Mit der Gasnetzsubventionierung und der Strompreisstabilisierung will die Regierung die Haushalte entlasten und gleichzeitig die Inflation bremsen, um die automatische Lohnanpassung zu verzögern. Ob diese Rechnung wirtschaftlich und politisch aufgeht, muss sich erst noch zeigen

Zeitenwenden

d'Lëtzebuerger Land vom 04.03.2022

Energien des Friedens „Im Mittelpunkt der Beratungen von Bundeskanzler Olaf Scholz und dem luxemburgischen Premierminister Xavier Bettel in Berlin stand der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Beide Länder sind sich einig, dass dieser eklatante Bruch des Völkerrechts für Europa und die westliche Welt eine Zeitenwende markiert“, meldete die Pressestelle der Bundesregierung am Dienstag (die luxemburgische Regierung gebrauchte in ihrer eigenen Mitteilung ihren Lieblingsausdruck „Paradigmenwechsel“). Der sozialdemokratische Kanzler Scholz hatte bereits am Sonntag bei seiner Ansprache im Bundestag bedeutungsschwanger von einer „Zeitenwende“ gesprochen und der sozialistische Wirtschaftsminister Franz Fayot pflichtete ihm am Mittwoch in einem Interview mit dem Wort bei. Durch die Ukraine-Krise sei die EU stärker zusammengerückt und der Stellenwert der Nato gestiegen. Schon zu Beginn der Pandemie hatte Europa eingesehen, dass es nach
Asien ausgelagerte Industrien repatriieren müsse, um wieder unabhängiger von Importen zu werden. Mit dem wirtschaftlichen Wiederaufschwung nach Corona hat sich gezeigt, wie fragil die Lieferketten sind und wie abhängig die EU von Energieimporten ist. Die energetische Transition ist aber längst nicht abgeschlossen und solange die „Energien des Friedens“ (Claude Turmes) noch nicht in ausreichendem Maße verfügbar sind, ist Europa auf die Einfuhr von Erdöl, Gas und Kohle weiter angewiesen.

Die Energiepreise waren bereits im vergangenen Sommer gestiegen, doch lange hat die Regierung gezögert, um Maßnahmen zu ergreifen. Offenbar hat sie damit gerechnet, dass sie bald wieder sinken würden und die Forderungen des OGBL nach einer Deckelung der Energiepreise, einer Erhöhung und Ausweitung der Teuerungszulage und der Aufnahme der CO2-Steuer in den Index-Warenkorb geflissentlich ignoriert. Bei einer von der CSV beantragten Kammerdebatte zur Kaufkraft am 9. Februar ging es dann hoch her und insbesondere Christsoziale und Linke äußerten Forderungen, die denen der Gewerkschaften ganz ähnlich sind. Die LSAP, selbsterklärtes soziales Gewissen der Dreierkoalition, stellte einen Energiescheck von mindestens 100 Euro an alle Haushalte in Aussicht. Am Ende nahmen die Mehrheitsparteien eine Motion an, die die Einführung einer einmaligen, doch sozial selektiven Hilfe vorsah. Das war, bevor Russland die Ukraine angriff.

Seit einer Woche spitzt die Situation sich weiter zu. Der Marktpreis für Erdgas ist laut Angaben der Europäischen Union von Anfang dieser Woche innerhalb eines Jahres um 288 Prozent gestiegen. Die 27 EU-Staaten beziehen durchschnittlich mehr als ein Drittel ihres Erdgases aus Russland. In Luxemburg, das sein Gas zu 75 Prozent aus Belgien und zu 25 Prozent aus Deutschland importiert, machte laut Eurostat Gas aus Russland im Jahr 2020 rund 25 Prozent aus; der sozialistische Wirtschaftsminister Franz
Fayot sprach am Montag gegenüber RTL von 15 bis 20 Prozent russischem Gas. Wegen der gegen Putin verhängten wirtschaftlichen Sanktionen befürchtet Europa nun Gegensanktionen, die den Gaspreis noch weiter in die Höhe treiben könnten. Auch der Strom könnte noch teurer werden. Nicht zuletzt bezieht die EU ein Viertel ihres Erdöls aus Russland. Ein Liter Benzin oder Diesel kostet den Endverbraucher rund ein Drittel mehr als noch vor einem Jahr, die Preise für Heizöl sind sogar um über 50 Prozent höher. Diese Preisanstiege stellen nicht nur für die Haushalte eine finanzielle Belastung dar, sondern auch für die Industrie sowie kleine und mittelständische Betriebe.

