EP Mount Stealth von Mount Stealth

Atmosphärische Kontraste

d'Lëtzebuerger Land vom 08.06.2012

Wer sich schon immer eine luxemburgische Supergruppe gewünscht hat, dem ist mit Mount Stealth geholfen. Denn die vierköpfige Band besteht aus altbekannten Gesichtern der Indieszene, die sich schon in etlichen Bands bewährt haben. Gitarrist und Keyboarder David André und Schlagzeuger Max Nilles taten sich nach dem Ende der Band Miaow Miaow mit dem Gitarristen und Keyboarder Claudio „Pi“ Pianini und Paul Bradshaw (Gitarre und Bass) zusammen. Alle Bandmitglieder außer André spielten außerdem bei Actarus und Treasure Chest at the End of the Rainbow; André selbst war noch bei Metro tätig. Die Musiker haben also nicht nur jahrelange Erfahrung in erfolgreichen Bands gesammelt, sondern kennen sich bereits seit einiger Zeit persönlich. Zwei sehr gute Voraussetzungen zum Liedermachen, und die erste EP der vierköpfigen Formation enttäuscht nicht.

Mit 1950, dem ersten Titel der EP, bietet die Band eine perfekte Einleitung zu ihrem experimentellen Post-Rock, in dem der Synthesizer genauso wichtig ist wie Gitarrenriffs. Der elektronische Teppich mit der markanten, verträumten Synth-Melodie unterscheidet sich sehr von den vorigen Rockabenteuern der Musiker. Kein Miaow Miaow at the End of the Rainow also. Auch wenn das Genre ein anderes ist, sind die verschiedenen Stile der Musiker jedoch unverkennbar. In Tortuga, einem der Höhepunkte der Platte, stellen die Gitarristen ein präzises und einfallsreiche Spiel unter Beweis. Der Dialog zwischen komplexen, schnellen Riffs klingt mühelos und verspielt. Bradshaws und An-drés Finger scheinen ein Eigenleben zu führen, so präzise rennen sie über die Griffbretter.

Der Titel Azymuth wird von einem markanten Rhythmus geleitet, der vor allem gegen Ende des Titel sehr Indie-lastig dahin rollt. In Plus/Minus sorgt der in den Sechzigern und Siebzigern so populäre Reverse-Gitarreneffekt für eine psychedelische Atmosphäre, die zwar mit der verzerrten Basslinie und dem sich steigernden Beat kontrastiert, gleichzeitig aber für ein volles Klangbild sorgt. Vices beginnt mit sommerlich klingenden Akkorden und hebt sich vor allem wegen der knackigen Übergänge zwischen Bass und Gitarren hervor. Hier sollte man den Bass aufdrehen, um dessen groovigen Riff, der sich durch den Hintergrund schlängelt, nicht zu verpassen. Geronimo fängt gemächlich an, explodiert aber bald in ein Post-Rock-Fest aus eigensinnigen Soli und sich scheinbar immer abwechselnden Trommelwirbel. Der Song endet, und somit auch die EP, in einem knackigen Finale, das sich wiederum sehr vom Anfang der Platte unterscheidet. Kontraste im Vollprogramm eben.

Mount Stealth haben sich Zeit fürs Songschreiben genommen, denn nach zwei Jahren Bestehen müssen Fans sich erst einmal mit nur sechs Aufnahmen zufrieden geben. Nach kurzem Reinhören versteht man das jedoch nicht als eine Begrenzung. Ganz im Gegenteil: Füller gibt es auf dieser Platte keine, die Kompositionen sind extrem ausgefeilt. So sehr, dass man sich vorstellen kann, wie die Band an jedem Stück so lange akribisch werkelt, bis am Ende jede Note ihren perfekten Platz hat. „Chirurgisch“ beschreibt die Band ihre Einstellung zur modernen Musik. Kein Raum für Fehleingriffe also, und die sechs perfekt arrangierten Songs könnten für manch einen Rockfan mitunter ein wenig zu steril und sauber klingen. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass sich experimenteller Post-Rock, mit seinen schnellen Melodien und hektischen Wechseln, nicht zur Hintergrundmusik beim Kreuzworträtsellösen eignet. Dazu ist er zu komplex. Auch bei Mount Stealth genügt ein Durchlauf der EP nicht, um das ganze Spektrum der Kompositionen zu erfassen. Diese Platte wächst mit jedem Hinhören; was Post-Rock-Freunde freuen wird. Durch das freudige Experimentieren mit elektronischen Elementen und den Indie-Beats könnte das Genre durch Mount Stealth sogar neue Fans gewinnen. Eine Platte, die man sich also auf keinen Fall entgehen lassen sollte.

Mount Stealth: EP ist als CD und LP erhältlich; mehr Infos unter www.mountstealth.com und http://mountstealth.bandcamp.com.
Claire Barthelemy
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