Der Abgeordnete Paul Galles, das grüne Gewissen der CSV-Fraktion, wollte den Dingen auf den Grund gehen. Und stellte dem wissenschaftlichen Dienst des Parlaments die Frage: Was bringt die 2021 eingeführte CO2-Steuer „pour limiter les dommages sociaux et environnementaux liés aux émis-
sions de gaz à effet de serre au Luxembourg et dans le monde“? Ende vergangener Woche erhielt er eine Antwort: Viel bringt sie offenbar nicht. Vor allem dem Weltklima nicht. Selbst wenn sie bis 2026 auf 45 Euro pro Tonne CO2 steigt, wie noch die vorige Regierung in einen Gesetzentwurf schrieb, den die neue Regierung anscheinend beibehalten will.
Ganz wissenschaftlich deutet der Dienst der Kammer an, dass eine viel höhere Steuer nötig wäre, um spätestens 2050 „Klimaneutralität“ zu erreichen, wie die EU sich vorgenommen hat. Er zitiert das Klima-Observatorium, das im Frühjahr empfohlen hatte, die Steuer progressiv auf mindestens 200 Euro die Tonne zu erhöhen. Für 200 Euro hatte auch der vor zwei Jahren vom damaligen DP-Premier Xavier Bettel einberufene Klima-Biergerrot plädiert. Ein deutsches Wissenschaftlergremium rechnete vor einem Jahr 175 bis 350 Euro die Tonne als für die EU nötig aus. Eine Steuer in solcher Höhe müsse, so der wissenschaftliche Dienst, unbedingt sozial gerecht ausgestaltet sein und mit ihren Zielen transparent kommuniziert werden, damit sie gesellschaftlich akzeptiert wird. Wirksamer als eine nationale Steuer sei natürlich eine einheitliche für die EU, noch besser eine internationale. So könne die kleine und sehr offene Luxemburger Wirtschaft auch am besten dem Risiko von „fuites de carbone“ entgehen, der Verlagerung von Aktivitäten an fiskalisch attraktivere Standorte. Doch eine internationale Steuer sei „hautement complexe“, weil sie Gerechtigkeitsfragen zwischen den Ländern aufwerfen würde. Vielleicht könnten besonders viel CO2 ausstoßende Staaten „clubs climat“ gründen und unter sich eine Besteuerung ausmachen?
Mit Blick auf die Beschlüsse des Klimagipfels in Dubai Anfang der Woche erscheint das wie Sciencefiction. Aber hinter dem politischen Projekt CO2-
Steuer stand nie das Ziel, das Weltklima retten zu wollen. Einen Pfad in Richtung Klimaneutralität 2050 zu schlagen, auch nicht wirklich. Es ging – und geht – in erster Linie um einen Ausstieg Schritt für Schritt aus dem Tanktourismus. Resolut genug, damit sich das nationale CO2-Einsparziel bis 2030 einhalten lässt und die „Trajektorie“ dorthin, die Luxemburg von der EU als Beitrag zur Klima-Lastenteilung in der Union zugewiesen wurde. Behutsam genug, damit der Tanktourismus nicht ganz einbricht und das kein Loch von vielleicht einer Milliarde in die Staatskasse reißt. Behutsam genug auch, damit die Extraeinnahmen aus der Steuer hoch genug bleiben. So dass die eine Hälfte davon, die zum sozialen Ausgleich der Steuer dienen soll, dies auch kann. Und damit aus der anderen Hälfte Investitionen in die Energie-Transition bezuschusst werden können. Wenn 70 Prozent des in Luxemburg verkauften Sprits exportiert werden, subventionieren Pendler, Tanktouristen und LKW-Firmen im Transit den Aufbau eines neuen Akkumulationsmodells hierzulande, eines grünen Kapitalismus.
Bisher klappt das offenbar. 2021 lagen die Emissionen aus dem Transport 6,8 Prozent unter dem Maximalwert auf der Trajektorie Richtung 2030. 2022 wahrscheinlich ebenfalls. Zusammengedacht damit, dass laut Mehrjahresstaatsbudget 2022-2026 der Erlös aus der CO2-Steuer für 2023 auf 279 Millionen Euro veranschlagt wird und 2026 noch immer 249 Millionen betragen soll, scheint das Ziel erreichbar, die Emissionen maximal zu reduzieren, während zugleich die Einnahmen aus dem Spritverkauf maximal bleiben.
Der wissenschaftliche Dienst der Kammer findet es ungerecht, die „Verantwortung“ für die Luxemburger Emissionen Tankkunden aus dem Ausland zu übertragen. Denn Luxemburgs „Konsum“ verursache die weltweit höchsten CO2-Emissionen pro Kopf. Vielleicht ist das die politischste Einschätzung in dem Bericht. Doch damit zu hantieren, ist schwierig. Der „Konsum“, in den auch Importe eingehen, wird von den Klimaberechnungen laut UN-Rahmenkonvention nicht erfasst. Er ist zu komplex und lässt sich nur schätzen. In CO2-Emissionswerten steckt deshalb die Produktion in einem Land. Was darüber hinausreicht, fällt unter Moral. Wie schwer sich damit Politik machen lässt, hat die COP28 soeben vorgeführt.