Energiedësch Um sie sorgt die Regierung sich offenbar am meisten, denn am Montagvormittag trafen die Minister sich am letzte Woche spontan ins Leben gerufenen Energiedësch mit den Gas- und Stromlieferanten Arcelor-Mittal Energy und Sotel; Enovos, Nordenergie, Leo und Steinergy; Hoffmann Frères Energie et Bois, Sudenergie und Sudstroum sowie dem Groupement pétrolier und dem Institut luxembourgeois de régulation. Die Gewerkschaften waren zu ihrem eigenen Bedauern nicht nach Senningen eingeladen, haben aber auch nicht dagegen protestiert, weil sie nicht damit gerechnet hätten, dass an dem Tisch schon konkrete Beschlüsse gefasst würden, erklärt OGBL-Präsidentin Nora Back dem Land. Die Gewerkschaften hatten sich aber geirrt, denn nach dem Energiedësch beschloss der Regierungsrat erste Maßnahmen, die vordergründig vor allem die Haushalte entlasten sollen. Demnach übernimmt der Staat bis auf weiteres den Anteil der Netzkosten an der Gasrechnung, wodurch den Kunden eine Erleichterung von bis zu 500 Euro jährlich zugute komme, erklärte der grüne Energieminister Claude Turmes. Diese Maßnahme, für die erst noch ein Gesetz benötigt wird, sei wohl die wichtigste, weil der Gaspreis am meisten von dem Konflikt in der Ukraine betroffen sei, sagte Turmes.

Als weitere Maßnahme will die Regierung die Strompreise für Haushalte stabilisieren, indem sie den staatlichen Anteil am Kompensationsmechanismus erhöht, der vor 20 Jahren im Rahmen der Liberalisierung des Strommarkts eingeführt wurde, um eine Umlage bei der Einspeisung von erneuerbaren Energien zu schaffen und eine Wettbewerbsverzerrung zu verhindern. Für arme Haushalte, die Anspruch auf die Teuerungszulage haben, hat die Regierung einen Energiescheck in Aussicht gestellt, der je nach Einkommen zwischen 200 und 400 Euro liegt. Diese einmalige Prämie kann auch von Haushalten beantragt werden, deren Einkommen bis zu 25 Prozent über der für die Teuerungszulage geltenden Obergrenze des nicht-qualifizierten Mindestlohns liegt. Nach dem Antrag ist mit einer Wartezeit von drei Monaten zu rechnen, bis das Geld ausbezahlt wird. Eine Erweiterung der Teuerungszulage auf den qualifizierten Mindestlohn wurde offenbar auch diskutiert, scheiterte aber am Veto der DP. Als längerfristigere Maßnahme will die Regierung die finanziellen Hilfen verstärken für energetische Renovierungen, für Heizsysteme, die auf erneuerbaren Energien beruhen, und für nachhaltige Mobilität. Die Details will Turmes erst in den kommenden Wochen vorstellen. Rund 75 Millionen Euro wolle die Regierung vorerst für diese vier Maßnahmen zur Verfügung stellen, alle drei Regierungsparteien stünden hinter den Beschlüssen, meinte Xavier Bettel.

Die Hilfen für die Unternehmen seien noch nicht spruchreif, sagte Fayot am Montag. Es werde aber wohl so sein, dass sie je nach Bedarf an den jeweiligen Betrieb angepasst werden, weil manche stärker unter den Energiepreisen leiden als andere. Offenbar hat das mit ihren Energieverträgen zu tun. Weil die Preise bereits im Sommer letzten Jahres nach dem Wiederaufschwung gestiegen waren und Wirtschaftsexperten prognostiziert hatten, dass sie bald wieder fallen würden, hatten sich manche Unternehmen mit der Erneuerung längerfristiger Verträge Zeit gelassen. Nun ist aber genau das Gegenteil eingetreten und sie müssen Strom und Gas auf dem teuren Spotmarkt einkaufen. Manche müssten inzwischen mit Verlust arbeiten, weil die Energiepreise sich vervierfacht oder verfünffacht hätten, erklärte Fayot. Betroffen davon seien sowohl große Industriebetriebe als auch Klein- und Mittelbetriebe. Wegen der europäischen Wettbewerbsregeln dürfen die Regierungen nicht massiv in den Energiemarkt eingreifen. Lösungen sollen nun mit einer gemeinsamen Toolbox auf EU-Ebene gesucht werden. Eine schnelle Hilfe für die luxemburgische Wirtschaft ist laut Fayot die Kurzarbeit, die schon in der Coronapandemie eingesetzt wurde und erst vor wenigen Monaten einen flexibleren gesetzlichen Rahmen bekam.

