Die Regierung verspricht ihren Bürgern Akteneinsicht in Amtsunterlagen

Mogelpackung

d'Lëtzebuerger Land vom 15.02.2013

„Wir sind gespannt auf das Gesetzesprojekt“, hatte der Präsident des Luxemburger Presserates, Fernand Weides, im Januar anlässlich des Neujahrsempfangs der Presse gesagt. Das war, nachdem Premierminister Jean-Claude Juncker (CSV) ein weiteres Mal versprochen hatte, ein Informationsfreiheitsgesetz zu hinterlegen. Ursprünglich sollte ein solches Gesetz, das es Bürgerinnen und Bürgern in Luxemburg erlauben würde, Informationen der öffentlichen Hand zu verlangen, kommen, als das alte Pressegesetz modernisiert wurde. Das war 2003.

Seitdem vertröstete der Premier die Öffentlichkeit Jahr um Jahr aufs Neue. Nun also, nach jahrelangem Warten, liegt ein neuer Vorschlag vor. Aber der dürfte zumindest die Begeisterung der Pressevertreter kaum steigern. Denn es handelt es sich bei dem Text um fast denselben Entwurf, den der Presserat 2008 einstimmig abgelehnt hatte. So restriktiv war der Vorgänger, dass weder die Verleger, noch die Journalisten damit leben wollten. Die spöttische Bezeichnung „Desinformationsgesetz“ machte die Runde, der Entwurf verschwand auf Nimmerwiedersehen in der Schublade. Dachte man.

Vier Jahre hatten der Staatsminister und seine Beamten Marc Colas und Luc Feller nun Zeit, den Vorentwurf zu überarbeiten. Es ist dabei wohl kein Zufall, dass der Presserat dieses Mal nicht in die Vorarbeiten eingebunden wurde. Denn was dabei herausgekommen ist, entspricht über weite Strecken dem Vorentwurf von 2008. Im Motivenbericht stehen dieselben Referenzen wie 2008, obwohl sich seitdem in Sachen Informationsfreiheit auf internationaler Ebene einiges getan hat.

Doch schlimmer ist: Das Mehr an Transparenz der öffentlichen Ämter für den Bürger wird es auch mit diesem Text nicht geben. Der Entwurf ist nicht klarer geworden, es wimmelt von schwammigen Formulierungen und vagen Begriffen. Es dominieren die Einschränkungen und Ausnahmen statt positiv formulierte Rechte. So sollen alle jene Dokumente unzugänglich bleiben, die die Außenbeziehungen betreffen, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung. Auch die Sicherheit von Personen und der Respekt der Privatsphäre, zwei weitere Ausschlussgründe sind, so absolut formuliert wie im Text, kritisch zu sehen. Wenn eine Information ein möglicherweise korruptes Verhalten eines Beamten oder Politikers in seinem Amt betrifft, ist sie dann Privatsache oder nicht?

Ähnlich bedenklich ist die Ausnahme für kommerzielle Informationen „au caractère confidentiel“ oder, noch vager, „aux intérets commerciaux et écononomique de l’État“ oder der Ausschluss von Informationen „à la capacité de l’État de mener sa politique économiques“ . Damit ließen sich in Zukunft jegliche Verträge, die zwischen Staat und Privatunternehmen abgeschlossen werden, der Öffentlichkeit vorenthalten. Derartige Informationen abfragen zu können, ist aber wichtig, um etwa Korruption bei öffentlichen Geschäftsabschlüssen wirksam zu bekämpfen. Es sind Formulierungen, an denen der ehemalige Wirtschaftsminister Jeannot Krecké wohl seine Freude gehabt hätte. Er hatte Greenpeace einst Umweltdaten über eine Netzstudie der Cegedel mit dem Verweis aufs Betriebsgeheimnis verweigert. Die Richter aber sprachen sich zugunsten von Greenpeace aus. Krecké musste die Informationen herausgeben.

Damit nicht genug. Die Liste der Ausnahmen in Junckers Vorschlag ist lang: So dürfen Informationen nicht zugestellt werden, wenn sie das Verhalten einer Person beschreiben „dès lors que la divulga-tion de ce comportement pourrait lui porter préjudice“. Damit könnte sich künftig jeder Minister oder Beamte davor wehren, dass Berichte oder Schriftstücke von ihm oder über ihn veröffentlicht werden.

Außerdem darf die Verwaltung keine Dokumente herausgeben, die in Vorbereitung sind oder interne Kommunikationsvorgänge oder Beratungen betreffen. Damit sind gesetzgeberische Prozesse für den Bürger nur bedingt einseh- und nachvollziehbar. Umweltstudien oder Planstudien über Wohnbedarf, Fluglärm, Bodenschätze könnten zurückgehalten werden, wenn sie beispielsweise dazu dienen, ein Gesetz oder einen Vertragsabschluss vorzubereiten.

