Vor 30 Jahren war das Solarmobil ein „projet d’établissement“ der Limpertsberger Handwerkerschule. Henri Kox war ein beteiligter Lehrer. Der Diplomingenieur machte sich mit dem Solarmobil einen Vornamen. Den Nachnamen hat er von seiner Mutter. Elisabeth Kox-Risch war die christlich-soziale Jeanne d’Arc im Kampf gegen die Atomkraft.
Das mögen grüne Wählerinnen. 2004 wird Henri Kox ins Parlament gewählt. Im stockkonservativen Ostbezirk. Acht Jahre lang ist er Bürgermeister von Remich. Bis Piratenpartei und Lëtzebuerg Privat eine Schmähkampagne organisieren.
2019 erleidet Minister Felix Braz einen Schlaganfall. So kommt Herr Kox in die Regierung. Die Parteikollegen halsen ihm die undankbarsten Ressorts auf: Innere Sicherheit, Wohnungsbau, vorübergehend Verteidigung. Henri Kox lächelt freundlich. Auch ein wenig überfordert.
2020 bringt Minister Kox den Gesetzentwurf einer Mietreform ein. Sie beschäftigt sich mit Wohngemeinschaften, Immobilienagenturen, Mietgarantien, Cafészëmmeren. Das Wichtigste rührt sie nicht an: die hohen Mieten.
Ein Mietgesetz kann dem Mieterschutz dienen. Um die Reproduktionskosten der Arbeitskraft zu bremsen. Es kann dem Vermieterschutz dienen. Um Ertragshausbesitzern eine feste Rendite zu sichern. Eine gesetzliche Mietbegrenzung kann nach der Renditenerwartung der Vermieter festgelegt werden. Oder nach der Kaufkraft der Mieter. Bisher geschah es stets nach Ersterer.
Ein Ministerialerlass vom 16. Februar 1955 setzt den „taux de l’intérêt normal devant servir de base pour le calcul du loyer“ fest. Auf „5% l’an“ des versteinerten Kapitals. Die fünf Prozent gelten bis heute. Auf dem Papier. Die Mietreform von 2006 erlaubt Neubewertungen des Kapitals und Abschläge für Altbauten. Henri Kox wollte daran nichts ändern.
Bis er vor drei Monaten Änderungsanträge zu seinem Entwurf einbrachte. „[L]e capital investi est réévalué de façon plus cohérente avec l’évolution du marché“, erklärt der Motivenbericht. Ein „Marktgesetz“ ist, wenn das Gesetz sich dem Markt fügt. Die Rendite soll auf 3,5 Prozent gesenkt werden. Auf dem Papier. Aber „[l]e coefficient de réévaluation est fixé annuellement et déterminé en fonction de l’évolution de l’indice des prix de vente en valeur nominale des logements“.
Die zulässige Rendite soll nicht mehr am investierten Kapital gemessen werden. Sondern an den aktuellen Marktpreisen. Vermieter sollen nicht mehr im Verhältnis zum vorgeschossenen Kapital verdienen. Sondern für die landesweit steigenden Mieten belohnt werden. Mit einer sich selbst verstärkenden Preisspirale. Unter Index-Gegnern: „autoallumage“.
Herr Kox tut, was ein liberaler Wohnungsbauminister zu tun hat. Er verteidigt die Bereicherungsfreiheit. Er bürdet sich die Sünden des freien Markts auf – die teuren Grundstücke, die fehlenden Wohnungen, die steigenden Mieten. Im Neujahrsinterview distanziert sich Premier Xavier Bettel vom Sündenbock: „Déi Decisiounen an déi Kommunikatioun, déi mer gemaach hunn, [waren] net déi opportuunst.“ DP-Wähler investieren gerne „an de Steen“. Sie ziehen unauffällige Mieterhöhungen vor. Sie halten den Minister für ungeschickt.
Auch LSAP-Präsidentin Francine Closener hält sich den Sündenbock vom Leib: Ihre Partei habe „ganz grouss Probleemer“ mit den grünen Änderungsanträgen (RTL, 4.1.). Die Änderungsanträge wurden im Oktober von den LSAP-Ministern gutgeheißen. Sie hatten sie bloß nicht gelesen oder nicht verstanden. Am vergangenen Freitag schimpften LSAP-Politiker: „[C]e consentement donné par les représentants de notre parti lors de la réunion du conseil gouvernemental, est un consentement vicié par un dol politique, provoqué par la communication ambiguë de Monsieur le Ministre.“
Hat Henri Kox seine Regierungskollegen arglistig getäuscht? Oder hat er seiner Verwaltung blind vertraut? Und deren Änderungsanträge ebenso wenig gelesen oder verstanden wie die LSAP.