Mit den Maßnahmen, die sie am Montag getroffen hat, will die Regierung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie geht davon aus, dass die staatliche Subventionierung der Netzkosten und die Stabilisierung der Strompreise nicht nur die Haushalte entlasten, sondern auch die Inflation bremsen und damit die Auslösung des Indexmechanismus verzögern werden. Statec-Direktor Serge Allegrezza hatte am Samstag im RTL Radio gemeint, es sei durchaus möglich, dass in diesem Jahr zwei Index-Tranchen ausbezahlt werden müssten. Der Direktor der Handelskammer, Carlo Thelen, hatte am Dienstag sogar vor drei Tranchen und einer Stagflation gewarnt. Wegen des Krieges in der Ukraine würden die Wachstumsvorhersagen zwar geringer ausfallen und in diesem Jahr werde die Inflation wohl hoch bleiben, doch eine Stagflation sei trotzdem unwahrscheinlich, widersprach Allegrezza am Mittwoch auf Land-Nachfrage.

Inwieweit die nun beschlossenen Maßnahmen tatsächlich die Inflation bremsen werden, ist indes noch nicht abzusehen; verlässliche Vorhersagen liegen noch nicht vor. Sobald operationelle Details verfügbar seien, werde das Statec die Auswirkungen berechnen, sagte Allegrezza dem Land. In seiner Note de conjoncture für Februar war das Statistikamt davon ausgegangen, dass die Inflation aufgrund der hohen Energiepreise und unterbrochener Lieferketten in diesem Jahr auf 4,4 Prozent ansteigen werde, um 2023 wieder auf 1,4 Prozent zu sinken. Wegen der Ukraine-Krise könne die Inflation aber noch höher ausfallen, sagte Allegrezza am Samstag im RTL Radio.

Fleisch Neben der Energie werden auch die Lebensmittel (noch) teurer werden. Ein Preisanstieg war bereits in den vergangenen Monaten zu beobachten, wie die Revue in dieser Woche berichtet. Die europäische Landwirtschaft ist in hohem Maße abhängig von Russland und der Ukraine. Ein Drittel ihres Düngers bezieht die EU aus Russland, die Preise dafür sind innerhalb eines Jahres um 142 Prozent gestiegen. Die Ukraine ist ein wichtiger Lieferant von Körnern und Ölfrüchten: 57 Prozent ihrer Maiskörner, 47 Prozent ihres Sonnenblumenschrots und 30 Prozent ihres Weizens bezieht die EU aus dem osteuropäischen Staat. 50 Prozent des Rapsschrots, 34 Prozent des Sonnenblumenschrots und 35 Prozent der Sonnenblumenkerne kauft sie in Russland ein. Die Weltmarktpreise für diese Erzeugnisse, die vor allem als Futtermittel in der Fleischindustrie zum Einsatz kommen, sind in dieser Woche um fünf bis zehn Prozent gestiegen und liegen inzwischen fast so hoch wie zu Beginn der Finanzkrise von 2008. Der Direktor des Service d’économie rurale des Landwirtschaftsministeriums, Pierre Treinen, spricht gegenüber dem Land von einem „dramatischen Anstieg“. Welche Auswirkungen er mittel- bis langfristig auf die Lebensmittelpreise haben wird, ist noch nicht abzuschätzen. Zurzeit seien die Vorräte noch voll, Probleme könnten sich in der nächsten Saison stellen. Insbesondere die Preise für Rindfleisch und Milch hätten aber schon ein ähnlich hohes Niveau wie vor 15 Jahren erreicht. Auch beim Schweinefleisch wird mit einem hohen Anstieg gerechnet.

