Abschluss des Rentendësch

Wundersame Brotvermehrung

d'Lëtzebuerger Land vom 19.07.2001

„Die Gewerkschaften haben mehr bekommen, als sie verlangt hatten“, lachte Sozialminister Carlo Wagner am Montag, als der Rententisch nach neun Sitzungen von insgesamt 35 Stunden zu einem spektakulären Abschluss kam. Und der angesprochene OGB-L-Präsident John Castegnaro gab am Mittwoch zu, dass der Minister nicht ganz unrecht hatte: „Es wäre billiger geworden, wenn die Regierung gleich zu Beginn den Forderungskatalog der Rentenplattform angenommen hätte.“ Der Grundbetrag der Renten soll beispielsweise am 1. März um 11,9 Prozent steigen, die Rentenplattform hatte nur zehn Prozent gefordert.

Nachdem Wagner in den vergangenen Wochen in Parallelgesprächen mit Castegnaro den Kompromiss am Rententisch vorbereitet hatte, verzichtete die Regierung am letzten Freitag darauf, den erhöhten Steigerungssatz für Versicherte, die spät in Rente gehen, rückwirkend einzuführen. Auf diese Weise wurden weitere 1,4 Milliarden gespart, mit denen am Montag die geplante Erhöhung der Grundrente noch schnell auf 11,9 Prozent verdoppelt und der Steigerungssatz um 3,9 statt, wie geplant, drei Prozent erhöht wurden. 

Kein Wunder, dass Castegnaro und sein LCGB-Kollege Robert Weber nicht müde werden, den DP-Minister als Held des Rententischs zu feiern, für seine stoische Ruhe und Spendierfreudigkeit zu loben. Für diesen Preis verdarb es sich der liberale Minister ausgerechnet mit den Unternehmerverbänden. Sie lehnten als einzige den Kompromiss am Rententisch ab und verstehen nicht, wieso seit Wochen niemand mehr von der schönen BIT-Studie redet, die eigentlich die Grundlage aller Gespräche am Rententisch sein sollte.

Nicht minder überraschend das Bild am Dienstag: fern des Orts des Geschehens konnte Premier Jean-Claude Juncker, der von Dublin über die Fliesenleger bis Wasserbillig so gerne als Retter in der Not eingreift, nur noch einsam aus seinem Amtszimmer den laut Luxemburger Wort „ersten großen innenpolitischen Punktesieg“ der Regierung fürs Fernsehen kommentieren. Er, der zwei Jahre lang mit der Rentenmauer gedroht und strukturelle Rentenerhöhungen kategorisch abgelehnt hatte, erschien eher als Hindernis  für diesen Erfolg, auch wenn er jetzt mit rechthaberischen Begriffsspielereien versucht, die strukturellen Erhöhungen in punktuelle umzutaufen.Aber Juncker, der sich offensichtlich verrechnet hatte, als er die Eigendynamik und die Erfolgsaussichten des Rententisches abschätzte und be

Romain Hilgert
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