Im Entwurf steht zwar, die Ausnahmen seien von den Verwaltungen restriktiv zu interpretieren und mit dem öffentliche Interesse an einer Veröffentlichung abzuwägen, aber was das meint, dafür gibt der Entwurf keine Anleitung. Eher spielt der Text Behörden in die Hände, die sich weiter vorm Bürger abschotten wollen. Dass das keine unbegründete Befürchtung ist, zeigen Erfahrungen, die in Deutschland mit dem Informationsfreiheitsgesetz oder in Frankreich mit dem Informationszugang gemacht wurden. Beide Länder haben eine ähnliche Tradition von Amtsverschwiegenheit und Obskurantismus wie Luxemburg, entsprechend häufig sind Klagen über Verwaltungen, die sich trotz gesetzlicher Verpflichtung weigern, Dokumente an die Bürger auszuhändigen. Immerhin haben die dortigen Gerichte bereits Richtung weisende Urteile gefällt, die eine allzu restriktive Lesart verbieten. Dennoch: Auf einer Hitliste der weltweiten Informationszugangsgesetze http://rti-rating.org/results.html nehmen Deutschland, Frankreich und Belgien Plätze am unteren Ende der Skala ein.

Junckers Entwurf enthält zudem Widersprüche: So steht unter den Kommentaren zum Artikel 7, dass ein Bürgerantrag, der nicht binnen der Frist von einem Monat beantwortet wurde und zu dem das befragte Amt schweigt, als abgelehnt gilt und der Antragsteller nun eine Kommission damit befassen kann, die im Streitfalle entscheiden soll. Dabei wird in dem neuen Entwurf eben diese Kontrollkommission (im Vorentwurf beim Staatsministerium angesiedelt) durch den – schwerfälligeren, langwierigen und teureren – Weg vor das Verwaltungsgericht ersetzt. Im Artikel 7 steht darüber hinaus, das Amt müsste eine Ablehnung immer begründen. Was gilt denn nun? Immerhin: Bei der Kostenfrage für den Informationszugang soll nun das Kostendeckungsprinzip gelten, das heißt, eine Kopie (der Text spricht von Einmalkopien) der beantragten Informationen darf nicht teurer sein als ihre Entstehungskosten.

Auf die Gefahren, die durch ein restriktives Informationszugangsgesetz für die Presse entstehen, hatten Medienvertreter bereits während einer Unterredung mit den Autoren aus dem Staatsministerium im Jahr 2008 ausführlich hingewiesen. Dass die schwarz-rote Regierung dennoch in fast allen Punkten unbeirrt an der alten Vorlage festhält, zeigt, wie wenig sie auf die Meinung der Presserates gibt. So wenig, dass sie sogar den Artikel darin behalten hat, der seinerzeit für die empörten Abbruch der Gespräche gesorgt hatte: So soll die kommerzielle Nutzung und Weiterverbreitung öffentlicher Informationen durch Dritte komplett verboten sein. Damit werden quasi sämtliche Medien von der Nutzung des Informationszugangs ausgeschlossen. In Thüringens Informationsfreiheitsgesetz konnte ein ähnlich restriktiver Passus durch ein breites Bündnis von Journalisten und Bürgerrechtlern verhindert werden. In Großbritannien wurde durch Anfragen von Journalisten über das dortige Freedom of Information-Gesetz Rassismus bei der Einstellungspraxis an Universitäten publik, Steuerzahler erfuhren so über allerlei unsinnige Ausgaben durch Staat und Gemeinden, Polizeigewalt auf Demonstrationen wurde aufgedeckt. In Deutschland flog über das Informationsfreiheitsgesetz eine von der Bundesregierung veranstaltete – und bezahlte – exklusive Geburtstagsfeier für den damaligen Deutsche Bank-Direktor Josef Ackermann auf.

Luxemburgs Journalisten träfe ein schwaches Informationszugangsgesetz doppelt, denn anders etwa als ihre deutschen Kollegen haben sie, trotz modernisiertem Pressegesetz, noch immer kein eigenes Informationsrecht. Bundesländer wie Rheinland-Pfalz oder das Saarland sehen in ihren Pressegesetzen dagegen ausdrücklich eine Pflicht für Behörden vor, Journalisten Rede und Antwort zu stehen. Dieses muss in einem für die journalistische Arbeit akzeptablen Zeitraum geschehen und kann nicht, wie beim Informationszugang, ein Monat betragen. Staatsminister Juncker hatte stets – fälschlicherweise – behauptet, so etwas gebe es im Ausland nicht. Dabei hatten Mitglieder des Presserates ihm auf seine Anfrage hin sogar Gesetzesvorlagen zugeschickt, die das Gegenteil belegen. Ein ziemlich unüblicher Vorgang.

Und die Moral von der Geschichte? Der Staatsminister und seine Beamten haben zwar einen neuen Vorschlag vorgelegt, sie sind aber offenbar weiterhin nicht an einem leistungsfähigen Informa-tionszugang für alle Bürger interessiert. Und noch weniger an einem für Journalisten. Es ist übrigens derselbe Staatsminister, der derzeit wegen undurchsichtiger Vorgänge beim ihm untergeordneten Geheimdienst in der Kritik steht und dessen Regierung sich in der Wickringen-Liwingen- sowie in der Cargolux-Affäre blutige Nasen holte. Und der als Eurogruppenchef internationale Schlagzeilen provozierte durch seinen Ausspruch: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“

Ines Kurschat
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