Am nächsten Montag läuft die Einschreibefrist für nicht-luxemburgische EU-Bürger ab, die an den Europawahlen im Juni nächsten Jahres teilnehmen wollen. Am Dienstag dieser Woche deponierte Innenminister Jean-Marie Halsdorf einen Gesetzentwurf im Parlament, um die Einschreibefrist zu verlängern. Aber binnen sechs Tagen kann das neue Gesetz unmöglich in Kraft treten, um das derzeitige Gesetz noch vor Ablauf der Frist zu ersetzen.Dadurch entsteht eine Rechtsunsicherheit, die gerade im Fall der Wahlprozedur schädlich für die demokratischen Gepflogenheiten ist. Denn während der bereits eingeleiteten Vorbereitungen zu den Europawahlen von 2009 sollen Umfang und Zusammensetzung der Wählerschaft durch eine Reform des Wahlgesetzes verändert werden: Die Zahl der Wahlberechtigten wird mit dem Abschluss der Wählerlisten am nächsten Dienstag festgelegt. Dann soll die Kammer irgendwann die geplante Änderung des Wahlgesetzes stimmen, danach sollen die Wählerlisten wieder geöffnet und so die Zahl, soziale und nationale Zusammensetzung der Wählerschaft verändert werden.
Dabei wäre dieser Schlendrian alles andere als unumgänglich gewesen. Schließlich dürfte es kaum eine Überraschung sein, dass am nächsten Dienstag die Wählerlisten abgeschlossen werden: Das steht so seit Jahrzehnten im Wahlgesetz. Anders auch als der Innenminister mit seinem erst diese Woche deponierten Gesetzentwurf, deponierten die LSAP-Abgeordneten Ben Fayot und Lydie Err schon vor zwei Jahren einen Gesetzesvorschlag im Parlament, um die Einschreibefrist für Bürger aus anderen EU-Staaten zu verkürzen, nämlich am 16. Mai 2006. Vor einem Jahr, im März 2007, erklärte sich die Regierung auch mit einer Verkürzung der Einschreibefrist einverstanden.
Doch statt auf den Gesetzesvorschlag von Fayot und Err zurückzugreifen, zog die Regierung es vor, einen eigenen Gesetzentwurf auszuarbeiten. Und damit ließ sie sich so viel Zeit, dass es nun, je nach Auslegung der Rechtslage, zu spät sein könnte. Die hastige Abfassung ist dem Text zudem in jedem Abschnitt abzusehen.
Dabei gibt es kaum jemand, der es nicht für übertrieben hält, dass andere EU-Bürger sich nach derzeitigem Recht mehr als ein Jahr und zwei Monate vor den Wahlen einschreiben müssen, um an den Europawahlen teilnehmen zu können. Zusammen mit der Mindestaufenthaltsdauer, die von fünf auf zwei Jahre gesenkt werden soll, soll diese Einschreibefrist deshalb nun drastisch verkürzt werden.
Die Listen aller Wahlberechtigten, also Luxemburger, anderer EU-Bürger und anderer ausländischen Bürger, zu den Kammer-, Europa- und Gemeindewahlen sollen erst drei Monate vor den Wahlen abgeschlossen werden. Gleichzeitig wird die derzeitige jährliche Revision der Wählerlisten abgeschafft und die Möglichkeit geboten, sich das ganze Jahr über in die Wählerlisten eintragen zu lassen. Die Änderungen am Wahlgesetz gehen also weit über die Bestimmungen für die Beteiligung von EU-Bürgern an den Europawahlen hinaus und betreffen auch die nationalluxemburger Wahlberechtigten.
Die Wählerlisten nur zwei Monate vor den Wahlen abzuschließen, hatte die Regierung abgelehnt, weil dadurch nicht genügend Zeit bliebe, um Einspruch vergessener oder fehlerhaft eingetragener Wahlberechtigten gegen die von den Gemeinden veröffentlichten Wählerlisten einzulegen. Diese Einspruchsprozedur soll aber gründlich geändert werden: Künftig soll nicht mehr das für den Wohnkanton zuständige Friedensgericht zuständig sein, sondern das Verwaltungsgericht und als Berufungsinstanz der Verwaltungsgerichtshof. Dass Entscheidungen von Bürgermeistern und Schöffenräten Verwaltungsakte seien, für die das Verwaltungsgericht zuständig sei, ist eine Einsicht, die noch bei der Verabschiedung des Wahlgesetzes von 2003 fehlte. Ebenfalls soll das 2003 abgeschaffte Einspruchsrecht des Innenministers gegen Gemeindewahlen wieder eingeführt werden soll.
Auch sollen die Vorladungen zum Wahlgeschäft nicht mehr als Einschreibebriefe zugestellt werden, weil die meisten Berufstätigen sowieso nicht zu Hause sind, um die Empfangsbestätigung zu unterschreiben. Wobei dem von dem verstorbenen LSAP-Abgeordneten Marc Zanussi geforderten elektronischen Wählen erneut eine Abfuhr erteilt wird, weil die derzeit bestehenden Systeme noch zu unzuverlässig seien.
Schließlich packte die Regierung auch noch den Gesetzesvorschlag des CSV-Abgeordneten Paul-Henri Meyers in ihren Gesetzesentwurf, um bei den Europawahlen die Kandidatenzahl je Liste von zwölf auf sechs zu halbieren und die Möglichkeit zu schaffen, Kandidaten, wie bei den Kammerwahlen, zwei Stimmen zu geben. Weshalb das geschehen soll, vergisst der Innenminister übrigens in seinem Motivenbericht und Artikelkommentar zu erwähnen – es ist der Ersatz für die fehlgeschlagenen Versuche, Kammer- und Europawahlen zu verschiedenen Daten abzuhalten, beziehungsweise Doppelkandidaturen zu verhindern.
Doch wem die ursprünglich ganz vernünftig klingende Wahlgesetzreform vermasselt vorkommt, für den übernimmt der Gesetzentwurf das Kopenhagener OECD-Abkommen von 1990 in das Luxemburger Recht. Danach können ausländische Beobachter die Wahlen im Großherzogtum kontrollieren kommen.