Über diese Probleme hat die Abgeordnetenkammer bislang nur in einer Ausschusssitzung beraten. Die LSAP hatte zwar für Dienstag eine öffentliche Aktualitätsstunde zum Ukraine-Konflikt beantragt, doch dabei ging es hauptsächlich um geopolitische und militärische Fragen sowie Solidaritätsbekundungen; nur die Grünen überraschten mit der Aussage, sie wollten die Idee der CSV unterstützen, dass zumindest darüber diskutiert werden müsse, ob Atomstrom jetzt nicht vielleicht doch zu den „Energien des Friedens“ gehören sollte. Die Maßnahmen, die die Regierung ergriffen hat, um die Haushalte von den Energiekosten zu entlasten, wurden von keiner Partei angesprochen. Auch außerhalb der parlamentarischen Debatte blieben die Reaktionen bislang größtenteils aus. Von den Regierungsparteien teilte lediglich die LSAP mit, dass sie die Ankündigungen begrüße, weil sie den durch die gestiegenen Energiepreise verursachten Kaufkraftverlust ausglichen. Déi Lénk bemängelte als einzige Oppositionspartei, dass die Maßnahmen keine direkte und unkomplizierte Hilfe darstellten, und forderte eine Erhöhung und Ausweitung der Zuschüsse für alle Haushalte, die unter dem Medianeinkommen liegen; auch Haushalte, die noch mit Öl heizen, sollten unterstützt werden. Aus der Zivilgesellschaft bezog lediglich der Konsumentenschutz in dieser Woche Stellung. Die ULC bezeichnet die Hilfen als unzureichend und fordert Erleichterungen für Einwohnerinnen und Pendler, die auf ihr Auto angewiesen sind. Die Internationale Energieagentur IEA hat diese Woche entschieden, massiv Rohölreserven freizugeben, um die Preise auf dem globalisierten Markt zu stabilisieren und im Idealfall sogar wieder etwas zu senken. Auch Luxemburg beteiligt sich daran. Nationale Maßnahmen zur Entlastung von Haushalten, wie eine Senkung des TVA-Satzes von 14 auf 12 Prozent, seien kompliziert umzusetzen; eine Aussetzung der CO2-Steuer kommt für die Regierung derzeit nicht in Frage.

Wirtschaftsvertreter hatten zuletzt vor allem Bedenken wegen der zwei oder drei Indextranchen geäußert, die dieses Jahr anfallen könnten. Die erste Auszahlung könnte schon am 1. April erfolgen, sagte Allegrezza am Samstag im RTL Radio. Carole Muller, Generaldirektorin der Großbäckerei Fischer, wies in der gleichen Sendung darauf hin, dass der Index Betriebe stärker belaste als steigende Rohstoffpreise, denn die Lohnarbeit mache in ihrem Unternehmen fast zwei Drittel aller Ausgaben aus. Deshalb stellte sie die Frage, ob der automatische Lohnausgleich noch das richtige Mittel sei, um Haushalte mit niedrigen Einkommen angemessen zu unterstützen, denn letztendlich würde er nur weiter zur Inflation beitragen. Carlo Thelen von der Handelskammer hat am Dienstag gegenüber RTL erklärt, es müsse vor allem verhindert werden, dass zwei oder drei Indextranchen hintereinander anfallen. Mit ihren Maßnahmen scheint die Regierung diesen Wünschen nun nachgekommen zu sein; zumindest hat sie es versucht.

Die Gewerkschaften hätten sich bislang noch mit ihrer Kritik an den am Montag getroffenen Maßnahmen zurückgehalten, weil sie damit gerechnet hätten, dass die Inflation durch die automatische Lohnindexierung ausgeglichen werden würde, sagt OGBL-Präsidentin Nora Back im Gespräch mit dem Land. Dass nun die nächste Indextranche künstlich hinausgezögert werden soll, gefällt ihnen nicht. Ihre Forderungen nach der Aufnahme der CO2-Steuer und der Wohnungskosten in den Index-Warenkorb sei von der Regierung nicht berücksichtig worden, bedauert Back. Ansonsten wäre wohl schon viel früher eine Lohnanpassung erfolgt. Nur wegen der Pandemie habe der OGBL sich bislang noch mit Protestaktionen zurückgehalten, unterstreicht die OGBL-Präsidentin.

