Pensionsreserven

Kein Grund zur Panik

d'Lëtzebuerger Land vom 30.11.2000

Es ist schon bemerkenswert, wie man mittels desselben Zahlenmaterials und mit Unterstützung derselben Verwaltungsfachleute Studien anstellen kann, die politisch fast entgegengesetzte Schlüsse zulassen. Bestes Beispiel wird in zwei Monaten die vom Bureau international du travail (BIT) durchgeführte Actuarial and Financial Review of the General Pension Scheme of Luxembourg der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf sein.

Schienen vorhergehende Studien zum Pensionswesen den Zweck zu haben, der Regierung die möglichst drastische Ankündigung der „Rentenmauer“ in der beitragspflichtigen und noch mehr der Altersversicherung des öffentlichen Dienstes zu ermöglichen, womit der Abbau letzterer durchgesetzt werden konnte, so dürfte die vor dem Abschluss stehende BIT-Studie die streng wissenschaftlichen Argumente liefern, um den Staus quo gegen die Forderung nach strukturellen Rentenaufbesserungen aus den umfangreichen Reserven zu verteidigen und die geplanten Einschnitte bei der Invalidenrente durchzusetzen. 

Aber das alles ist nicht überraschend. Überraschender ist vielmehr, dass sich die Genfer Rentenstudie – auch entsprechend ihrem Lastenheft natürlich – streng in der Logik der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung bewegt, also kaum Argumente zu deren Abbau zugunsten kommerzieller Altersversicherungen liefert.Die Studie geht von zwei Szenarien aus, wie sich die Luxemburger Volkswirtschaft zwischen 2000 und 2050 entwickeln kann. Wobei die Geschichte lehrt, dass solche Prognosen über ein halbes Jahrhundert kaum einen ernst zu nehmenden praktischen Wert haben. Alleine im 20. Jahrhundert gab es hierzulande zwei Weltkriege und zwei Weltwirtschaftskrisen, im 19. Jahrhundert zwei Kriege, zwei Revolutionen, mehrere bis zu Hungersnöten führende Krisen, eine industrielle Revolution und eine Auswanderungswelle, die alle längerfristigen Prognosen über den Haufen warfen. Aber die beiden Wachstumsszenarios sollen eher den Fächer darstellen, innerhalb dessen die wahrscheinliche Entwicklung verläuft.

Ein optimistisches Szenario geht einfach davon aus,  dass das Bruttosozialprodukt in den nächsten 50 Jahren inflationsbereinigt weiter Jahr für Jahr um vier Prozent zunimmt. In diesem Fall nähme auch die Zahl der Arbeitsplätze stetig zu, um über 600 000 im Jahr 2050 zu erreichen. Entsprechend stiege auch die Zahl der Pendler geradlinig weiter, bis auf rund 280 000 im Jahr 2050.Ein pessimistisches Szenario sieht vor, dass das Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren gebremst wird und sich dann um die zwei Prozent jährlich bewegt. In diesem Fall würde die Zahl der Arbeitsplätze nur noch unerheblich zunehmen und gegen 2025 sogar leicht zu sinken beginnen. Dadurch würde auch die Zahl der Pendler auf dem heutigen Niveau stagnieren, das wichtigste Reservoir zusätzlicher Beitragszahler für die Rentenversicherung.Unabhängig vom Szenario wird die Zahl der Rentner im Vergleich zu den Aktiven weiter zunehmen. Von derzeit 48 Rentnern auf 100 Aktive soll das Verhältnis bis zum Jahr 2040 auf etwa 70 zu 100 bei vier Prozent Wachstum und 120 zu 100 bei zwei Prozent Wachstum steigen und dann bis 2050 stagnieren.

Dadurch steigen die Kosten der Rentenversicherung. Nach Berechnungen des BIT liegen die heutigen Umlagekosten bei 20 Prozent, zur alleinigen Finanzierung der Rentenleistungen durch die Beiträge sind also derzeit vier Prozent weniger nötig als der aktuelle Beitragssatz von 24 Prozent, was, zusammen mit den Zinseinnahmen, die Reserven verursacht, um die derzeit heiß gekämpft wird.

Tritt der optimistische Fall ein, steigt die Kapitalisierungsrate weiter steil an, so dass die Reserven gegen 2015 fast das Fünffache der Ausgaben erreichen. Auch nach dem dann durch einen negativen Cash-flow einsetzenden Rückgang sollen die Reserven 2050 noch immer die Höhe der jährlichen Rentenleistungen ausmachen.Ohne Reformen und so genannte strukturelle Maßnahmen bliebe in der optimistischen Voraussetzung die Lohnersatzquote, das Verhältnis zwischen Einkommen und Renten, nach einem geringfügigen Knick in den nächsten Jahren bis 2050 um die 40 Prozent. Dieser Knick wird vor allem durch einen vorübergehenden Rückgang des Verhältnisses zwischen Altersrenten und Einkommen verursacht.

In der optimistischen Voraussetzung dauert es bis 2020, ehe der Anteil der Beiträge an der Lohnsumme den derzeitigen Beitragssatz von 24 Prozent überschreitet. Das heißt, dass innerhalb der nächsten 50 Jahre die Beiträge nur von 24 auf 28 Prozent erhöht werden müssten, um das System am Laufen zu halten.

Anders sieht es in der pessimistischen Hypothese aus. Weil die Zahl der Beiträge zahlenden Pendler stagniert, erwartet die Studie, dass etwa im Jahr 2030 genauso viele Leute erwerbstätig sind wie Rente beziehen, bis 2050 kommen sogar auf 10 Aktive 12 Rentner. Während die Lohnersatzquote sich kaum von derjenigen bei vier Prozent Wachs

Romain Hilgert
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