Tzeedee

Vogelstimmen und Improvisationen

d'Lëtzebuerger Land vom 22.02.2013

Mit Vorliebe im Frühjahr, zur Paarungszeit der Vögel, wenn deren Gesang besonders charaktervoll und vielfältig erklingt, durchstreifte Olivier Messiaën die Landschaften Frankreichs. Er ließ sich in den Alpen und den Pyrenäen nieder, der Provence und der Camargue, und hielt mit Stift und Notizblock den Gesang der Vögel fest, bevor er ihn in seine Musik integrierte. Messiaën war der bekannteste unter den komponierenden Ornithologen, aber die Vogelstimmen haben nicht nur ihn fasziniert: Haydn und Beethoven, Debussy und Strawinsky haben sich daran inspiriert und eine verspielte, bunt schimmernde Musik geschrieben. Eine ganz eigenwillige Art und Weise, den Vogelgesang wiederzugeben, hatte der Komponist und begnadete Jazz-Posaunist Albert Mangelsdorff.

Mit ihrem ersten Album Run, sing and fly taucht auch die junge luxemburgische Saxophonistin Anaïs Lorentz ein in die Welt der Vögel. Die Scheibe, die Ende letzten Jahres in Köln aufgenommen wurde, wird am 28. Februar in der Abtei Neumünster vorgestellt. Mit acht Jahren nahm die Künstlerin ihre ersten Saxophonstunden am Hauptstädtischen Musikkonservatorium. Später studierte sie bei Christian Joyeux am Conservatoire National de la Région de Metz, schloss am Conservatoire de Flandre ein Master ab und vervollständigte ihr Studium bei Norbert Nozy am Königlichen Konservatorium in Brüssel. Seit sie 20 Jahre alt ist, unterrichtet Anaïs Lorentz Saxophon am Hauptstädtischen Musikkonservatorium. In den vergangenen Jahren hat die Saxophonistin zunehmend mit Soloauftritten, Kammerkonzerten und Jazz-Vorstellungen auf sich aufmerksam gemacht.

Bei ihrem Debütalbum präsentiert sich Anaïs Lorentz gemeinsam mit der japanischen, in Luxemburg lebenden Pianistin Kae Shiraki. Auch Pascal Schumacher ist mit von der Partie – als Produzent, als Vibraphonist und als Komponist der Nummer Lue’s Bird Blues. Run, sing and fly ist ein durch und durch verspieltes, klanglich berauschendes und vor allem sehr virtuoses Album. Als erste Nummer interpretiert Anaïs Lorentz Debussys Saxophon-Rhapsodie und raucht schmeichelhafte, geschmeidige Töne aus diesem „animal à anche“, wie Claude Debussy das ihm nicht sehr geläufige Instrument seiner Auftraggeberin, der amerikanischen Saxophonistin und Mäzenin Elise Boyer Hall, nannte, heraus. Das Werk zeigt den Komponisten unbestreitbar auf der Höhe seiner Schaffenskunst. Am Klavier gibt sich Kae Shiraki mit ihrem rhythmisch markanten Spiel kraftvoll und entschlossen.

Die Fuzzy Bird Sonata des zeitgenössischen japanischen Komponisten Takashi Yoshimatsu ist von der Form her eine klassische Sonate. Farblich gesehen ist das Werk allerdings alles andere als konventionell. Auf brillante Art und Weise geben Anaïs Lorentz mit ihrer bestechenden Technik am Altsaxophon und Kae Shiraki am Klavier die grellen Triller, die spielerischen Triolen und die stumpfen Tupfer des herumhüpfenden und flatternden, aufschreienden dann wieder ruhevoll gelassenen fuzzy bird wieder. Auch Phoenix ist ein Werk eines japanischen Zeitgenossen: Ryo Noda fordert hier von Anaïs Lorentz kuriose, souverän umgesetzte Intervallsprünge, einschneidende Kontraste und verzierende Improvisationen. Mit expressiver Rhythmik und verjazzten Effekten kommt Pascal Schumachers Lue’s Bird Blues daher. Run, sing and fly ist ein faszinierend vielseitiges, kurzweiliges Album, das mit seiner Bandbreite an Melodien und Rhythmen, Skalen und Harmonien, Farben und Konturen, Tempi und Spannungsbögen überzeugt. Das vielversprechende CD-Debüt einer talentierten Künstlerin.

Anaïs Lorentz wird Run, sing and fly am 28. Februar im Rahmen des Festivals Piano Plus (siehe unten) in der Abtei Neumünster vorstellen. Karten gibt es unter Tel. 26 20 52 444 oder billetterie@ccrn.lu; weitere Infos unter: www.ccrn.lu.
Marc Fiedler
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