank Engel, will ein Gehalt als Parteifunktionär. Bei der DP machten die Personalkosten bloß sieben Prozent aus, fast die Hälfte aller Ausgaben der Piratenpartei sind unter „autres charges externes“ verbucht. Liberale Parteien scheinen lieber Aktivitäten zu outsourcen. Das hängt aber auch mit den Disparitäten zwischen den Ausgabenposten der einzelnen Parteien zusammen. Eine Rolle spielte 2017, wie zentral oder dezentral die Parteien ihren Gemeindewahlkampf führten. Kleine Parteien mussten ihren wenigen und schwachen Lokalsektionen zu Hilfe kommen, bei der CSV mit 107 Unterorganisationen zogen größere Sektionen lieber selbstständig in den Wahlkampf. Entsprechend unscharf war auch die Trennung zwischen den Ausgaben der Parteien für Propaganda und für den Gemeindewahlkampf.