Rosa Es ist noch keine zehn Jahre her, als Werbeagenturen und Werbetexter die Frauen als Zielgruppe entdeckten. Dazu waren gerade zwei wichtige Fakten bekannt geworden: 85 Prozent aller Haushaltsausgaben werden von Frauen getätigt und 70 Prozent aller globalen Ausgaben werden von Frauen entschieden. Eine neue Welt tat sich auf für die Industrie. Man war sich plötzlich dessen bewusst, was viele Supermarktkassiererinnen schon lange wussten: Die Frauen haben das Geld. Nun galt es gezielter zu werben; Frauen bewusst anzusprechen. Das stellte sich jedoch als schwierig heraus. Beispiele von Marketing-Kampagnen mit fragwürdigem Ausgang gab es nicht nur in der Automobilindustrie: Es begann mit rosa Autos und endete mit kleineren Kugelschreibern für zierliche Frauenhände. Was vergessen wurde, und heutzutage immer noch wird, ist, dass nicht alle Frauen in ein und dasselbe Raster passen. (Ich weiß, es klingt unwahrscheinlich, aber Frauen sowie Männer sind alle individuelle Persönlichkeiten.)
So wacht nun auch der Finanzsektor auf und sieht das Potenzial „Frau“ ganz neu. Es zirkulieren Unmassen Statistiken, die belegen sollen, wie mehr Diversität in den Vorständen den Firmen mehr Einnahmen und Profite bringen sollen. Verbinden wir dieses Frauenthema mit dem Fakt, dass 59 Trillionen USD (Boston College Studie 2014) bis 2061 vererbt werden (30 Trillionen gehen an die nächste Generation, also Millenials), versteht man schnell, warum Frauen und Millenials plötzlich bei den Banken und den Vermögensberatern hoch oben auf er Tagesordnung stehen.
So geschehen am 14. Juni bei einer Konferenz in der State Street Bank (organisiert von Nobelux). Hier wurde das Phänomen in drei Diskussionsrunden aus der lokalen sowie der skandinavischen Perspektive beleuchtet. Was kann man von den nordischen Ländern lernen und wie positioniert sich Luxemburg? Wie sehen die Prioritäten im Investmentbereich für Frauen und Millenials aus? Und welche Produkte kann der Luxemburger Finanzplatz heute anbieten?
„Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist wichtig, aber nicht um jeden Preis“, wurde immer wieder betont. Die Gemeinsamkeiten zwischen den gewählten Prioritäten Frauen und Millenials wurden durch zwei Unterthemen unterstrichen: nachhaltige Investitionen und vertrauenswürdige Beziehung zum Berater.
Nachhaltigkeit Den Trend zu nachhaltigen Investitionen lässt sich seit 2008, mit Beginn der Finanzkrise, beobachten. Zwischen 2008 und 2014, in sechs Jahren also, haben sich die Investitionen in nachhaltige Fonds, alleine in Deutschland, vervierfacht. Nur was bedeutet nachhaltig investieren? Und wie oder wer garantiert für die Nachhaltigkeit der Investition? Vor drei Jahren testete die Verbraucherzentrale Bremen, zusammen mit der Zeitschrift Finanztest, 44 europäische Investmentfonds auf ihre Nachhaltigkeit. Interessant an der Studie war, dass eine luxemburgische Fondsgesellschaft zu den Testgewinnern zählte: Ökovision Classic C. Das war zugleich der einzige Fonds, der den strengen Vorgaben des Verbraucherschutzes gerecht wurde. Im vergangenen Jahr erzielte der Fonds eine Rendite von 17,62 Prozent und wurde 2016 im Segment „Sustainable Investment“ als „herausragend“ beurteilt, wofür er den deutschen sowie den österreichischen Fondspreis erhielt.
Von den restlichen 43 Fonds schlossen 39 nicht aus, in Kohle und die Ölindustrie zu investieren, was mit nachhaltigem Investieren nichts zu tun hat. Somit schneidet Luxemburg in dieser Kategorie sehr gut ab, allerdings kann ein Fonds von 709 Millionen Euros nicht den kompletten Bedarf des Marktes decken. Hier tut sich eine kleine aber feine Nische auf, die Luxemburg nutzen könnte.
Vertrauen Wer im Duden nachschlägt, was unter Vertrauen steht, findet folgende Definition: „festes Überzeugtsein von der Verlässlichkeit, Zuverlässigkeit einer Person, Sache“. Wenn unsere Zielgruppe also nach vertrauenswürdigen Produkten und Firmen sucht, dann wollen sie Transparenz und ein ehrliches Verhältnis zum Investmentberater.
Wie lässt sich ein solches vertrauensvolles Image aufbauen? Welche Werte müssen Produkte und Firmen vorleben, um diese Zielgruppen zu überzeugen und den Markt zu erobern? Sara Alsen, Spezialistin für Marketing für Frauen und Millenials der Firma Burson-Marsteller, ist überzeugt: Emotionale Geschichtenerzählung ist eine der wichtigsten Bausteine für eine erfolgreiche Werbekampagne, die Vertrauen erwecken soll. Es geht darum, Emotionen zu bedienen und Beziehungen zwischen der Marke und den potentiellen Kunden herzustellen. Ist das Ziel erreicht und zeigt der potenzielle Kunde Interesse, geht es in die zweite Etappe der Akquisition: die Prüfung.
