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d'Lëtzebuerger Land vom 13.09.2024

Wenn es sein muss, ist Michel Reckinger Linkskatholik. Am Montag gab der Präsident der Union des entreprises luxembourgeoises (UEL) RTL-Radio ein Interview zu den Renten. Und sagte, in Luxemburg liege die Lohnersatzrate der Renten bei 86 Prozent. „Dat heescht, 86 Prozent vun der Pai, déi Dir herno an der Pensioun kritt.“

86 Prozent sind eine ziemliche Menge. Wenn man will, mehr als die berühmten „fünf Sechstel“, die bis 1998 allen pensionierten Beamten winkten und das ADR inspirierten. Denn fünf Sechstel sind 83,3 Prozent. Oder sollte der UEL-Präsident die besonders kleinen Renten im Privatsektor gemeint haben? Und wie passt das dazu, dass die UEL im Juli in ihrer „Contribution patronale“ zum Renten-Gutachten des Wirtschafts- und Sozialrats (WSR) 75 Prozent Ersatzrate geboten hatte – Stand 2022 und „pour un homme ayant un salaire moyen“? Auf Nachfrage klärt die UEL auf: Michel Reckinger habe sich im „Handbuch zur Rentenreform“ der Zeitschrift Forum informiert. Dort stünden die 86 Prozent als Netto-Lohnersatzrate. Die UEL wiederum habe im WSR-Bericht von Brutto gesprochen. Man versteht: Es hat zwar nicht viel Sinn, Netto mit Netto zu vergleichen, wenn man nicht angibt, welche Steuern auf Brutto anfielen, aber 86 Prozent sehen auf jeden Fall nach einem großzügigeren System aus als 75 Prozent, und da kann man schon mal ein bisschen schummeln, wenn es der eigenen Sache dient.

In den nächsten Wochen und Monaten dürften viele solcher Zahlen in den Raum geworfen werden, von allen möglichen Seiten her. CSV-Sozialministerin Martine Deprez hat diese Woche die Einladungen zur „Konsultation“ über die Renten verschickt. Premier Luc Frieden wünschte sich am 4. September beim Pressebriefing nach dem Regierungsrat eine „respektvolle“ Debatte. Er sagte das insgesamt vier Mal, als sei es nicht selbstverständlich. Ist es wahrscheinlich auch nicht. Der Rentenreform von 2012 war eine Konsultation über die Tripartite vorausgegangen, die schon 2007 begann. Verglichen damit kommt die Reform jetzt aus heiterem Himmel. Kein Wunder, dass die Regierung sie noch gar nicht so nennen möchte, sondern erst, wenn nächstes Jahr ein „Resümme“ der Konsultation geschrieben sein und die Koalition sich auf einen Reformvorschlag geeinigt haben wird. Doch für die Regierung gilt auch: Je mehr Kontroversen es gibt und je aufgeheizter die Atmosphäre wird, umso eher wird sie ihren Vorschlag als den einzig gangbaren Mittelweg verkaufen können. 2012 lief es ähnlich. Der damalige LSAP-Sozialminister Mars Di Bartolomeo bugsierte seine „Pension à la carte“ schlau durch alle Konflikte. Obwohl damit die Rentenleistungen auf das Niveau von vor der Reform von 1987 zurückgefahren werden. Die Brutto-Lohnersatzrate einer Rente auf den einfachen Brutto- Mindestlohn wurde um 13 Prozent gekürzt; die Ersatzrate der höchsten Renten auf einen fünffachen Brutto-Mindestlohn um 15,75 Prozent. Allerdings wurde alles über 40 Jahre gestreckt. Doch man erhält einen Eindruck von der Bedeutung der „Prozente“ im Lohnersatz.

Und wenn die Regierung bei dem bleiben will, was Martine Deprez Anfang des Jahres gegenüber dieser Zeitung angedeutet hat – die 40 Jahre Streckung der Reform von 2012 um 20 Jahre stauchen –, dann steht für Aktive, die heute in den Vierzigern sind, einiges auf dem Spiel. Politisch noch schwieriger wird das Vorhaben, weil auch über die Renten im öffentliche Sektor gesprochen werden muss. Bisher hat die Regierung vermieden, darauf einzugehen. Doch wenn die 2012 abgemachte allmähliche Rentensenkung beschleunigt werden soll, werden die Beamtenkarrieren, für die es keine Beitragsbemessungsgrenze auf die Bruttobezüge gibt und woraus höhrere Pensionen folgen können als im Privé, ein Kapitel für sich. Nicht auszuschließen, dass es dazu in den sozialen Medien hoch her gehen wird. Gut möglich, dass Luc Frieden vor allem das meinte, als er sich eine „respektvolle“ Debatte wünschte.

Peter Feist
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