Zu Beginn hatte Eis Schoul es nicht leicht. Inzwischen hat sie ihren Weg gefunden – und kommt trotzdem nicht zur Ruhe

Auf Kurs gebracht

d'Lëtzebuerger Land vom 11.03.2016

Schon wieder Aufregung um Eis Schoul, wieder in den Schlagzeilen. Und dieses Mal haben sie sie selbst gesucht. Dabei wäre den Eltern, Lehrern und Schülern von Eis Schoul Ruhe vor den Medien grundsätzlich lieber. „Die Schule funktioniert gut, wir sind zufrieden“, betont Nadine Entringer vom Elternkomitee. „Aber jetzt machen wir uns wieder Sorgen.“

Die Mutter zweier Söhne hat ihre Kinder bei der inklusiven Ganztagsschule Eis Schoul auf dem Kirchberg eingeschult – bewusst: „Ich wollte eine Schule, die Kinder möglichst individuell betreut. Hier wird stärker auf die Kinder eingegangen.“ 115 Jungen und Mädchen gehen in die Schule, 90 weitere Kinder wurden bereits für das nächste Schuljahr eingeschrieben, davon kann aber nur ein Teil tatsächlich aufgenommen werden.

Gute Nachrichten, dabei sah das vor einiger Zeit anders aus. Die Gründerjahre waren nämlich alles andere als einfach: Eigentlich wurde Eis Schoul 2008 als Modellschule engagierter Lehrer gegründet, die eine Ganztagsschule wollten, in der von Anfang an in altersgemischten Klassen Kinder von ganz unterschiedlichen Herkunft und Fähigkeiten und vor allem mit einer inklusiven Pädagogik, die auf Miteinander und Autonomie setzt, lernen würden. Die Gründer, darunter der Historiker und Sozialist Denis Scuto oder Michelle Brendel, Psychologin an der Uni Luxemburg, wollten zeigen, dass Schule anders gehen kann. Ein Vorbild war die Laborschule Bielefeld, die sich als Entwicklungsschule für alle versteht und lange Zeit als Vorbild für reformpädagogische Ansätze galt.

Doch der anfängliche Enthusiasmus war bald verflogen: Was auf dem Papier gut klang, war im Alltag nur mit Mühe umzusetzen. Die Zusammenarbeit zwischen Lehrern, therapeutisch-psychologischen Fachkräften und Erziehern gestaltete sich alles andere als einfach. Weil es keine Vorbilder etwa mit der Diagnostik und Betreuung von Kindern mit (Lern-)Behinderungen innerhalb einer Schule gab (in der Regelschule sind externe Experten dafür verantwortlich), musste vieles selbst entwickelt werden. Die basisdemokratische Struktur machte Entscheidungsfindungen nicht einfacher, im Gegenteil. Zu allem Überfluss war sich das Lehrpersonal auch in pädagogischen Fragen nicht immer einig. Es gab disziplinarische Konflikte, die schließlich so groß wurden, dass die damalige Ministerin Mady Delvaux-Stehres (LSAP) genötigt war, einzugreifen und ein Machtwort sprach. Danach wurden die internen Prozeduren überarbeitet, eine Hausordnung und eine Schulcharta erstellt, erhielt der Schulpräsident mehr Weisungsbefugnisse.

Die Reform des gesetzlichen Rahmens sollte dieser Entwicklung Rechnung tragen. „Die Änderungen waren nötig geworden, um die legale Basis an die geänderten Rahmenbedingungen anzupassen“, sagt Schulpräsident Marc Hilger. So sollen künftig weiterhin Kollaborationen mit einer Universität möglich sein, aber die Lehrer von Eis Schoul selbst müssen nicht zur Schule forschen, wie das ursprünglich vorgesehen war, aber nie richtig geklappt hatte. Ansonsten soll die Schule endgültig dem Inspektorat der Stadt Luxemburg unterstellt werden, als inklusive Schule werden Entscheidungen betreffend der Kinder mit speziellen Förderbedarf weiterhin innerhalb der Schule getroffen.

