Österreich

Neues Haus, neuer Stil?

d'Lëtzebuerger Land vom 27.01.2023

Schwarz schimmernd, mit goldener Verzierung: Der edle Konzertflügel aus dem renommierten Haus Bösendorfer in der Eingangshalle des Parlaments in Wien ist in seiner glänzenden, dem Jugendstil nachempfundenen Pracht ganz nach dem Geschmack von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Der frühere österreichische Innenminister, der seiner Volkspartei einen harten Law-and-Order-Kurs vor allem in der Migrationspolitik vorgegeben hatte, hat den Flügel schließlich selbst angeschafft und präsentiert sich als Schöngeist: Gegen vehemente Kritik ob der hohen Kosten hat Sobotka seine Entscheidungsbefugnis bei der Renovierung des österreichischen Parlaments genutzt und eigenwillige künstlerische Akzente gesetzt. Über die Debatten um die Kosten von 3 000 Euro Miete pro Monat sieht der 67-jährige Langzeit-Parlamentarier und Musiker nonchalant hinweg.

Zur Wiedereröffnung nach fünfjähriger Sanierungs- und Umbauzeit jedoch wünschte sich Sobotka dann Immaterielles, nämlich eine neue Tonart im Plenum: Mehr gegenseitiger Respekt, mehr Konsens, mehr sachliche Debatte sollen mit der baulichen Erneuerung in den politischen Prozess einziehen. Dass es um den Parlamentarismus in Österreich, zumindest dessen Ansehen bei den Bürger/innen, nicht allzu gut bestellt ist, belegten zuletzt Umfragen. Das Marktforschungsinstitut Soras erhob zu Jahresbeginn, dass nur mehr 38 Prozent der Befragten Vertrauen ins Parlament haben – acht Prozent weniger als im Vorjahr. Zu mehr „Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und Anstand“ rief denn auch die ehemalige Präsidentschaftskandidatin und Parlamentarierin Irmgard Griss bei der Eröffnung des Hauses auf.

Doch gerade aus dem Munde Sobotkas klangen derlei Ermahnungen für viele zumindest erstaunlich. Hatte sich derselbe Sobotka als Vorsitzender doch gerade bei einem der wichtigsten parlamentarischen Instrumente, dem Untersuchungsausschuss, alles andere als feinsinnig gezeigt. Der Ausschuss, der im Nachklang der Ibiza-Affäre eingerichtet worden war, sollte Korruption vor allem in den Reihen der Freiheitlichen und der Kurz-Volkspartei aufklären. Geringe Gesprächsbereitschaft, zeitraubende Geschäftsordnungsdebatten und Erinnerungslücken vor allem in den konservativen Reihen führten jedoch dazu, dass der Ausschuss weit unter den Möglichkeiten blieben, bis er durch einen administrativen Trick unter Sobotka nun ohne Option auf Verlängerung abgeschlossen werden musste.

Sobotkas Haltung stand dabei in eklatantem Widerspruch zu einer Regierungsankündigung, die Justizministerin Alma Zadic von den Grünen einen Trumpf überließ: Gemeinsam mit EU- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler präsentierte sie neue Anti-Korruptionsgesetze, die Lehren aus den untersuchten Vorgängen ziehen und beispielweise Mandatskauf strafbar machen. Bei einer Regierungsklausur zu Jahresbeginn bemühten sich die Koalitionäre, gemeinsamen Arbeitseifer und Geschlossenheit zu zeigen. Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler präsentierten einen ambitionierten Arbeitsplan, der neben der Korruptionsbekämpfung vor allem Fortschritte in Richtung Energiewende bringen soll.

Dass die gemeinsame Arbeit bei fundamentalen Mentalitätsunterschieden der Regierungsparteien nicht leicht von der Hand geht, daran ließen die Spitzen keinen Zweifel. Genauso entschieden zeigten sie sich jedoch in ihrer Absicht, die volle Regierungsperiode durchhalten zu wollen. Während spektakuläre „Leuchtturmprojekte“ in den jetzigen Ankündigungen fehlen, zeugen kleinere Schritte, etwa in den Pensionsregelungen, durchaus von Übereinkünften und gemeinsamem Ringen der Beteiligten, angesichts der multiplen Krisen von Teuerung bis Personalmangel in vielen Bereichen der Arbeitswelt Lösungen zu suchen. Nach regulärem Zeitplan liegen noch rund 18 gemeinsame Monate vor den Koalitionären – viel Zeit, um sich in Kleinarbeit aufzureiben oder sich doch noch näher zu kommen. Spätestens im Herbst 2024 wird wieder gewählt.

Indessen funkt die Wahl an diesem Wochenende im wichtigen Bundesland Niederösterreich, wo die ÖVP bislang gewohnheitsmäßig mit bequemer Mehrheit das Zepter führte, Störfrequenzen ins benachbarte Wien. Dort ist es einmal mehr das wieder aufflammende Thema Asyl und Migration, das die Stimmung dominiert – und die Debatte um die Klimaaktivisten von der „Letzten Generation“, die mit spektakulären Aktionen wie Festkleben auf der Fahrbahn das Klimathema in den Vordergrund rücken wollen.

Die ÖVP grenzt sich vehement ab, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fordert streng härtere Strafen für die „Klimakleber“ und „Klimachaoten“. Die Grünen hingegen zeigen eingedenk ihrer Genese aus der Umweltbewegung Verständnis für die Alarmstimmung. Umweltministerin Leonore Gewessler findet eine Tempobeschränkung auf Autobahnen auf 100 Stundenkilometer „absolut sinnvoll“ und verweist auf die beschlossene Unterstützung für Fotovoltaikanlagen und vereinfachte Genehmigungen für Wind- und Solarkraftwerke. Für die ÖVP liegt der Schlüssel für eine Lösung des Klimathemas dagegen eher in Innovation – mit Rücksicht auf die zahlreichen Pendler im Flächen-Bundesland Niederösterreich.

In Gestalt des Vorsitzenden Herbert Kickl mischt in dieser Gemengelage die zwischenzeitlich krisengeschüttelte Freiheitliche Partei wieder massiv mit. Erneut setzt Parteichef Kickl das Thema Asyl und Migration prominent auf die Agenda und bringt damit die ÖVP, mehr noch aber die SPÖ unter Druck. Umfragen sehen die FPÖ in Niederösterreich auf dem zweiten Platz, deutlich vor der SPÖ.

Irmgard Rieger
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