Acquis sociaux Während die EU und die „westliche Welt“ durch die Ukraine-Krise offenbar näher zusammenrücken, könnte sie für die blau-rot-grüne Regierung zu einer innenpolitischen Zerreißprobe werden. Obwohl Franz Fayot am Dienstag in einer großen Ausschusssitzung beteuerte, der Index stehe nicht zur Debatte, wird hinter den Kulissen bereits über seine Deckelung oder Modulierung oder eine Erleichterung des Warenkorbs gesprochen. Der Index trage eh nicht zur sozialen Umverteilung bei, weil Haushalte mit hohen und mittleren Einkommen überdurchschnittlich davon profitierten, heißt es aus Regierungskreisen. Stattdessen wollen vor allem die Grünen mit sozial selektiveren Maßnahmen wie Steuerkrediten oder der Erweiterung der Teuerungszulage die bedürftigen Haushalte entlasten. Wegen der Mehrbelastung des Staatshaushalts durch Corona und die Ukraine-Krise sei jedenfalls nicht mit Steuergeschenken zu rechnen. Der OGBL und die Regierung sind sich aber darin einig, dass der Index wohl das innenpolitische Thema des Jahres 2022 werden wird.

Ob insbesondere die LSAP gut daran täte, 18 Monaten vor den Wahlen den sozialen Frieden aufs Spiel zu setzen, ist zu bezweifeln. Bislang waren es fast immer die Sozialisten gewesen, die von gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen um die Kaufkraft stimmenmäßig profitierten. Zum Beispiel während der Ölkrise von 1973, als der LAV 25  000 bis 35 000 Menschen in der Hauptstadt versammelte, um für mehr betriebliche Mitbestimmung, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen zu demonstrieren. Ein Jahr später wurde die CSV-DP-Regierung abgewählt und erstmals in der Nachkriegszeit konnten Liberale und Sozialisten ohne die CSV eine Koalition bilden, die 1975 den Index als allgemeingültiges Prinzip gesetzlich verankerte. Oder zu Beginn der 1980-er Jahre, als die schwarz-blaue Regierung die Wettbewerbsfähigkeit der luxemburgischen Wirtschaft verbessern wollte und deshalb 1983 den Index derart beschnitt, dass im Folgejahr nur eine von drei Lohnanpassungen erfolgen sollte. Aus diesem „Index-Krieg“ (d’Land vom 13.01.1984) gingen nicht nur die Gewerkschaften als Gewinner hervor, sondern auch die Sozialisten, die bei den Kammerwahlen vom 17. Juni um sieben Sitze zulegten und wieder in die Regierung kamen. Zum letzten Mal wurde der Index vor zehn Jahren während der Finanz- und Wirtschaftskrise moduliert. Damals war die LSAP schon in der Regierung. 2010 hatten die Gewerkschaften nach einer gescheiterten Tripartite zugestimmt, dass von 2012 bis 2014 nur noch eine Tranche pro Jahr ausbezahlt werden sollte. Bei den Wahlen von 2013 verloren die Sozialisten trotzdem nur wenig, was vor allem daran lag, dass der OGBL der CSV von Jean-Claude Juncker die Schuld für die Indexmanipulierung gab. Mit der Geheimdienst-Affäre, die zu vorgezogenen Neuwahlen führte, kippte die Stimmung im Land, was es DP, LSAP und Grünen erlaubte, erstmals seit 1979 wieder eine Regierung ohne die CSV zu bilden. 2015 wurde der Indexmechanismus wieder normalisiert.

In den vergangenen Monaten hatten die Sozialisten wegen der außerordentlichen Beliebtheit von Paulette Lenert ein neues Selbstbewusstsein entwickelt und der Eindruck war entstanden, dass Kaufkraft den Wählerinnen nicht mehr so wichtig sei und sie sich nur noch für Klimawandel, Covid und Cultural Diversity interessierten. Die Ukraine-Krise hat vielleicht auch in dieser Hinsicht eine Zeitenwende eingeleitet. Auf dem Landeskongress am Samstag in Vianden wird sich zeigen, was die sozialistische „Basis“ davon hält.

Luc Laboulle
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