Was im Grunde eine Formsache ist, wächst sich jetzt jedoch zu einem neuerlichen Belastungstest für die Schule aus. So empfinden es jedenfalls Eltern und das Lehrpersonal. Der Gesetzestext, den das Ministerium im Mai vergangenen Jahres dem Parlament übermittelte, wurde vom Staatsrat beanstandet. Oder, im Schuljargon ausgedrückt: Er fiel glatt durch, das Gremium erhob mehrfach Widerspruch. Das liegt einerseits an einem nach wie vor ungelösten Verfassungsproblem. Laut Staatsrat sind Bestimmungen zur Schulorganisation zu vage formuliert, einiges steht bereits im Grundschulgesetz von 2009, sei daher überflüssig oder gehöre in einer Ausführungsbestimmung präzisiert. Eigentlich sollte der Verfassungsartikel geändert werden, aber die Änderung lässt auf sich warten – und das Ministerium wollte das Dossier offenbar vom Tisch haben.

Statt nun den Entwurf entlang der Einwände des Staatsrates komplett zu überarbeiten – und sich dabei mit der Schule und den Eltern abzustimmen, erschien der zuständige Beamte vor zwei Wochen plötzlich im parlamentarischen Schulausschuss mit neuen Vorschlägen, ohne diese den Abgeordneten zuvor vorgelegt zu haben. „Wir haben die Abänderungen vorher nicht gesehen“, bestätigt Martine Hansen, bildungspolitische Sprecherin der CSV. Trotzdem stimmten alle großen Parteien am 17. Februar geschlossen für die Änderungen, die CSV aber unter Vorbehalt.

Für die Eltern und das Lehrpersonal der Schule ist das ein Riesenfehler. „Unsere Meinung wurde nicht gefragt, niemand hat mit uns über die Änderungen gesprochen. Dabei ist das Gesetz eigens für unsere Schule“, sagt Marc Hilger enttäuscht.

Eine Änderung stößt Eltern und Lehrern von Eis Schoul besonders auf: Laut Entwurf soll das Schulkomitee funktionieren, wie in anderen Regelschulen, das heißt, mit den Stimmen von zwei Dritteln der Lehrer – und mit denselben Ressourcen. „Bei uns arbeiten Erzieher neben Lehrern gleichberechtigt zusammen. Das ist Teil des pädagogischen Konzepts“, betont Hilger. Die Schule habe andere, zusätzliche Aufgaben zu bewältigen als herkömmliche Schulen: „Wir haben ein eigenes Budget, wir müssen Einschreibungen selbst organisieren. Wir haben eine integrierte Maison relais.“ Bisher wurden Lehrer für diese Verwaltungsaufgaben freigestellt, entfallen diese Stunden, „können wir so nicht weiter existieren“, erklärt Hilger.

Die Eltern wandten sich daraufhin an die Medien. Eine Anfrage, wenigstens im Nachhinein von der zuständigen Parlamentskommission eingeladen zu werden, fand kein Gehör, aber die Elternvertreter haben inzwischen Kontakt zu den Fraktionen aufgenommen: Sie fordern, die Schule mit den nötigen Mitteln auszustatten.

Im Ministerium versucht man nun, die Wogen zu glätten. „Niemand bestreitet, dass die Schule anders funktioniert und sie daher andere Ressourcen braucht“, räumt ein Beamter ein. Er hat den Gesetzestext ausgearbeitet, will aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Es sei „ja noch nicht alles in Stein gemeißelt“. Man könnte die Ressourcen später per Reglement klären.

Die Eltern hatten bereits in einer Stellungnahme vom Juli 2014, zu einer Vorversion der Gesetzesänderung, gewarnt, die geplanten Änderungen würden Eis Schoul „ihrer Autonomie berauben“. Aber offenbar schenkte dem niemand Beachtung, man ließ es auf das Staatsratsgutachten ankommen. „Keiner weiß seit dem Verfassungsproblem so richtig, wie vorgehen“, verteidigt sich der Beamte. Außerdem sei er kein Jurist. In der überarbeiteten Version sind einfach alle inkriminierten Passagen gestrichen worden, um den Preis, dass existenzielle Fragen offen bleiben, etwa die der Freistellungen.

Man könnte das für eine Posse über überforderte Beamte halten, die nicht wissen, wie sie Gesetze formulieren sollen, und über lustlose Politiker, die Änderungen ohne Debatte durchwinken. Doch der Vorfall ist aus einem anderen Grund bezeichnend: Eis Schoul ist die einzige Grundschule im Land, die neue Wege beschreiten wollte und dafür ein Gesetz erhielt. Am Umgang mit ihr lässt sich ablesen, wie schwierig es ist, in Luxemburg eine Schule aufzubauen, wie wichtig – und wankelmütig – politische Unterstützung dafür ist. Und wie viele Faktoren stimmen müssen, damit so ein Abenteuer gelingen kann.

Ines Kurschat
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