Hat man nun Vertrauen erweckt, muss der Anbieter den Kunden überzeugen, dass die Werte der Nachhaltigkeit und Ethik intern „gelebt“ werden. Kann man einer Bank oder einem Fonds Glauben schenken, die zwar im Marketing für Diversität wirbt, aber weder Frauen noch Mitarbeiter unterschiedlichen Alters oder Herkunft bei sich beschäftigt? Mitarbeiter können ethisch korrekt handeln und transparent sein, aber wenn selbst gewählte Werte in der Firma und vom Vorstand nicht gelebt werden, entlarven sich angeblich geschätzte Kunden schnell als pure Einnahmequelle.
Wie schneidet Luxemburg hier ab, wie seine lokalen Banken? Luxemburg belegt in der globalen Gender-Gap-Studie des World Economic Forum Platz 34. Es besteht klar Nachholbedarf. Und die Banken? Betrachtet man die Vorstände der größten nationalen Banken, wird schnell klar dass, selbst wenn sie Produkte speziell für die benannten Zielgruppen entwickeln würden, sie doch erhebliche Probleme hätten zu überzeugen. Die Fakten stimmen nicht mit dem Marketing überein.
Die lokale Spuerkeess schneidet mit einem Frauenanteil von 20 Prozent unter den Vorstandsmitgliedern am besten ab, gefolgt von der BGL (zehn Prozent), der Banque de Luxembourg (neun Prozent), der Raiffeisen (sechs Prozent) und der Bil (null Prozent). Im scharfen Kontrast dazu steht eine Bank wie Nordea. Ihr Vorstand besteht zu 50 Prozent aus Frauen. Es existieren heute einige lokale Banken, die Produkte speziell für Frauen und Millenials entwickeln, zum Beispiel die Nordea und die Banque de Luxembourg. Jedoch sucht man hierzulande vergeblich nach einer Bank, die das Konzept auch intern und im Management lebt und umsetzt. Das Interesse an der Konferenz war vielleicht genau deshalb so groß, wie die hohe Teilnehmerzahl zeigte. Im Publikum saßen interesseierte Abnehmer einer frauenspezifischen Offerte, aber auch Banken und Vermögensverwalter, die sich des Potenzials der neuen Zielgruppe der Frauen und Millennials bewusst sind, aber nicht wissen, wie sie sich klar positionieren können. Daher wurden als Diskussionsteilnehmer Kollegen aus Skandinavien eingeladen. Sie sollten Ideen und Ansporn bringen.
Fallstudie: Island Ideen gab es natürlich viele aber konkrete Antworten konnten unsere europäischen Nachbarn aus dem Norden auch nicht geben. Denn selbst in den Ländern, die als Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung der Geschlechter gelten, funktioniert noch nicht alles wie es sollte. Da ist zum Beispiel Island: Laut Gender-Gap-Studie stets es seit sieben Jahre ungebrochen auf Platz eins. Aber was heißt ein solcher erster Platz? Island weist den Weg mit 46 Prozent Frauenanteil in Vorständen, aber der trickle-
down-Effekt ist mit nur 22 Prozent Frauen im Management bisher ausgeblieben, ein Stand, der seit Jahren unverändert ist. So sind zwar 80 Prozent der Isländerinnen (in Luxembourg sind es knapp über 60 Prozent) erwerbstätig, aber die Frauen verdienen noch immer 14 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen (In Luxemburg liegt dieser Unterschied bei „fantastischen“ 8,6 Prozent).
Quoten allein reichen also nicht, um Ideen und Werte wirklich zu leben. Darum müssten sich lokalen Betriebe aber auch die Politik stark machen. Gesellschaftlicher Wandel ist immer schwierig. Auch wenn Luxemburg nur auf Platz 34 liegt, hat die aktuelle Regierung Veränderungen umgesetzt oder eingeleitet, so zum Beispiel das Gesetz zur Lohngleichheit und die Verpflichtung, 30 Prozent der Vorstandsposten in öffentlichen und Firmen mit staatlichen Aufsichtsräten, mit Frauen zu besetzen.
Zählt man die Kompetenzen im Finanzsektor zu diesen Initiativen hinzu, ebenso angesichts des Interesses, lukrative Nischen zu finden, so wäre es sicherlich keine große Überraschung, wenn Luxemburg und die lokalen Banken und Fonds schon bald entscheiden würden, ein Stück vom 59-Trillionen-Markt zu bedienen. Jetzt ist die Zeit reif dafür. Aber um die nötigen Produkte anbieten zu können, benötigen Banken und lokale Firmen einen Anschub, in der Hoffnung, dass sie sich auch zu mehr Diversität in Vorstand und Management durchringen. Talent gibt es hierzulande genug – und falls nicht, hat Luxemburg viel zu bieten, um eben dieses Talent anzuziehen. Bleibt also, die Gelegenheit beim Schopf zu packen, bevor es jemand anderes tut.